˗ˏˋ Grete ˎˊ˗
Es dauerte keine zwei Tage, bis die Nachricht auf allen Titelseiten prangte: Millionenteures Gemälde aus Kunstmuseum geklaut! Ich las mir jeden Artikel durch, den ich dazu finden konnte. Immer auf der panischen Suche nach Informationen, die auf Matteo und mich deuten könnten. Bis jetzt ging man davon aus, dass der Einbrecher durch das eingeworfene Fenster eingestiegen und alleine gewesen war. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Hoffentlich fanden sie nichts, keine Spur, die sie zu uns führen würde. Ich fragte mich, ob Matteo nachts schlafen konnte. Ich jedenfalls konnte es nicht mehr.
Wie in Trance schleppte ich mich auf die Arbeit. Ich registrierte das Absperrband vor dem Museum und die Polizisten, die dort herumstanden. Als ich den Flur zu den Büros betrat, kam Ina mir auch schon entgegen. Sie sah aufgelöst aus, schlaflos, und ihre Haare waren zerzaust als habe sie sich seit zwei Tagen nicht mehr darum gekümmert.
„Grete!", rief sie und umarmte mich, „Du hast es sicher schon in den Nachrichten gehört."
„Das habe ich.", hauchte ich.
Das schlechte Gewissen fraß mich auf und betäubte mich von innen.
„Es ist einfach unfassbar.", murmelte Ina, während sie neben mir her in Richtung Werkstatt lief, „Einfach unfassbar."
Ich nickte stumm.
„Der Kunstmäzen, der uns das Gemälde geliehen hatte, ist am Boden zerstört... Du hast es ja zum Glück noch zu Gesicht bekommen. Grete", sie blieb stehen und sah mich an, „Du und ich, wir sind vielleicht die letzten Personen, die dieses Bild zu Gesicht bekommen haben. Kannst du dir das vorstellen?"
Mein Herz beschleunigte und das Blut schoss mir ins Gesicht.
„J-j-ja.", stotterte ich, „Ist wirklich ein seltsames Gefühl."
In diesem Moment fühlte ich mich, als habe ich ein großes buntes Tattoo auf der Stirn, mit der Aufschrift ‚Täterin'. Ich dachte schon, es sei um mich geschehen, aber Ina begann einfach weiterzulaufen, wieder in Gedanken versunken.
Der Arbeitstag war die reinste Qual. Mein schlechtes Gewissen brachte mich fast um und ich kam jedes Mal ins Schwitzen, wenn ich Ina oder einem der Polizisten begegnete, die im Museum ihre Runden drehten. Ich musste mich zusammenreißen, nicht erleichtert aufzuatmen, als ich bei Feierabend das Gebäude verließ. Am liebsten wäre ich davongerannt. Aber dann sah ich die Polizisten, die vor dem Gebäude standen. Ich nickte ihnen zu, so wie ich dachte, dass unschuldige nichtsahnende Leute eben nickten. Sie nickten mir zurück. Dann lief ich an ihnen vorbei, die Elisabethstraße hinunter. Als ich außer Sichtweite war, wischte ich meine schwitzigen Hände an meinem T-Shirt ab. Wenn das so weiterging, würde ich meinen Job kündigen müssen, dachte ich bedrückt.
Von der majestätischen Elisabethstraße aus bog ich in die heruntergekommene Lindenstraße ab. Ich passierte zahlreiche Handyshops und war gerade auf der Höhe eines stillgelegten Kinos, als ein Mann auf mich zutrat. Zuerst war mir der Mann in dem dunkelblauen Trainingsanzug nicht weiter aufgefallen, aber als er sich mir in den Weg stellte, war es unverkennbar, dass er etwas von mir wollte. Unsicher blieb ich stehen und beobachtete ihn misstrauisch. Er hatte kurzgeschorene graue Haare und aß ein Bällchen Himmelblau- Eis. Es sah ziemlich unappetitlich aus, wie er das Eis leckte und ich blickte schnell woanders hin.
„Na Margarete, alles fit?", fragte er.
Ich zuckte zusammen, als er meinen Namen sagte. Dann musterte ich ihn verwirrt.
Woher kannte mich der Kerl? Er war viel älter als ich, darum war es ausgeschlossen, dass er ein ehemaliger Schulkamerad war. Außerdem kannten mich ja alle nur bei meinem Spitznamen. Mir fiel beim besten Willen nicht ein, wer er sein könnte.
„Entschuldigung, aber wer sind sie?", fragte ich.
Seine cremig- blauen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„Das ist unwichtig, Margarete. Aber was wichtig ist, ist dass du eine Botschaft für mich überbringen musst, meine Liebe. Wirst du das tun?"
Irritiert blinzelte ich.
„Kommt darauf an...", meinte ich vorsichtig.
„Ich möchte, dass du zu Matteo Strivale gehst", begann er und meine Augen weiteten sich erschreckt, als Matteos Name fiel, „Geh zu ihm und sag ihm, dass er bereits mehr Immobilien besitzt, als ihm guttun und dass er seine nächsten Kaufentscheidungen gut überdenken sollte. Sag ihm, von seiner Entscheidung hängen Menschenleben ab."
Erschreckt starrte ich ihn an. Seine hellen Augen starrten unverwandt zurück.
„Würdest du das für mich tun, Kleine?", hakte er nach.
„Ich...", begann ich, „Was meinen sie damit, dass Menschenleben davon abhängen?"
„Er wird wissen, wovon ich spreche. Eis?", fragte er und hielt mir seine angesabberte Kugel Eis unter die Nase. Ich verzog das Gesicht und zog meinen Kopf zurück. Er lachte. Dann ging er an mir vorbei und verschwand.
Maximal verwirrt und durchaus besorgt kam ich zuhause an.
„Und, wie ist es momentan im Museum?", fragte Miriam, die ihren Kopf aus der Küche reckte.
Ich seufzte.
„Chaotisch. Ina ist komplett aufgelöst.", murmelte ich.
Miriam nickte verständnisvoll.
„Ist schon eine heftige Sache. Klauen die einfach ein absurd teures Gemälde. Ist schon irre."
Ich nickte nur schwach und schlich weiter auf mein Zimmer. Mit einem Plumpsen ließ ich mich auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Sag ihm, von seiner Entscheidung hängen Menschenleben ab, surrten die Worte des Mannes durch meinen Kopf. Wer war der Kerl? Er kannte Matteo, keine Frage. Und es wunderte mich nicht, dass Matteo komische Typen kannte. Aber dass der Kerl meinen Namen kannte und außerdem wusste, dass ich Matteo kannte, das machte mir etwas Sorgen. Die ganze Nacht wälzte ich mich von einer Seite auf die andere und überlegte, was ich anfangen sollte mit dieser Botschaft. Das Schlauste war vielleicht, es einfach zu ignorieren. Aber der Typ hatte gesagt, es gehe um Menschenleben. Und ich wollte nicht schuld daran sein, dass jemandem etwas passierte, weil ich die Botschaft nicht überbrachte.
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Mafia 101 - Matteo
RomansaAusversehen einen Kratzer in ein fremdes Auto zu machen bringt Ärger mit sich. Aber dass es ihr Leben ins komplette Chaos stürzen würde, damit hatte Grete nicht gerechnet... Grete - eine zurückhaltende dauerpleite Couchpotatoe, die Kunstgeschichte s...