26. Markerschütternd

6.1K 231 7
                                    

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Matteo bereits fort. Ich seufzte und strich mir gedankenverloren über die Schenkel, in Erinnerung an den gestrigen Abend. Meine Wangen wurden warm und ich schwang mich mit einem verstohlenen Lächeln aus dem Bett. In der Küche angekommen machte ich mir einen Kaffee, bevor ich mich für die Uni fertig machte. Vor der Tür wartete wie immer Russo auf mich. Russo war Matteos bester Mann und mein Leibwächter, der mir nicht von der Seite wich, wenn ich das Haus verließ. Er war ein schweigsamer Zeitgenosse, aber auf eine angenehme Art und Weise. Es tat mir wirklich leid, dass er tagein tagaus mit mir in Vorlesungen wie „Methoden der Kunstgeschichte" und Seminaren wie „Deutsche Bildhauer des 17. Jahrhunderts" sitzen musste. Aber obwohl er sich sicher langweilte, verzog er keine Miene. Er war zu jeder Sekunde wachsam und hatte unser Umfeld genaustens im Blick.

Ja, es fühlte sich irgendwie cool an, wie ein Superstar bewacht und chauffiert zu werden, aber es hatte auch Nachteile. Seit Russo mir nicht mehr von der Seite wich, wichen mir alle anderen aus. Ich hatte nie viele Bekannte an der Uni gehabt, aber man hatte doch immer mal ein Gespräch nach einem Seminar geführt oder mit dem Sitznachbarn in der Vorlesung getuschelt. Jetzt trauten sich die Leute nicht einmal mehr, mich anzusehen und ließen in den Vorlesungen viele Plätze neben mir frei. Warum musste Russo auch immer so aussehen, als wäre er jederzeit bereit, jemandem die Visage zu polieren, der mich schief anschaute?

Gegen die Mittagszeit fuhren Russo und ich wie immer in ein Restaurant in der Stadt, da er sich partout weigerte, in der Uni Mensa zu essen. Ich hatte nichts dagegen. Ich musste nicht lange überlegen, wenn ich zwischen trockenem Backfisch mit einer Kelle Tiefkühlspinat oder frisch zubereiteten Tortellini mit Steinpilz-Soße entscheiden musste. Schweigend saßen Russo und ich beim Essen. Als sein Handy klingelte, blickte er stirnrunzelnd darauf und nahm dann sofort ab. Nachdem er der Person am anderen Ende gelauscht hatte, stand er ruckartig auf.

„Wir müssen gehen.", bestimmte er und schaute dabei noch grimmiger als sonst.

Ich blickte wehleidig auf meinen Teller Tortellini, von dem ich gerade mal drei Gabeln genommen hatte.

„Wollen wir das Essen vielleicht einpacken lassen?", fragte ich.

„Nein. Wir gehen. Jetzt.", erklärte er. Und zwar so eindringlich, dass ich aufsprang.

Mit eiligen Schritten lotste er mich aus dem Restaurant. Sein wachsamer Blick wanderte unaufhaltsam durch die Gegend. Irgendetwas war ganz und gar nicht gut, dachte ich mit einem flauen Gefühl im Magen.

Im Parkhaus des Wohnhauses fielen mir zwei Securities auf, die uns mit angespanntem Blick musterten. Nachdem er mich ins Penthouse gebracht hatte, eilte Russo sofort wieder los, als habe er etwas Wichtiges zu erledigen. Unruhig wanderte ich auf und ab. Irgendetwas war passiert. Ich klingelte bei Matteo durch, aber er nahm, wie zu erwarten war, nicht ab. Dann schickte ich ihm eine Nachricht, hatte aber keine große Hoffnung auf eine Antwort. Er hasste Nachrichten schreiben. Vor allem während der Arbeit. Irgendwann hatte ich mich soweit beruhigt, dass ich mich an meine Präsentation setzen konnte, die ich für die darauffolgende Woche vorbereiten musste.

Als ich Matteo endlich heimkommen hörte, sprang ich sofort auf und lief zur Treppe. Von oben beobachtete ich, wie er in sein Handy sprach. Er sah dabei verärgert und angespannt aus.

„Hast du nicht gehört was ich gesagt habe?", zischte er bedrohlich in sein Smartphone, „Ich werde keine Leute abstellen für diesen Mist. Ich brauche jeden einzelnen für die Security."

Kurz hielt er inne. Sein Gesicht war eisig.

„Ja, los, gib mir den Don.", erklärte er gereizt.

Er trat zur Fensterwand und blickte hinaus, während er angriffslustig seine Schultern rollte.

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt