Sich aufbäumende Pferde, wütende Stiere, Neptuns Dreizack...der Parkplatz vor der römischen Villa war wie ein bunter Themenpark für Luxuswagen. Ich starrte auf die ganzen glänzenden neuen Flitzer. Matteo war wohl nicht der einzige in seinem Familien- und Bekanntenkreis, der Asche hatte. Das war eine wirklich beeindruckende Ansammlung an PS. Aber Matteos Oldtimer war der schönste Wagen, dachte ich bei mir. Sie alle hatten Prestige, aber Matteos Auto hatte Stil. Ich lief beschwingt hinter ihm her. Der Weg zum Eingang war gesäumt von Olivenbäumen und Oleanderbüschen. Große Fackeln leuchteten uns den Weg in der Abenddämmerung. Ich grinste aufgeregt. Matteo hatte mit seiner Mutter telefoniert gehabt, um sicherzustellen, dass keine Gäste anwesend sein würden, denen ich nicht begegnen sollte. Was auch immer das hieß. Letzten Endes hatte er etwas unwirsch zugestimmt. Ich durfte ihn zu der Weinprobe begleiten.
Zwei Butler öffneten uns die Eingangstür, als seien wir das britische Königpaar. Es war total verrückt. Unauffällig rückte ich etwas näher an Matteo, als wir eintraten. Das war alles so pompös und fremd hier und er war das einzige mir vertraute weit und breit. Wir durchquerten eine Eingangshalle, die aussah wie in einem barocken Schloss. Mit Deckenmalerei und goldenem Stuck an den Wänden und großen Ölgemälden. Matteos Mutter war bereits so rübergekommen, als habe sie einen teuren Geschmack. Aber dass es so abgehoben aussah bei ihr, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich musterte eines der Bilder. Es war eine Jagdszene. Ich schätzte das Bild auf die Epoche der Romantik, vom Stil her. Das hieß es war sicher mal 200 Jahre alt. Matteo zupfte mich am Ärmel, als ich mich in dem Bild verlor. Ich blickte auf und beeilte mich, ihm zu folgen.
Als wir durch die nächste Flügeltür traten, kamen wir in einen Salon. Alle Gespräche verstummten und zehn Augenpaare starrten uns an. Ich erstarrte unter der geballten Aufmerksamkeit, wie ein Reh, das in Autoscheinwerfer blickt. Eine hauchzarte Berührung in meinem Rücken holte mich aus meiner Starre und signalisierte mir, weiter zu laufen. Ohne seine Hand von mir zu nehmen, trat Matteo neben mir in den Raum. Stühle knarrten, als alle Anwesenden sich erhoben. Mein Kopf war voller Fragezeichen. Warum erhoben sich denn alle für uns? Hatte Matteo heute einen runden Geburtstag von dem ich nichts wusste? Hatte er heimlich still und leise einen Nobelpreis gewonnen?
Ein untersetzter Mann kam lächelnd auf uns zu.
„Na, das ist ja eine Überraschung!", rief er, „Matteo, wen hast du uns denn da mitgebracht?"
Er klopfte Matteo auf die Schulter und betrachtete mich neugierig.
„Onkel Cicero, das ist Grete. Meine Mitbewohnerin.", stellte Matteo mich vor.
Bei dem Wort Mitbewohnerin blinzelte Cicero verwirrt, lächelte dann aber wieder breit.
„Grete, wie schön dich kennenzulernen!"
Ich lächelte schüchtern und reichte ihm die Hand, die er kräftig schüttelte. Dann kamen alle nach und nach an und schüttelten uns die Hände, musterten mich neugierig und sprachen Komplimente aus. Die ganze Aufmerksamkeit brachte mich ins Schwitzen und machte mich ganz verlegen.
„Capo Leone.", sprach Matteo gerade einen Mann an, dessen Hand er in seiner hielt. Ich war mir nicht sicher, ob es der seltsame Name „Capo" war, oder Matteos bedrohlicher Unterton, der mich meinen Kopf in ihre Richtung drehen ließ.
Dieser Capo schien Matteos Unterton ebenfalls bemerkt zu haben und wurde ganz nervös. Da half es nicht gerade, dass Matteo seine Hand immer noch fest umschlossen hielt. Ich schluckte. Was war denn da los?
„Ich hatte dich hier nicht erwartet.", meinte Matteo.
„Ich lief ihrer Mutter vor zwei Tagen über den Weg und habe eine kurzfristige Einladung erhalten.", erklärte dieser.
„Soso.", murmelte Matteo und ließ seine Hand kraftvoll los, womit er ihm zu verstehen gab, dass er sich entfernen sollte. Ich blickte diesem Capo verwundert nach. Allen anderen hatte Matteo mich vorgestellt. Nur ihm nicht.
Matteos Mutter unterbrach meine Gedanken, als sie in den Raum gerauscht kam und uns überschwänglich begrüßte. Nachdem sie ihn gedrückt hatte, zog Matteo sie zu sich heran und sagte leise: „Ich hatte gesagt, keine Capos."
Ich biss mir auf die Lippen und spitzte die Ohren, um seine eisige Stimme besser verstehen zu können.
„Ach, Matteo, er ist doch ein alter Freund. Ich konnte ihn nicht übergehen, nur weil er eine hohe Position bekleidet."
Fieberhaft versuchte ich, den Inhalt ihres Gesprächs zu erfassen. Capo war gar kein Vorname, sondern eine Position?
„Früher oder später wirst du sie eh allen vorstellen müssen.", fuhr sie fort.
„Du bist unmöglich.", knurrte Matteo und der Ärger in seiner Stimme versetzte mir eine kleine Gänsehaut. Seiner Mutter aber anscheinend nicht. Sie schüttelte nur elegant ihr Haar und ging mit gönnerischer Geste auf ihre Gäste zu.
„Werte Gäste, ich bin erfreut, dass ihr euch alle bei mir eingefunden habt, um in geselliger Runde bei gutem Essen die besten Rotweine der Welt zu probieren. Ganz besonders freue ich mich", sie drehte sich zu Matteo und mir, „über die wunderschöne Begleitung meines Sohnes Matteo, die reizende Grete."
Ich spürte erneut alle Augen auf mir und zustimmendes Gemurmel ertönte.
„Und damit möchte ich an den Mann des Abends übergeben. Mein Schwager und leidenschaftlicher Weinbauer Cicero.", beendete Matteos Mutter ihre kleine Ansprache.
Unter Applaus trat Cicero in die Mitte des Raumes.
Die Weinprobe war ein gigantisches Mehrgänge-Menü, bei dem es zu jedem Gang einen neues Glas Rotwein gab. Was bedeutete, dass man zu jedem Gang ein Glas leeren musste. Es war irre. Das Essen war überragend, der Wein benebelnd, die Gäste waren nach spätestens dem dritten Gang ausgelassen am Lachen. Wenn ein neuer Wein kredenzt wurde, erhob sich Cicero, um eine lustige Geschichte dazu zu erzählen.
Nur einer hielt sich zurück mit dem Trinken. Matteo neben mir scheuchte nach dem ersten Glas jeden Kellner fort, der ihm nachschenken wollte. Was bei einer Weinprobe ziemlich dreist war, aber niemand schien sich daran zu stören. Es war fast so, als haben alle Angst, Matteo irgendwie zu verärgern. Alle außer seiner Mutter und Cicero, seine engsten Familienmitglieder. Sie waren die einzigen, die sich ihm gegenüber nicht unterwürfig und schmeichlerisch verhielten.
Ich blickte regelmäßig zu Matteo, nur um seinen angespannten Blick auf mir vorzufinden. Dass seine Augen auf mir lagen, gefiel mir. Die Angespanntheit darin weniger.
„Erzähl mir mehr von dir, Grete.", lallte Cicero, „Ich hörte, du studierst Kunstgeschichte, ja? Das ist was Feines. Dann kannst du unserem Matteo mal ein wenig Kultur beibringen. Wenn du ihm einen Picasso schenken würdest, er wüsste nicht, wie rum er ihn aufhängen soll."
Ich gluckste lachend und warf Matteo einen Blick zu, der ein kleines Lächeln in seinem Mundwinkel auslöste.
„Ist mir doch egal, wo bei meiner Geldanlage oben oder unten ist.", murmelte er.
Ich lehnte mich zurück und wäre fast zusammengezuckt, als ich Matteos Arm berührte, den er locker über meine Stuhllehne gelegt hatte. Aufgeregt und etwas steif, ließ ich mich dagegen sinken.
„Erzähl mir, wie ihr euch kennengelernt habt und wie du diesen wilden Junggesellen gezügelt hast.", forderte Cicero mich mit seinem einnehmenden Lächeln auf.
Ich öffnete den Mund, unschlüssig, was ich darauf antworten sollte.
Matteo beugte sich etwas vor, um Cicero besser mit seinen eisblauen Augen anvisieren zu können.
„Sie ist meine Mitbewohnerin, Cicero. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.", erklärte er mit warnender Stimme.
„Okay, verstanden.", erklärte Cicero und nickte ergeben.
Erst jetzt bemerkte ich, dass der ganze Tisch still geworden war und uns anblickte. Alle hatten die Ohren gespitzt, um Matteos und meine Geschichte zu hören. Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und starrte unangenehm berührt auf meinen Teller. Die Gespräche um uns wurden wieder aufgenommen, als sei nichts geschehen.
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Mafia 101 - Matteo
RomanceAusversehen einen Kratzer in ein fremdes Auto zu machen bringt Ärger mit sich. Aber dass es ihr Leben ins komplette Chaos stürzen würde, damit hatte Grete nicht gerechnet... Grete - eine zurückhaltende dauerpleite Couchpotatoe, die Kunstgeschichte s...