28. Domskehls Zweitwohnsitz

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Das nächste Mal, als die Kofferraumklappe geöffnet wurde, drang kein Sonnenlicht zu mir durch. Ich schnupperte kühle erdige Nachtluft. Der Geruch von Tannennadeln lag darin. Ein Geruch, der eigentlich beruhigend war. Aber wenn man entführt worden war, wollte man alles andere als im Wald sein. Panik stieg in mir auf. Helge und Lumpe hatten mich nach meiner gescheiterten Fluchtaktion wieder unsanft mit dem alten Lappen geknebelt, aber die Augenbinde hatten sie mir nicht wieder aufgezogen. Und darum sah ich nun, dass ich in der Tat mitten im dunklen Wald stand. Die dichten Tannenzweige über mir verdunkelten den Mond und das einzige Licht kam aus dem Fenster einer kleinen Holzhütte.

Ich rammte die Fersen in den Boden und schüttelte hektisch den Kopf, als die beiden meine Arme packten und in Richtung der Hütte zogen. Flehentlich blickte ich zwischen ihnen hin und her, während Tränen in meinen Augen aufstiegen. Doch die beiden hatten ihre Lektion gelernt und ignorierten mich völlig, während sie mich unsanft über den Waldboden schleiften. Ich erkannte zwei Wagen, die neben der Hütte geparkt waren. Ein unauffälliges schwarzes Auto und ein protziger Sportwagen.

Lumpe klopfte an die Tür.

„Domskehl, mach auf. Wir bringen dir das Mädchen.", grunzte Helge.

Drinnen rumpelte es und kurze Zeit später erschien ein Mann im Türrahmen. Er war mittleren Alters und hatte die Haare mit übertrieben viel Haargel zurückgegelt, sodass sie fast nass aussahen. Seine Augen blitzen fies und hämisch. Ich sah an ihm herunter und stockte. Über einem Hemd und einer Anzughose trug er eine weiße Schürze, auf die rosa Herzchen gedruckt waren. Auch wenn diese Schürze an sich alles andere als gefährlich rüberkam, hatte sie in dieser Situation und an diesem Mann etwas Verstörendes.

„Ahh, das Liebchen meines allerliebsten Feindes ist eingetroffen. Welch erfreuliches Ereignis!", rief er, „Kommt rein, kommt rein."

Als er sich umdrehte und in die Wohnung lief, bemerkte ich, dass er beim Gehen seinen linken Unterschenkel humpelnd hinter sich herzog. Ich blickte zu Helge und Lumpe und bemerkte entsetzt, dass selbst die beiden sich in der Gegenwart des Mannes unwohl fühlten. Mit aller Macht stemmte ich mich gegen sie, aber hatte keine Chance. Sie packten mich unter den Achseln und hoben mich kurzerhand über die Eingangsstufe in das schummrig beleuchtete Innere. 

Diese Hütte war mit allem ausgestattet, was eine gruselige Waldhütte brauchte. Ein ausgesessenes muffiges Sofa, ein uralter Herdofen mit Ofenrohr, ein Holztisch mit klapprigen Stühlen und eine funzelige Lampe. Tränen rannen mein Gesicht herunter, während ich mich panisch umblickte. Ich entdeckte einen zweiten Mann. Er war schon etwas älter und trug einen teuren Anzug und ein selbstgefälliges Grinsen, als er auf uns zukam.

„Herr V-velasco.", stammelte Helge und verneigte seinen Kopf. Lumpe blinzelte verwirrt und erntete eine Kopfnuss von Helge.

„Das ist der Capo der Narcos.", zischte Helge.

„Oh.", machte Lumpe und verneigte ebenfalls seinen Kopf.

„Ist mir eine Ehre, Herr Velasco.", murmelte Lumpe.

Velasco ignorierte die beiden, während er mich musterte. Er nahm mein Gesicht unsanft in seine Hände und strich mir über die Wange, die von dem Knebel, der meinen Kiefer teilte, schmerzte. Hektisch versuchte ich nach hinten auszuweichen, doch kollidierte mit Lumpes Armen.

„Das sind also die Augen, die Matteo Strivale aus dem Gleichgewicht bringen. Sieh an, sieh an.", gurrte Velasco.

Ohne Vorwarnung packte er an meinen Hintern.

„Hmmm," machte er und ich hätte ihm am liebsten ins Gesicht gekotzt, wenn der Knebel nicht im Weg gewesen wäre.

„Netter Arsch."

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt