10. To Do

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˗ˏˋ Matteo ˎˊ˗

Nachdem ich Grete ins Bett gebracht hatte, lehnte ich mich in meinem Wagen zurück und atmete tief durch. Der Abend mit ihr passierte in meinem Kopf Revue. Wie sie grummelig ihre Cocktails getrunken hatte, wie sie dann plötzlich mit mir hatten tanzen wollen und mir so verdammt nah gekommen war. Der Tumult, den sie ausgelöst hatte, als sie auf die Plattform hatte klettern wollen. Ich schnaubte lächelnd und ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Dass die kleine Maus auch anders konnte als verklemmt und zurückhaltend, hatte mich nicht gewundert. Ihr Blick hatte vom ersten Moment an diese gesunde Wildheit und Intensität gehabt. Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und verzog das Gesicht. Wenn ich mir noch weiter selbst zuhörte, würde ich einen Brecheimer brauchen, dachte ich befremdet. Ich war nun mal kein Romantiker. Alles, was ich mit Frauen privat tat, war Sex haben. In den seltensten Fällen wiederholt. Keine Romantik, keine Probleme. Und Grete war nicht der Typ Frau für so etwas. Der Kontakt zwischen uns war – zu ihrem Besten - von nun an erledigt. Ich hatte sie schon mehr als genug ausgenutzt.

Ich ließ den Motor aufheulen und fuhr zurück Richtung Innenstadt.

Ich blickte auf die Uhr. 6:14 Uhr und keine Sekunde Schlaf. Das würde ein beschissener Tag werden, dachte ich genervt. Der Autodisplay informierte mich über vier verpasste Anrufe meiner Assistentin. Ich rief sie über die Freisprechanlage zurück.

„Herr Strivale.", ertönte ihre sachliche Stimme.

„Was steht an?", fragte ich.

„Meeting mit den Herren von der TCW GmbH wegen der Übernahme des Barón Blue um 6:30 in Konferenzraum A3, danach Telefonat um 8:45 Uhr mit Capo Vitale wegen der problematischen Beziehungen mit der südamerikanischen Drogenmafia, 12:30 Uhr Dinner mit Herrn Lordeck von der Baubehörde, 14:20 Uhr Einweihung der neuen Kaffeemaschine in ihrer Rechtsabteilung-"

„Wie bitte?", unterbrach ich sie ungläubig.

„14:20 Uhr Einweihung der neuen Kaffeemaschine in ihrer-", begann sie monoton ihren letzten Punkt zu wiederholen.

Ich unterbrach sie: „Schon verstanden. Aber was hat das in meinem Kalender verloren?"

„Alle Mitglieder ihres Unternehmens sind eingeladen, Herr Strivale.", erklärte sie.

Ich massierte entnervt die Druckstellen zwischen meinen Augen.

„Termin streichen.", befahl ich.

„Gut. Termin gestrichen. 15:00 Uhr Besichtigung der Räumlichkeiten im alten Theater.", fuhr sie fort.

Mein Unternehmen war mittlerweile aufgrund zahlreicher Investments tief in die Gastronomie und Immobilienbranche verstrickt, was mich nicht nur im Untergrund, sondern auch in der Businesswelt zu einer Größe machte. Ich war stolz auf mein Unternehmen und hatte meine Freiheiten. Trotzdem hatte ich meine Rechenschaftspflicht vor der Famiglia. Als Unterboss unterstand ich in direkter Linie dem Don, dem Boss, dem König der Schatten oder auch einfach Luciano Strivale, meinem älteren Bruder. Ich war selten so glücklich gewesen, der Jüngere zu sein, wie an dem Tag, als Luciano den Platz unseres Vaters eingenommen hatte und Don geworden war. Die Mafia zu beherrschen war eine Lebensaufgabe. Die Capos zu kontrollieren war wie eine Armada blutrünstiger Bulldoggen zu kontrollieren. Man überlebte keinen Tag, wenn man keine eiskalte Killermaschine war. Mein Bruder war ein guter Don, ein gutes Arschloch. Ich beneidete ihn keine Sekunde um seine Position.

„Außerdem 2 unbeantwortete Anrufe von Herrn Russo und 17 von ihrer Mutter.", beendete meine Assistentin ihren Vortrag und schreckte mich aus meinen Gedanken.

Ich stöhnte stumm auf. Auch das noch. Meine Mutter kochte vermutlich schon vor Wut, da ich ihre Anrufe wieder über meine Assistentin geleitet hatte.

Mit drei doppelten Espressi intus feilschte ich mit den Haifischen der TCW GmbH um den Nachtclub. lm Anschluss ließ ich mir etwas von Capo Vitale über unsere Beziehung mit der südamerikanischen Drogenmafia erzählen.

Die Beziehungen zur Narcos waren schlecht. Wir vertrieben Kokain ebenso wie sie. Alleine hier in Deutschland vertickten wir mehr Schnee als bei Aldi Mehl über die Theke ging. Bisher waren die Zuständigkeiten zwischen beiden Mafias klar verteilt gewesen. Sie bauten an, wir verkauften. Aber in letzter Zeit drängten sie immer weiter in Länder und Reviere vor, die ihnen nicht zustanden. Sie versuchten Immobilien in unseren Gebieten zu kaufen und sandten ihre Soldaten in unsere Straßen, um uns zu provozieren. Die Vermutung hing im Raum, dass die Narcos versuchte, das Geschäft komplett zu übernehmen, inklusive des Verkaufs – vertikale Integration – und uns vom Markt verdrängen wollte.

„Diese Narcos, ich sage dir, diese Halsabschneider, sie haben keinen Stil und sie haben keine Ehre. Heute gehst du mit ihnen eine Abmachung ein und morgen tun sie so, als wüssten sie nichts davon.", motzte Vitale gerade, „Ich sage dir, die werden bald Stress machen. Der Don, er hat äußerst schlechte Laune wegen ihnen. Er vermutet, dass sie eine große Provokation planen. Du weißt, was das bedeutet?"

Natürlich wusste ich, was das bedeutete. Krieg.

Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und seufzte.

„Warten wir mal ab. Vielleicht müssen sie sich nur die Krallen abstoßen und beruhigen sich dann wieder. Sie haben weder Ahnung vom Vertrieb, noch Leute in den Behörden. Sie werden nicht so dumm sein, alles aufs Spiel zu setzen.", vermutete ich. Wenn ich eines nicht gebrauchen konnte, dann war es ein Mafiakrieg.

„Wie dem auch sei", erklärte Vitale, „Erinnerst du dich noch an meine wunderschöne Tochter Bianca? Ihr habt als Kinder oft miteinander gespielt."

Ich verzog das Gesicht. Bitte nicht, dachte ich. Doch Vitale begann pausenlos von seiner Tochter zu schwärmen und sie mir als potentielle zukünftige Ehefrau schmackhaft zu machen.

Ich war froh, dass sich die Heiratsbestrebungen der Capos oder befreundeter Bosse oder wer auch immer ein Stück vom Kuchen abhaben wollte hauptsächlich auf Luciano, den Boss, konzentrierten. Während er in New York herrschte, machte ich hier in Deutschland mein Ding. Das änderte aber nichts daran, dass ich zweiter in der Reihe war. Ich war der zweitmächtigste Mann in der Famiglia und darum musste auch ich mich ab und an mit gierigen Capos und ihren talentierten Töchtern herumschlagen.

„...und meine liebe Tochter kann kochen wie eine Göttin! Sie kocht genauso gut wie ihre Mutter und ich sage dir, es hat seine Gründe, warum ich über die Jahre so fett geworden bin.", schwärmte Vitale gerade in mein Ohr.

Ich besaß mehrere Nobelrestaurants. Wenn ich gutes Essen wollte, musste ich nicht die Tochter eines Capo heiraten, dachte ich genervt.

Nachdem er endlich aufgelegt hatte, lehnte ich mich in meinem ledernen Bürostuhl zurück und schloss die Augen. Meine Kopfschmerzen hämmerten mittlerweile gegen meinen Schädel und ich schmiss mir die zweite Kopfschmerztablette ein. In Momenten wie diesen bereute ich es, mit dem Kokain aufgehört zu haben. Aber dann erinnerte ich mich daran, wie unerträglich ich auf Entzug gewesen war. Ich nahm einen tiefen Atemzug und wählte die Nummer meiner Mutter.

„Matteo!", ertönte ihre vorwurfsvolle Stimme am anderen Ende.

„Mutter, es tut mir leid-"

„17 Mal habe ich dich angerufen und jedes Mal geht diese unerträgliche Assistentin von dir dran. Welcher Sohn tut denn sowas, seine eigene Mutter umzuleiten? Du solltest dich was schämen!", zeterte sie los.

„Ich hatte etwas Wichtiges zu tun.", verteidigte ich mich, „Ich habe alle Anrufe an meine Assistentin weitergeleitet, weil ich nicht rangehen konnte."

„Was ist denn bitte so wichtig, dass man den Anruf seiner eigenen Mutter nicht entgegennehmen kann?", fragte sie empört.

Ich raufte meine Haare. Das war jetzt nicht ihr Ernst? Sie wusste genau, was die Arbeit für die Famiglia von Luciano und mir manchmal abverlangte. Sie hatte uns in diese Welt geboren. Sie war die Frau des ehemaligen Don gewesen.

Bevor ich etwas entgegnen konnte seufzte sie, vermutlich da sie selbst merkte, dass ihr Argument auf wackeligen Beinen stand.

„Wie dem auch sei,", wechselte sie das Thema, „warum ich angerufen habe war, um dich über das kleine Dinner zu informieren, das ich plane im Kreis der Famiglia. Dein Onkel Cicero ist im Land, ebenso wie Capo Bernard und seine wunderschöne Tochter Ignazie. Das nehme ich zum Anlass, heute Abend zu einer kleinen Zusammenkunft in meiner Villa einzuladen. Um 18 Uhr. Wirst du kommen?"

„Ich werde es einrichten.", sagte ich pflichtbewusst zu, obwohl ich so viel Lust auf dieses Dinner hatte wie auf einen grippalen Infekt.

Mafia 101 - MatteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt