19. Mama Mia

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Es war neun Uhr am Sonntagmorgen. Ich tapste gerade im Schlafanzug in die Küche, als es an der Wohnungstür klingelte. Da ich leise das Rauschen der Dusche vernahm, unter der Matteo gerade stand, entschied ich mich dafür, selbst aufzumachen. Verwundert hob ich die Augenbrauen, als ich eine in ein rotes Kleid gekleidete ältere Dame vor der Tür stehen sah. Sie trug eine aufwendige Föhnfrisur und war so adrett und schick hergerichtet, dass ich mich gleich etwas schäbig fühlte in meinem Schlafshirt.

„Hallo", sagte ich.

Der Blick, den sie mir zuwarf, war genervt, fast mitleidvoll.

„Verzieh dich, Kind", erklärte sie harsch, „Ich muss mit meinem Sohn sprechen und deine Nacht mit ihm ist offensichtlich vorüber."

Dann drückte sie sich einfach an mir vorbei in die Wohnung. Kurz blieb ich wie angewurzelt stehen. Das war Matteos Mutter? Als ich meine Sprache wiederfand, drehte ich mich stirnrunzelnd zu ihr um.

„Entschuldigung, aber ich wohne hier.", erklärte ich, leicht gekränkt über ihre dreiste Ansage.

Matteo hatte ihr ja anscheinend noch nichts von unserer Übereinkunft erzählt.

Sie erstarrte.

„Du wohnst hier?", hauchte sie verdattert, „Mit meinem Sohn zusammen?"

„Ja, also es ist eher so eine Art Wohngem-", einschaft, versuchte ich ihr zu erklären, doch da marschierte sie plötzlich mit weit ausgestreckten Armen auf mich zu. Auf ihrem stark geschminkten Gesicht zeichnete sich ungläubige Freude ab.

„Und ich dachte, dieser Tag würde niemals eintreten!", rief sie theatralisch, halb zu mir, halb gen Himmel. „Mein Matteo wohnt mit einer Frau zusammen!"

Ich wurde in eine feste vollbusige Umarmung gezogen.

„Essis nichso wiesie denken.", nuschelte ich in den Stoff ihres teuren Kleides hinein.

Warum drehte denn jede Person so durch, sobald sie erfuhr, dass ich bei ihm wohnte?

Matteos Mutter ließ mich los und hielt mich an den Schultern vor sich fest. Ihre Augen funkelten stolz, als sie mich betrachtete.

„Und dann so ein süßes Mädchen!", flötete sie gut gelaunt, „Verzeih mir bitte die unhöfliche Begrüßung. Ich dachte, Matteo lebte noch in seinen alten Mustern. Aber anscheinend hat er sich gemacht. Ich könnte vor Stolz platzen.", sie zwinkerte mir zu, „Ich bin Maria Strivale, Matteos Mutter. Nenn mich Maria."

Sie ergriff meine Hand und ich ließ sie sie verdutzt schütteln.

„I-ich bin Grete.", haspelte ich.

„Mutter.", ertönte Matteos tiefe Stimme hinter uns.

Wir beide blickten ihn an. Er war tropfnass und hatte nur ein weißes Handtuch um seine Hüfte geschlungen. Ein unwirscher Ausdruck lag in seinem Gesicht.

„Matteo!", rief seine Mutter, lief auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. Ich versuchte derweil, meinen Augen zu verklickern, nicht auf seinen Körper zu starren.

„Ich habe gerade deine Freundin kennengelernt.", erklärte Matteos Mutter ihm freudenstrahlend.

„Mitbewohnerin.", brummte Matteo.

Das Lächeln auf den Lippen seiner Mutter ließ kein Bisschen nach.

„Natürlich, Mitbewohnerin.", sie zwinkerte mir zu.

Matteo seufzte genervt und warf mir einen entschuldigenden Blick zu.

„Was für ein grandioser Zufall, dass dein lieber Onkel Cicero am Samstag eine Weinprobe bei mir veranstaltet, zu der du eingeladen bist."

Ihr Blick wanderte von ihm zu mir.

„Und du, Grete, bist selbstverständlich auch eingeladen. Nein, ich bestehe darauf, dass Matteo dich mitbringt. Unter keinen Umständen lässt man eine so hübsche Freundin Zuhause, hörst du?" Sie zeigte Matteo drohend ihren Zeigefinger.

„Sie ist meine Mitbewohnerin, Mutter.", erklärte Matteo erneut mit fester Stimme.

Völlig unbeeindruckt meinte seine Mutter: „Dann bestehe ich darauf, dass du deine Mitbewohnerin mitbringst. Und sei nicht so ein Griesgram."

Auf dem Weg in Richtung Tür beugte sie sich zu mir: „Für eine solche Frechheit würde ich ihm die Leviten lesen."

Dann stöckelte sie aus der Wohnung und ließ die Tür mit einem Rumms hinter sich zufallen.

Ich blickte zu Matteo. Also in sein Gesicht und nicht auf seine braungebrannte mit Wassertröpfchen besprenkelte Brust oder seinen Waschbrett-

„Grete?"

„Ähja?" Mit erhitztem Gesicht blickte ich zurück in seine Augen.

„Meine Mutter kann etwas überrumpelnd sein. Ich werde dich nicht zu dieser Weinprobe mitnehmen. Mach dir da keine Sorgen.", meinte Matteo.

Ich nickte nur stumm und blickte zu Boden. Eine Weinprobe von einem echten Weinbauern mit Matteo zusammen bei seiner extrovertierten Mutter klang eigentlich ziemlich spannend, dachte ich bei mir.

Ich sah aus dem Augenwinkel, wie er einen Schritt auf mich zu machte.

„Alles okay bei dir?" fragte er mit leicht besorgtem Unterton.

„Jaja.", murmelte ich und sah zur Seite. Gerade, als er sich umdrehte, meinte ich schnell: „Aber, also theoretisch kannst du mich auch ruhig mitnehmen."

Er drehte sich wieder zu mir und seine blauen Augen musterten mich ernst.

„Ich glaube, das wäre keine gute Idee.", erklärte er.

„Klar...aber...warum eigentlich?", murmelte ich verlegen.

Sicher, ich war nicht seine Freundin, aber seine Mutter wäre sehr traurig, wenn ich nicht auftauchen würde. Und es war doch nichts dabei, wenn uns seine Familie zusammen sah, das stellte ja für niemanden ein Sicherheitsrisiko dar. Meine Neugierde auf Matteos Familie war jedenfalls geweckt. Ich wollte mit zu dieser Weinprobe. Was definitiv eine neue Seite an mir war. Ich hatte es immer vorgezogen, es mir zuhause gemütlich zu machen, statt auszugehen. Aber mit Matteo war Ausgehen irgendwie...verlockend. Verheißungsvoll. Spannend. Wie auch immer.

Matteo seufzte.

„Du würdest gerne mitkommen, nicht wahr?", fragte er mit sanfter Stimme.

Verlegen kratzte ich mich am Ohr.

„Ja schon. Ich wüsste nicht, was dagegenspricht.", legte ich dar.

„Ich werde meine Mutter fragen, wer alles dort sein wird. Dann sage ich dir, ob es sicher für dich ist, mitzukommen."

Ich zog die Augenbrauen zusammen.

„Was soll das denn heißen?", fragte ich perplex, „Warum sollte es denn nicht sicher sein?"

Es würden ja wohl kaum Matteos Feinde auf der Veranstaltung seiner Mutter anwesend sein.

„Viele Leute, mit denen ich zu tun habe, sind gefährlich.", meinte Matteo, „Sie stellen keine akute Gefahr dar. Aber es ist gefährlich sie zu kennen. Du sollst sie nicht kennen und sie sollen dich nicht kennen. Ganz einfach."

„Hm.", machte ich nur.

Ich wusste ja, dass Matteo unter der Hand in krumme Geschäfte verwickelt war. Wenn man es so wollte, könnte man ihn als nebenberuflichen Gangster bezeichnen. Und als Gangster war man vermutlich mit vielen weiteren Gangstern bekannt. Ich würde gerne mehr über diese dunkleren Geschäfte von ihm erfahren. Was genau er tat, wie und mit wem er zusammenarbeitete.

Ich musterte ihn. Sein Gesicht war ernst und abweisend. Seine Miene signalisierte, dass das alles zu dem Thema war, was ich bekommen konnte. Also nickte ich nur und hoffte, dass ich würde mitkommen können.

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt