Kapitel 61

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Jemand hämmerte lautstark gegen die Tür. Wieso?! Leicht benommen schaute ich mich um. Karim saß aufrecht neben mir. Er wirkte irgendwie verstört. Seine Hände zitterten. Seine Augen waren, wie am Abend zuvor, vor Angst geweitet. Was hatte ich verpasst? Schnell setzte ich mich auch auf.

„Hey, was ist los?", fragte ich leicht verwirrt. Er antwortete mir nicht. Doch dann nahm ich die Stimme war, die mit dem ohrenbetäubendem Klopfen ihren Weg in das Zimmer fand.

„Karim öffne verdammt nochmal diese verdammte Tür!"

Auch ich erstarrte. Ich hatte die Stimme zwar nur einmal in meinem Leben gehört, doch es war klar zu wem sie gehörte. Karims Vater stand draußen vor der Tür und klopfte wie ein Gestörter dagegen.

„Mach diese Tür auf!!! Sonst schwöre ich dir bei Gott, dass das gestern nur der Anfang war. Wenn ich das nächste Mal mit dir fertig bin, wünscht du dir nie geboren worden zu sein!!!"

Er hämmerte so kräftig gegen die Tür, dass ich erschrocken zusammen zuckte. Karim hatte nun angefangen am ganzen Körper zu zittern. Er hatte die Arme um seine Knie geschlungen und starrte stumm auf die weiße Tür, die leicht bebte. Ich hatte gestern schon gedacht, nachdem ich ihn geweckt hatte, dass sein Anblick mein Herz zerreißen würde, doch ich musste dies wohl zurück ziehen. Sein momentaner Anblick ließ mein Herz in abertausende kleine Stücke zerspringen. Er wirkte so hilflos und klein. Vollkommen verängstigt, verstört. Ich berührte ihm am Arm. Er zuckte erschrocken zurück. Sein Blick glitt kurz zu mir. In seinen Augen stand Todesangst. Wie gern würde ich ihm helfen. Wie gerne würde ich ihm etwas von seinem Leid und seiner Angst nehmen!

„Die Tür ist fest verschlossen. Er kommt hier nicht rein", flüsterte ich beruhigend. „Dass würde ich niemals zulassen!"

Sein Blick war wieder starr auf die Tür gerichtet. Ich konnte nicht sagen, ob er mich verstanden, geschweige denn gehört hatte.

Karims Vater hämmerte immer noch gegen die Tür. Langsam machte ich mir Sorgen, ob die Tür dieser Belastung auch wirklich stand hielt.

„KARIM!!!!", schrie sein Vater lautstark.

„Du elender Versarger! Mach jetzt endlich diese Tür auf!!"

Keiner von uns rührte sich. Wir waren zu geschockt. Was wollte sein Vater überhaupt von ihm?!

Einen Moment lang herrschte Stille, doch dann fing sein Vater erneut an zu schreien. Seine Worte klangen unfassbar hasserfüllt.

„Du bist nichts, als eine pure Enttäuschung, hörst du? Ein Versager, ein Nichtsnutz. Du wirst es in deinem gesamtem Leben zu nichts bringen. Zu rein gar nichts!!!! Du hast weder Respekt vor den Menschen, noch bist du zu etwas fähig. Ich schäme mich so etwas wie dich als Sohn zu haben!!!!

Wie konnten deine Mutter und ich dich nur in die Welt setzten?! Das ist die reinste Schande!!! So ein Ding wie dich will ich nicht mehr als Sohn bezeichnen müssen! Verschwinde aus meinem Leben! Tu mir diesen einzigen Gefallen, vielleicht bist du dazu ja in der Lage!!!"

Sein Vater hämmerte noch einmal gegen die Tür und dann herrschte vollkommene Stille. Ich hörte wie er die Treppenstufen runter ging. Ich hielt den Atem an.

Seine Worte schallten immer noch in meinen Ohren und obwohl sie nicht an mich gerichtete waren, trafen sie mich unglaublich. Meine Mutter hatte auch schon schreckliche Dinge zu mir gesagt. Diese Dinge waren so schrecklich gewesen, dass ich danach heulend zusammen gebrochen war. Doch dies überstieg einfach alles. Wie konnte jemand so etwas sagen? Wie konnte jemand seinen eigenen Sohn als Ding bezeichnen und sagen, dass man sich für ihn schäme? Wie konnte jemand so etwas unvorstellbar schreckliches tun? Wie?!!

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