Kapitel 3 - Zufallsbegegnungen

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Zufallsbegegnung

Suga wandte sich zu mir um und sah mich verwirrt an. Nun, ich deutete seinen Blick als verwirrt, so als müsse er überlegen, wer ich war und kam mir ein bisschen dumm vor, wie ich hier stand, während man mir die Verzweiflung, dass er sich erinnern möge, vermutlich vom Gesicht ablesen konnte. Einen schrecklichen Moment lang geschah gar nichts, aber schließlich hellte sich seine Miene doch noch ein klein wenig auf. Ich bildete mir ein, seine Augen - nicht ganz so gut zu erkennen, da sie hinter den dunkelblauen Gläsern einer Sonnenbrille verborgen waren - blitzten für eine Sekunde auf. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der völlig deplatzierten Sonnenbrille, immerhin regnete es draußen und wir standen in einem Supermarkt, sah er unbestritten heiß aus. Die hübschen Eroberungen aus diversen Clubs waren ja, bei Tageslicht betrachtet, oftmals mehr als nur ernüchternd. Suga hingegen war... atemberaubend. Zumindest für mich. Genau wie in jener Nacht trug er ausnahmslos schwarz, dekoriert mit silber, seine Haare waren wirklich so hell, silberblond, ich hatte mich nicht getäuscht.

Silber. Wie von selbst schob sich meine Hand in die Hosentasche. Meine Finger tasteten nach kühlem Metall und schlossen sich um das Schmuckstück. Sugas Blick rutschte sekundenlang auf meine Hand ab - er konnte doch unmöglich wissen, was ich in den Fingern hielt! - und richtete sich wieder auf meine Augen.

„Sieh einer an", raunte er jetzt. „Der mysteriöse V..." Seine Stimme war dabei rau, aber auch irgendwie einschmeichelnd.

Entscheidend war aber nur: Er erinnerte sich! Mein Puls beschleunigte sich etwas. Und er fand mich mysteriös? Okay, wenn er das mochte, war ich das. Ich konnte alles sein, was er wollte. „Taehyung", vervollständigte ich dennoch. „Oder Tae..., ist egal." Der halbverborgene Blick hing immer noch an meinen Augen und ich wurde ein wenig nervös.

„Du hast die Razzia also überlebt", versuchte ich es mit einem Schmunzeln, aber irgendwie klang es nicht locker genug und meine Stimme schwankte deutlich. Verdammt, er musste mich ja für einen kompletten Idioten halten, so wie ich mich benahm. Zumindest musterte er mich nun eindringlich, bevor er den Kopf etwas schieflegte. „Ja...", antwortete er langsam. „Und du auch. Taehyung..." Es klang, als würde er den Klang meines Namens testen. Schließlich nickte er kaum sichtbar. „Wie schön..." Unmöglich zu sagen, ob er damit mein Überleben oder meinen Namen meinte. Und das wiederum verwirrte mich so, dass ich peinlich berührt wegsah.

Wenn ich mich weiterhin so dumm anstellte, würde dieses Aufeinandertreffen zu einem absoluten Desaster werden und dabei hatte ich mir wochenlang gewünscht ich würde ihm irgendwo nochmal begegnen. Gut, vielleicht nicht unbedingt im Supermarkt, nass, ungestylt und in Allerweltsklamotten, aber hieß es nicht immer, man traf den Menschen fürs Leben in ganz banalen Situationen, bei der Arbeit, beim Sport oder beim Einkaufen? Na bitte.

Ja, ich war peinlich, meine Gedanken zumindest und ich stand immer noch wie ein verschüchterter Schuljunge da und wusste nichts zu sagen. Dabei brauchte ich doch nur irgendwas, irgendein Thema, dass ihn noch einen Moment - den entscheidenden womöglich - halten würde. Aber - wie immer in solchen Situationen - schienen alle Worte die sich in meinem Kopf stapelten, unpassend. Ich sah kurz zu Boden, mein Blick fiel dabei auf den Korb zu seinen Füßen und ich runzelte die Stirn. Ernsthaft, nichts gegen Junkfood und Süßigkeiten, aber was er in seinem Einkaufskorb hatte, war ja wohl ein schlechter Scherz. Schokoriegel türmten sich über Muffins, Keksen und Carameltoffees. Obst? Gemüse? Fehlanzeige. Eigentlich war da gar nichts, außer Süßkram.

„Kindergeburtstag?", scherzte ich und wies auf seinen Korb. Suga betrachtete nun ebenfalls seine Einkäufe und schien ernsthaft über eine Antwort nachzudenken.

„Halloween", wurde es dann. Es klang beinahe wie ein Vorschlag. Ich lächelte irritiert und fragte mich, ob er mich wohl gerade veräppelte.

„Halloween ist erst in neun Wochen."

Blood, sweat and tears [Taegi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt