„So, damit hätten wir die Liste endlich beisammen", enthusiastisch wischte ich mir den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn und lächelte zufrieden. „Hat ja auch nur zwei Tage gedauert, meine Sauklaue zu entziffern. Vergangenheits-Fawn war echt fies", jammerte ich gespielt übertrieben. „Aber sei's drum. Wir ziehen jetzt los."
Motiviert packte ich eine Flasche mit Kräutertee in meine Tasche, warf mir meinen Umhang über und zog, natürlich nicht ohne Pfeil und Bogen, los.
Es war später Vormittag, der Nebel hielt sich immer noch hartnäckig und ich glaubte, er würde an diesem Tag nicht mehr auflockern. Aber dafür war es Ende Herbst.
Ich zog das Hoftor hinter mir ins Schloss und wollte mich auf den Weg in Richtung des Waldes machen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte.Erst dachte ich an Mereoleona, und hoffte für einen Moment, dass sie nach ihrer überstürzten Verabschiedung von vor knapp einer Woche wieder zurück gekommen wäre. Doch ihre Stimme wäre lauter und härter, als dieses zarte Stimmchen, das nach mir rief. Ich drehte mich um und sah eine junge Frau mit dunklen, kaffeebraunen Teint, den Berg herauf schnaufen. Ihre hellbraunen Haare hatte sei zu einem unsauberen Dutt gebunden.
„Fawn!", rief sie wieder atemlos. „Hey, warte kurz!"
Ich blieb stehen und wartete geduldig, bis sie zu mir kam. Erschöpft stütze sie die Hände auf ihre Knie und schnaufte wie ein alter Blasebalg.
„Alles okay, Viola?" Fragte ich trocken, mit hochgezogener Augenbraue, da sie alles andere als okay aussah.
„Du immer", brummte sie nur und griff nach meiner Schulter um sich fest zu halten. „Nein ich bin nur fertig. Meine Erklärung ist wohl noch nicht ganz weg, der Hügel hier hat mich schon fertig gemacht..." Ihre Stimme klang dünn und heiser.
Sie wandte ihr Gesicht ab und hustete mehrmals in ihre Armbeuge. Darauf folgte ein lautes Niesen und sie kramte nach einem Taschentuch, mit dem sie sich nun geräuschvoll die Nase putze.
„Also wenn du zum Bazillenverteilen gekommen bist, dann leg dich bitte wieder ins Bett."
„Mach ich dann auch... Aber ich wollte dir unbedingt etwas bringen."
Erst jetzt bemerkte ich die bunte Tasche in ihrer Hand. Und die hielt sie mir auch gleich ins Gesicht, während sie sich immer noch an meiner Schulter fest krallte. „Ein Geschenk", erklärte sie mit sanftem Lächeln. „Hab deinen gestrigen Geburtstag nicht vergessen, bevor du das glaubst. Darum wollte ich dich heute unbedingt sehen, wo es mir ein bisschen besser geht."
Ich nahm überrascht die Tüte entgegen und lächelte, als ich hinein lugte. „Das Gleiche, wie jedes Jahr?"
„Das Gleiche wie jedes Jahr."
Vielsagenden sahen wir Freundinnen einander an und ich zog einen von Viola selbst gestrickten Schal heraus. „Schöne Farbe", fand ich als ich ihn begutachtete. Ein dunkles Beige.
„Der passt gut zu deinem Umhang", erklärte sie, als sie ihn mir aus der Hand nahm und gleich umlegte und schön hinzuppelte. „Steht dir wirklich gut. Nur dein Umhang..." Viola legte den Kopf schief und begutachtete mich mit einem zugekniffenen Auge. „Der ist schon uralt, das weist du?"„Ja", entgegnete ich mit verdrehten Augen. „Auch das warme Innenfutter für den Winter ist komplett abgenutzt. Ich bräuchte wirklich wieder einen Neuen, aber du kannst da ja preislich nichts machen..."
Viola, ihres Zeichens Tochter der Händlerin und Inhaberin des einzigen Gemischtwarenladens im Dorf, nickte nur. „Wir müssen doch auch was verdienen. Aber ich kann mal schauen, ob wir noch Reste von billigen Pelz oder so haben. Dann kann ich dir da wieder so ein Innenfutter für den Winter nähen, das du dann wieder mit den Knöpfen rein und raus nehmen kannst."
Ich nickte. Das von ihr erfundene System mit dem Umhang für jede Jahreszeit schonte meinen immerzu leeren Geldbeutel.
„Wenn du auch immer nichts verlangst, wenn du die Leute behandelst und deine Salben verteilst", grummelte sie. „Ganz ungünstiges Geschäftsmodel."
Violas Mutter gehörte der kleine Dorfladen am Marktplatz. Man bekam dort alles von Lebensmitteln über Kleidung bis hin zu magischen Artefakten, die Viola oft selbst fertigte. Es gab es nichts, was einem die beiden Händlerinnen nicht besorgen konnten. So fleißig wie sie Import und Export betrieben. Sie lebten für ihren Laden und den Handel. Und wenn sie mal etwas nicht besorgen konnten, dann stellen sie es selbst her. Auch Flickarbeiten, egal welches Material, übernahmen sie. Meine Freundin beherrschte geniale Tinker-Magie und war Handwerklich äußerst begabt. Zugegeben war ich manchmal ziemlich neidisch auf Viola, deren Magie so gut zu ihrer Leidenschaft passte...
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Faws Rising
FanfictionOC Fawn hat eigentlich genug damit zu tun, ihren Wald vor Wilderern zu verteidigen, die seit kurzem vermehrt für gutes Geld auf dem Schwarzmarkt Tiere töten. Vor allem Fleischfresser, wie Wölfe deren Fell in diesem Bereich des Waldes einen silbrigen...