27. Helge und Lumpe

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An die Viertelstunde stand ich bewegungslos da. Ich konnte durch die Glaswand beobachten, wie sich die Dämmerung über die Stadt legte. Und irgendwo da draußen war Matteo jetzt und tat was auch immer Gefährliches Blutiges... Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich ließ sie einfach laufen.

„Scheiße!", rief ich in die leere Wohnung hinein.

Ich lief zum Kühlschrank, starrte hinein und schloss ihn wieder. Dann setzte ich mich auf die Couch, machte den Fernseher an und machte ihn wieder aus. Ich stand auf und starrte hinunter in die Stadt, als könne ich ihn von hier aus erkennen. Es musste mindestens eine Stunde vergangen sein, in der ich rastlos durch die dunkle Wohnung gewandert war, als es klingelte. 

Ein Klingeln dieser Art bedeutete, dass jemand direkt vor der Wohnungstür stand. Also jemand, der Zugang zum Haus hatte. Also entweder Matteos Leute oder seine Mutter. Vielleicht auch Matteo selbst, der in aller Hektik seine Hauskarte vergessen hatte. Ich sprintete zur Tür. Bevor ich öffnete, schaltete ich aber pflichtbewusst die Videoüberwachung ein. Enttäuscht erkannte ich Russos Kopf auf dem bläulichen Bildschirm. Dann runzelte ich jedoch die Stirn. Er sah gar nicht gut aus. Sein Gesicht war starr und seine Augen weit aufgerissen. Irgendetwas an seinem Aussehen jagte mir einen Schauer über den Rücken. 

Ich eilte zur Tür und öffnete sie. Völlig verwirrt blickte ich zu Russo hinab. Warum hatte er sich plötzlich auf den Boden gelegt? War er betrunken? Ich rüttelte vorsichtig an seiner Schulter. Sein Kopf kippte ganz unnatürlich nach hinten und seine Augäpfel rollten nach innen. Ich gefror, als ich realisierte, dass ich einen Toten vor mir liegen hatte. Sie haben Russo umgebracht, dachte ich fassungslos. Sie. Sie waren hier. Matteos Waffenschrank, dachte ich geistesgegenwärtig und sprang auf. Doch bevor ich ihn erreichen konnte, wurde ich von hinten gepackt. Ich schrie. Grob wurde mir ein Tuch auf den Mund gepresst und mein Bewusstsein verlor sich...in Schwärze.

Das Erste was ich wahrnahm, nachdem ich erwachte, war die Dunkelheit. Dann nahm ich den Geruch wahr. Leicht modrig mit einem Hauch von Benzin. Es ruckelte unter mir und meine an den Körper gepressten Beine schmerzten. Ich bin in einem fahrenden Auto, erkannte ich, dem winzigen Platz nach zu urteilen in einem Kofferraum. Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken und spürte, dass ich eine Augenbinde trug. In dem Drang, mir die Binde vom Gesicht zu reißen, wollte ich meine Arme nach vorne nehmen. Eine unangenehm reibende Fessel an meinen Handgelenken hinderte mich daran. Klaustrophobie stieg in mir auf und ich begann, mich zu winden und zu ruckeln, in dem Versuch, gegen die Enge anzukämpfen.

Das Auto unter mir bremste ab und kam zum Stehen. Die Kofferraumklappe wurde aufgerissen und ich erkannte das Sonnenlicht durch die Augenbinde. Hände packten mich und ich begann zu schreien.

„HILFE! HILFEEE!"

„Scheiße, die Schlampe schreit rum, Helge! Scheiße man, was soll ich machen?", ertönte eine leicht panische Männerstimme.

„Knebeln.", hörte ich eine zweite Stimme.

Ich hielt schockiert in meinem Schrei inne. Plötzlich wurde mein Mund aufgedrückt und mit groben Händen wurde mir ein ekliger alter Lappen in die Mundhöhle gedrückt. Ich konnte nur schwer einen Würgereiz zurückhalten.

„Los jetzt, ab zum Chef."

Ich wurde über einen Kiesweg geschleift, dann ein paar Steinstufen hochgehoben. Wie ein nasser Sack hing ich in ihren Armen, mein Herz pochte wild und ängstlich. An der veränderten Atmosphäre spürte ich, dass wir ein Haus betreten hatten. Es hallte von den Wänden, als wir eine Halle durchquerten. Dann traten wir durch eine Tür in einen vom Gefühl her kleineren Raum. Es roch nach kaltem Leder, Rauch und penetrantem Aftershave.

„Chef, ich-", hörte ich einen der Grobiane sagen, die mich her geschleift hatten.

Bist du des Wahnsinns!?", zischte eine aufgebrachte dritte Männerstimme von irgendwo vor uns.

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt