Überrumpelt
„Du meinst...", meine Stimme klang plötzlich heiser und kratzig, „... du bist...? Ist es... eine Krankheit?"
Suga sah mich nicht an, schob stattdessen den Kuchenteller an den Rand des Tisches. „Könnte man so sagen, ja", murmelte er. Dann wandte er sich abrupt um und sah mir in die Augen. „Manchmal weiß ich hinterher kaum mehr, was geschehen ist, wenn es passiert. Es ist wie ein Delirium. Es tut mir leid, dass du das sehen musstest."
Das war noch schlimmer. Dass er mich so ansah, dass er ehrlich war, dass er sich dafür auch noch entschuldigte und es schaffte, mir dabei in die Augen zu sehen. Wer konnte das heutzutage noch?
Ich wiegelte ab, meine Geste war schwach. Aber meine Wut war nun vollständig verraucht und ich fühlte mich ein wenig hilflos. „Das - konnte ich nicht wissen. Sorry. Wenn du etwas gesagt hättest..."
„Was dann?", er verschränkte die Arme auf dem Tisch. „Es ist meine Sache, oder nicht? Geht niemanden etwas an."
„Ja, aber...!" Ich brach von allein ab und sah weg. Er hatte ja recht. Ich hatte selbst genügend Leichen im Keller und würde sie garantiert nicht jedem Kerl, den ich kennenlerne sofort auf die Nase binden. Ich schwenkte um und versuchte es mit einem Lächeln, es verunglückte ein wenig und ich zuckte die Schultern.
„Es war ein bisschen unheimlich."
Dazu sagte Suga nichts, nickte nur und schon wieder waren wir an einem Punkt, an dem ich nicht weiterwusste. Warum war es mit ihm so schwer, Themen zu finden, über die wir unbeschwert reden oder einfach nur lachen konnten? Lag es wirklich nur an all den seltsamen Dingen, die mir immer dann zu passieren schienen, wenn er in der Nähe war oder interpretierte ich auch da zu viel hinein?
In die zermürbende Stille hinein trat der Kellner an unseren Tisch, schenkte mir ungefragt Kaffee nach und ich war ihm fast dankbar für die Unterbrechung. Zumindest hatte ich wieder etwas zu tun, konnte an meinem Kaffee nippen, meine Finger an der Tasse wärmen. Meine Gedanken jagten sich selbst in meinem Kopf und je verzweifelte ich versuchte, rationale Erklärungen zu finden, desto mehr verrückte Einzelheiten fielen mir ein. Ich wischte mir mit einer Hand über das Gesicht, wollte die Bilder vertreiben, aber es gelang mir nicht, also wandte ich mich schlussendlich an Suga.
„Da wo ich dich gefunden habe, in dieser Gasse", begann ich leise, „da war etwas." Noch wollte ich dieses Etwas nicht konkretisieren, ich hatte ja auch keinen Schimmer, wie ich es hätte nennen sollen. „Jemand...", setzte ich probehalber hinterher. „War das der Angreifer? Hat er dich erwischt, oder-" Es, wollte ich fragen, brachte es aber nicht heraus.
Suga runzelte die Stirn und sah auf seine Hände, ohne zu antworten, was mich noch nervöser machte.
„Kannst du dich an irgendwas erinnern? War es... ein Tier, oder so?" Oder so - genau. Ich wusste nicht, was ich damit sagen wollte, aber es ließ alle Optionen offen. Eigentlich wünschte ich mir jedoch, dass er es bestätigen würde, dass er es als Berglöwe oder von mir aus als Bär bezeichnen würde, auch wenn beides absurd klang. Es hätte es nur so viel leichter gemacht, mir selbst einzureden, dass ich mir den Rest nur eingebildet hatte. Dass es mich mit leuchtenden Augen angesehen hatte zum Beispiel und dass es gesprochen hatte. Allein die Erinnerung reichte, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen.
Aber Suga tat mir den Gefallen nicht. Er starrte immer noch auf seine Hände und raunte dabei ein dumpfes „ich weiß es nicht."
Also wusste er, was ich meinte. Dadurch fühlte ich mich ehrlich gesagt nicht besser. Ich schob meine Tasse ein Stück weg und knetete meine Hände.
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Blood, sweat and tears [Taegi]
Fanfiction[BTS-AU] Schon als Kind waren Taehyung Dinge aufgefallen, für die niemand eine Erklärung hatte. Damit begann eine jahrelange Odyssee, die ihn selbst als jungen Erwachsenen noch brandmarkte, weil es keinen Menschen gab, der ihm glaubte. Und auch wenn...