Ich hatte mich gerade erpressen lassen. Und bestechen lassen. Okay, und vielleicht hatte ich mich sogar auch noch ein bisschen bezirzen lassen. Dieser Matteo hatte alle Register gezogen, um mich für seine Aufgabe zu gewinnen. So langsam schwante mir, dass das, was ich für ihn tun sollte vielleicht gar keine so kleine Sache war.
Ich beobachtete vom Fenster aus, wie er mit seinen Schlägertypen in ein dickes schwarzes Auto stieg und davonfuhr. Erpresst, bestochen und bezirzt ließ ich mich auf mein Bett fallen und starrte frustriert an die Decke. Ich tastete nach meinem Handy und loggte mich in mein Online-Banking ein. Und tatsächlich, er hatte mir fünf Mal 1000 Euro überwiesen. Von fünf verschiedenen Konten. Mit fünf verschiedenen Namen. Ich verdrehte die Augen und warf mein Handy wieder beiseite. In was hatte ich mich da nur hineinmanövriert?
Ich hörte meine Mitbewohnerin heimkommen und schwang mich aus dem Bett.
„Hey!", begrüßte ich sie und bog in die Küche ab.
„N' Abend Grete.", lächelte sie und folgte mir.
Gemeinsam besahen wir uns den mageren Inhalt unseres Kühlschranks.
„Reis mit Ketchup oder Kartoffeln mit Ketchup?", fragte sie nachdenklich, als studiere sie die Speisekarte eines Restaurants.
Ich warf die Kühlschranktür zu. Miriam blickte mich verwirrt an.
„Weißt du was? Lass uns was essen gehen.", bestimmte ich. Ganz ehrlich? Wenn ich mich schon in irgendeinen Mist reingeritten hatte für 5000 Euro, sollte ich mein neues Geld wenigstens gebührend genießen.
„Du meinst mit ‚Essengehen' was beim Aldi holen und es auf ner Parkbank futtern?", fragte sie.
„Nein, ich rede von einem Restaurant. Lass uns... Sushi essen gehen. Ich lade dich ein.", meinte ich nur.
Sie runzelte die Stirn.
„Grete, ist dir irgendwie der Reis mit Ketchup zu Kopf gestiegen? Du hast doch noch nicht mal genug Geld um die Sojasauce zu bezahlen. Und die gibt es gratis zum Essen dazu, soweit ich weiß.", erklärte sie verständnislos.
„Nein, ich...", fieberhaft überlegte ich, welche Informationen ich ihr zu meinem plötzlichen Reichtum geben konnte. Ich konnte ihr ja wohl kaum erzählen, dass ich möglicherweise gerade einen Deal mit dem Teufel eingegangen war. Folglich würde ich mir irgendeine andere glaubhafte Quelle ausdenken müssen, von der ich das Geld hatte. Aber wer würde mir bitte glaubhafterweise so viel Geld schenken?
Sie wusste zu viel über meine Eltern, als dass sie mir abkaufen würde, dass es einer von ihnen gewesen war. Meine Mutter hatte sich kurz nach der Scheidung von meinem Vater in eine neue Ehe gestürzt und war jetzt hauptberuflich Mutter von meinen drei kleinen Halbgeschwistern und verfügte über kein eigenes Einkommen. Ihr neuer Mann war Motivationscoach. Er bot Seminare an mit Namen wie „Erfolg ohne Ende- Karriere auf der Überholspur" oder „Glaube an dich selbst- Lerne, ALLES zu schaffen, was du willst". Er lebte damit ganz gut, Leuten für so einen Mist Geld aus der Tasche zu ziehen. Aber ich war für ihn nicht mehr als ein lästiges Anhängsel meiner Mutter. Das letzte, was ihm in den Sinn käme wäre, mir Geld zu geben. Mein leiblicher Vater hatte schon immer von der Hand in den Mund gelebt und seit der Scheidung steckte er in einer nicht enden wollenden Midlifecrisis. Er cruiste mit dem Motorrad irgendwo in Spanien herum und rief alle Vierteljahre bei mir an, wenn er mal ein paar Groschen für ein Telefonat übrig hatte. Ich seufzte und sagte dann: „Es ist von meiner Oma."
„Geld von deiner Oma? 20 Euro, oder was?", fragte Miriam mit leichtem Lächeln.
„Nein, mehrere Hundert. Und, ja, einfach so.", erklärte ich kurz und knapp.
„Hm...", machte sie und musterte mich nachdenklich. Dann schien die Aussicht auf Sushi alle Zweifel und Fragen zu verdrängen und sie grinste breit: „Okay, cool!"
˚₊✩‧₊
Miriam und ich lagen im Fresskoma in ihrem Zimmer herum. Das war jetzt Tag Vier an dem wir uns ausschließlich von Sushi ernährt hatten. Miriam lag ausgestreckt auf ihrem Bett und ließ ihren Kopf an dessen Seite herunterhängen. Seit einer Viertelstunde starrte sie kopfüber gebannt das letzte Maki an, am Überlegen, ob es noch in ihren Bauch passte. Ich lag in ihrem Schreibtischstuhl und hatte die Füße über eine Armlehne geworfen.
„Vielleicht sollten wir morgen mal...ich weiß nicht, auf Mexikanisch umschwenken?", schlug ich vor, während ich langsam mit dem Stuhl hin und her drehte.
„Gute Idee.", murmelte Miriam, halb abwesend. Gerade, als sie mit wilder Kämpfermiene nach dem Maki greifen wollte, klingelte es an der Tür. Ich hob den Kopf und blinzelte.
„Erwartest du Besuch?", fragte ich sie.
„Hmm, nicht unbedingt.", meinte Miriam, während sie sich aufrichtete. Dann hellten sich ihre Augen auf, „Aber vielleicht ist es Izan. Du weißt schon, der mit dem ich letztens picknicken war."
Sie lief auf die Tür zu, während sie sich ihre langen dunklen Haare richtete.
„Ah, ja, der.", murmelte ich nur, ohne einen blassen Schimmer wer das jetzt schon wieder war.
Seufzend ließ ich mich zurücksinken. Wenn Miriam Männerbesuch bekam, dann waren es irgendwelche Romantiker. Wenn ich Männerbesuch bekam, dann war es ein verdammter Psycho, der wollte, dass ich Gegenstände für ihn trug. Unwohlsein breitete sich in mir aus, wenn ich an meine Begegnung mit diesem Matteo dachte. Seit vier Tagen hatte ich nichts mehr von ihm gehört und manchmal hoffte ich, dass er mich einfach vergessen hatte. Aber ich bezweifelte, dass er seine 5000 Euro einfach so vergaß.
Ich hörte die Eingangstür und ein Rascheln. Plötzlich platzte eine aufgeregte Miriam ins Zimmer. Eilig kam sie auf mich zu.
„Im Flur...Mann...mit am Arm....", schwafelte sie.
„Hä?"
Verschwörerisch beugte sie sich zu mir.
„Da ist so ein heißer Typ in unserem Flur und der sagt der will dich sprechen und der hat ne Rolex am Arm. Grete, diese Uhren mit der Krone, du weißt schon.", berichtete sie atemlos.
Plötzlich hellwach setzte ich mich auf.
„Und der will zu mir?", fragte ich.
Sie nickte eifrig. Ich schluckte und mein Körper spannte sich an wie eine Bogensehne.
Ich schlich zu ihrer Zimmertür und trat vorsichtig heraus.
„Guten Abend, Grete.", begrüßte mich Matteo Strivale. Ich erstarrte. Er sah aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Fast noch besser, um ehrlich zu sein. Sein Anzug kam rüber, als sei er ein anständiger Unternehmer, der immerzu leicht schelmische Zug um seinen Mund deutete das Gegenteil an und die stechend hellen Augen raubten einem fast den Verstand. In unserem WG- Flur mit den Fotos und bunten Lichterketten an der Wand sah er aus, wie im falschen Film.
Ich spürte, wie Miriam hinter mir ihren Kopf aus der Tür steckte.
„Bist du bereit für unser Date?", fragte Matteo mich und lächelte.
Wortlos starrte ich ihn weiter an. Unser Date...das war ein Code für...was auch immer Fatales ich für ihn tun sollte. Oh Gott.
„Ähh.", brachte ich hervor.
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Miriam mich mit offenem Mund anstarrte.
„Klar, Date, cool.", versuchte ich etwas glaubhafter rüberzubringen und gab ihm unnötigerweise einen Daumen nach oben.
„Gut, dann komm.", meinte er knapp und hielt mir die Tür auf. Ich schnappte meinen überfüllten Schlüsselbund.
„Dann, bis später.", rief ich Miriam zu, ein paar Tonlagen höher als normal.
Miriam schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf, dann waren wir auch schon aus der Wohnung draußen.
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Mafia 101 - Matteo
RomanceAusversehen einen Kratzer in ein fremdes Auto zu machen bringt Ärger mit sich. Aber dass es ihr Leben ins komplette Chaos stürzen würde, damit hatte Grete nicht gerechnet... Grete - eine zurückhaltende dauerpleite Couchpotatoe, die Kunstgeschichte s...