Kapitel 57

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Karims Sicht: 


Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend blickte ich Clarissa hinterher, wie sie die Auffahrt unseres Hause hinunter ging. Ich hatte darauf bestanden, dass sie sich ein Taxi nahm, doch sie hatte davon nichts wissen wollen und hatte gemeint, dass sie würde lieber zu Fuß gehen würde. Hoffentlich würde ihr nichts passieren! Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihre Mutter sie womöglich erneut schlagen würde. Als sie schließlich hinter der nächsten Ecke verschwand, ging ich zurück ins Haus. Ich hatte wohl einen freien Nachmittag. Nachdem ich einen Abstecher in die Küche gemacht hatte, ging ich beladen mit einer Wasserflasche und einem Apfel in mein Zimmer zurück. Gerade, als ich in den Apfel hinein biss, fiel mein Blick auf mein Bett. Erinnerungen der letzten Stunden kamen hoch. Grinsend ließ ich mich auf die Matratze fallen und schloss die Augen. Clarissa war einfach unglaublich gewesen. Ich hoffte auf eine Wiederholung.Als ich schließlich meinen Apfel aufgegessen hatte und den Stumpf in den Müll geschmissen hatte, beschloss ich eine Runde trainieren zu gehen. Also schnappte ich mir schnell meine Sportsachen, ein Tanktop, eine kurze Jogginghose sowie meine Laufschuhe und eine Flasche Wasser. 

Dann machte mich auf den Weg in unseren Keller, wo sich unser privates Fitnessstudio befand. Mein Vater hatte es eigens für mich herrichten lassen, wieso auch immer. Man konnte es auf alle Fälle mit einem normalen Studio vergleichen. Laufband, Crosstrainer, Gewichte, Yogamatten und zahlreiche weitere Sachen. 

Ich schaltete das Radio ein und fing an zu trainieren. Zuerst lief ich mich etwas auf dem Laufband warm, danach machte ich diverse Bauchübungen und schließlich stemmte ich ein paar Gewichte.Nach anderthalb Stunden beschloss ich, für heute fertig zu sein und verließ schweißüberströmt den Raum. Schnell stieg ich unter die Dusche. Dabei sang ich lautstark irgendein französisches Lied aus den Charts. Ich hatte vergessen wie es hieß.Mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen huschte ich in mein Zimmer und zog mir rasch ein paar neue Sachen über. Eine graue Jogginghose und einen dunkelblaues T-Shirt. 

Dann stöpselte ich meine Kopfhörer in mein Handy und fing an Musik zu hören. Die Lautstärke war relativ leise für meine Verhältnisse, da ich schließlich hören musste, wenn Clarissa klingelte. Erschöpft von dem Training schmiss ich mich auf mein Bett und schloss die Augen. So hörte ich am liebsten Musik.In meinen Ohren dröhnte gerade die Melodie von irgendeinem englische Lied, als ich hörte,wie unten die Haustür aufgeschlossen wurde. Meine Mutter kam also nachhause. Sie hatte den Tag mit einer ihrer Freundinnen verbracht. Soweit ich weiß waren die Beiden erst shoppen und dann im Spa. Eigentlich sollte es meine Mutter wütend machen, dass ich die Schule schwänzte, doch sie nahm es erstaunlicher Weise ziemlich locker. 

Ich vermutete aber, dass sie alles brühwarm meinem Vater erzählen würde und, dass dieser dann die Sache regeln würde. Auf seine Art und Weise.Ein Schauer überlief mich bei dem Gedanken an meinen Vater und seine Bestrafungen. Einfach abartig. Warum gab es solche Menschen?In der Eingangshalle war nun die Stimme von meiner Mutter zu vernehmen. Mit wem sprach sie da? Ich schaltete die Musik ab um besser hören zu können. Sie schien sich mit jemandem zu unterhalten. Hatte sie einer ihrer Freundinnen mit nachhause gebracht? Doch dann ertönte die dunkle, raue Stimme von meinem Vater. Auf einmal saß ich kerzengerade in meinem Bett. Meine Augen waren weit aufgerissen. Nein, dass durfte nicht sein! Wieso musste er ausgerechnet heute kommen? Wieso?! Schnell schlich ich zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit. 

Es war eindeutig die Stimme meines Vaters. Scheiße. Hektisch sah ich mich in meinem Zimmer um. Angst stieg in mir hoch. Ich wollte ihm nicht gegenüber treten! Was sollte ich tun? Mein Blick fiel auf mein Handy. Ich musste ihre Stimme hören! Sie würde mich bestimmt beruhigen können. Schnell griff ich nach meinem Handy und wählte ihre Festnetznummer. Das übliche Tuten erklang, bis schließlich ihre Stimme erklang. 

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