Unangenehme Aussprache

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„Was?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wieso bist jetzt sauer? Ich bin doch der, der verloren hat.", sagte ich und runzelte die Stirn. „Ja, das habe ich gesehen. Nach einem phänomenalem Duell. Aber das scheint dich ja nicht zu interessieren. Dich kümmert ja nur das Ergebnis.", schoss sie zurück und zerschlug damit meine Hoffnung. Sie war eindeutig wegen mir sauer und nicht wegen dem Loser.
„Was soll denn auch anderes wichtig sein? Das Ergebnis ist das, was zählt.", fragte ich. „Alles andere... Aber wir sollten das später bereden. Denn sonst sagen wir beide etwas, was wir vielleicht später bereuen.", versuchte Lisa die Situation zu entschärfen und wollte sich erneut wegdrehen. Doch ich ergriff erneut ihren Arm und drehte sie wieder zu mir um. „Ich will aber jetzt mit dir reden!", beharrte ich. Wenigsten eine Sache sollte heute noch funktionieren. Eine weitere wichtige Sache, die keinen weiteren Aufschub duldete.

Erneut seufzte sie und nickte. „Dann sag, was du sagen willst.", meinte Lisa. Doch statt etwas zu sagen, holte ich ein kleines, schwarzes Samtsäckchen aus meiner Hosentasche und lies den Inhalt in ihre Hand, die ich zuvor in meine gelegt hatte, fallen. Lisa runzelte die Stirn und sah zwischen dem Ring in ihrer Hand und mir hin und her. Und die Falte auf ihrer Stirn wurde immer tiefer. „Aber... was?", stammelte sie, nachdem sie den Zusammenhang begriff. „Mein Plan war, wenn ich Yugi besiegte, dann würde ich dich fragen, ob du mich heiraten willst.", erklärte ich. „Was?", fragte Lisa und sah mich an. Doch ich sah in ihren Augen nicht die erhoffte Reaktion. Nein, sie war verletzt und wütend.

„Das kann jetzt nicht dein Ernst sein?", hakte sie erneut nach. „Doch... Noch nie war ich so sicher wie jetzt.", erklärte ich. Lisa wich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. „Das glaub ich jetzt einfach nicht.". Dann drehte sie sich von mir weg und seufzte. „Ich bin doch kein verdammter Trostpreis!", rief sie aus. „So war das auch gar nicht gemeint.", verteidigte ich mich. „Aber genauso kam es rüber. Das erklärt natürlich auch, wieso die ganzen Ärzte mich als deine Frau betitelt haben. Du warst dir deiner Sache ja sehr sicher... Aber wie stellst du dir das eigentlich vor?", fragte sie nun mich und drehte sich zu mir um. „Du sagst ja und wir verbringen die Zukunft zusammen.", erklärte ich, doch mich beschlich das Gefühl, dass hier gerade etwas mächtig schief lief.

„Die Zukunft? Sag mal, hast du irgendwas nicht mitbekommen?", fragte Lisa mich wütend. „Nein, aber so wie ich dich kenne, wirst du es mir gleich sagen.", konterte ich. „Natürlich... Deine ganze Aktion, angefangen von dem bescheuerten Kolosseum, über deine Aussage über dein Leben bis zu deiner Frage waren einfach bekloppt. Ich wusste ja, dass du ein übersteigertes Selbstwertgefühl hast. Aber das es solche Ausmaße wie eben annehmen kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Nicht das du mir mit deiner Aussage wehgetan hast... Nein, damit komme ich klar, immerhin war das nicht die erste Aktion mit der du mir weh getan hast. Aber du hast deinen Bruder damit verletzt. Er war immer an deiner Seite und das bedingungslos! Und du? Du behauptest steif und fest, du wärst alleine und würdest immer alleine sein... Sei froh, dass du sein Gesicht bei deiner Aussage nicht gesehen hast.", erklärte sie. Und da zuckte ich das erste Mal zusammen. War es wirklich so hart gewesen von mir?

„Na und? Mokuba wird immer an meiner Seite sein, egal was ich tue.", verteidigte ich mich. „Ich weiß grad echt nicht, ob ich dir eine scheuern oder gehen soll...", meinte Lisa. „Dich hat es in der Vergangenheit auch nie gestört, das ich so war, wie ich nun mal bin. Ich dachte, jetzt wo du meine Vergangenheit kennst, könntest du mich verstehen. Könntest verstehen, wieso ich so geworden bin... Ich dachte, du als Einzige könntest das verstehen, dass ich keine andere Wahl hatte, als so hart zu werden. Denn so offen war ich noch nie zu jemanden gewesen. Du warst die Erste, der ich mein Innerstes gezeigt habe.", gestand ich. „Ja, zu einem gewissen grad. Und ich bin geschmeichelt, dass ich dein Herz sehen durfte. Aber...", meinte sie und holte noch einmal tief Luft.
„Aber es geht dir immer nur um dich. Du bist nicht der Einzige, der sein Päckchen tragen muss und bin ich auch nur im Ansatz so wie du? Nein, und das hat einen einfachen Grund. Ich kann nach vorne sehen ohne meine Vergangenheit zu verleugnen. Du jedoch nicht. Hast du mich jemals nach meiner Vergangenheit gefragt? Nein, weil sie dich schlichtweg nie interessiert hat. Es ging dir immer nur um dich. Und darauf sollen wir eine Zukunft aufbauen? Auf Einseitigkeit, statt Vertrauen?", redete sie sich in Rage. Und sie hatte mit jedem Satz recht. „Dann verrate mir doch was dich belastet.", bat ich. „Und das soll ich dir jetzt abnehmen? Ernsthaft?", fragte Lisa. Dann trat sie einen Schritt auf mich zu und gab mir den Ring zurück. „Hier. Den kannst du jemanden geben, der ständig über deine Fehler hinwegsehen kann... Ich kann und will das auch nicht mehr. Dafür habe ich dir schon zu oft zu viel von mir gegeben, ohne das du etwas davon erwidert oder gewürdigt hast.", erklärte sie. Wie vom Donner gerührt stand ich da. War sie gerade wirklich dabei, mich zu verlassen?
„Aber er gehört dir. Er gehört der Frau, die ich...", begann ich. Doch da fuhr mir Lisa über den Mund. „Nein, wag es nicht, jetzt in dieser Situation auszusprechen, was ich schon so lange von dir hören wollte. Dafür ist es endgültig zu spät.", erklärte Lisa. Ich ballte die Fäuste um den einfachen Solitär mit einem Smaragd in seiner Fassung und sagte nichts weiter. Ein Blick in ihr Gesicht zeigte mir die Antwort. Sie liebte mich, aber ich hatte es mir endgültig mit ihr verscherzt. Und all das nur, weil ich etwas von einem Duell abhängig gemacht hatte, was niemals hätte sein dürfen.

Bevor Lisa den Zwischengang zum Fahrstuhl verließ, fragte ich: „Wenn ich dich ohne die Bedingung gefragt hätte, hättest du ja gesagt?". Lisa zuckte zusammen, drehte sich zu mir um und sagte mit gefasster Stimme: „Das werden wir wohl nie erfahren.". Doch an ihren Augen sah ich ihre Antwort und dieses Mal wusste ich, dass ich mehr als nur das Duell verloren hatte. Ich hatte die Frau verloren, die ich über alles liebte. Hatte Yugi recht, dass ich an der Vergangenheit festhielt und dabei meine Zukunft vergaß?

Mein Stiefvater hatte mir immer beigebracht, dass man nie Gefühle zeigen sollte oder gar Schwäche. Aber das war so falsch, wie sein Verhalten Noah gegenüber. Der Fahrstuhl schloss sich hinter meiner Freundin und ich war alleine. Genauso wie ich es Yugi gesagt hatte. Und da wusste ich, dass ich gelogen hatte. Ich war nicht alleine, doch im Angesicht der drohenden Niederlage habe ich etwas gesagt, was nicht nur meine Freundin verletzte. Sondern auch meinen Bruder.

Ich war ein Arsch gewesen und hatte das Wichtigste in meinem Leben verloren. Und ob Mokuba mir das alles verzieh, stand ebenfalls in den Sternen.

Zum Glück hatte ich jemanden, an dem ich meinen Frust ablassen konnte. Doch wie es mit Lisa weiter gehen sollte, war mir ein Rätsel. Ich wollte sie nie verlieren... Doch nun war es eingetreten. Wie konnte ich das wieder richten? Ich verstaute den Ring in seinem Samtbeutel und steckte ihn mir in meine Innenjackentasche, nahe an meinem Herzen. Er sollte mich ab sofort jeden Tag daran erinnern, was ich verloren hatte und was ich zurück gewinnen musste. Für meinen Bruder und vor allem für mein Herz. Denn ohne sie war es tatsächlich verloren.

Seto, allein und verlassen... Was meint ihr? Wird Lisa ihm irgendwann verzeihen und was ist ihre Vergangenheit? Nur so viel, das alles wird im Orichalcos Ark dann erzählt werden.

Aber bis dahin haben wir ja noch das Finale Duell zwischen Yugi und Marik.

Das Herz des Seto Kaibas Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt