„Wie? Mereoleona ist schon wieder weg?" Mit großen Augen sah Viola mich an.
„Du wirkst viel zu enttäuscht darüber", fand ich. „Aber ja, sie ist heute ganz früh wieder gegangen."
Dass sie mir noch einen viel zu leidenschaftlichen Abschiedskuss gegeben hatte, sowie sämtliche Körperteile mit Bissspuren übersät hatte, verheimlichte ich Viola. Stattdessen zuppelte ich an meinem Schal, um ja sämtliche Flecken zu verdecken. Das würde nur Fragen aufwerfen, die ich nicht wirklich beantworten könnte.
Ja, Mereoleona kümmerte sich um mich. Entweder dass sie mir Arbeit abnahm oder aber im Bett. Doch ob das wirklich eine Beziehung war wusste ich nicht. „Obwohl sie heute morgen noch meinte, ich solle gut auf mich aufpassen, bevor sie weiter zog...", dachte ich bei mir.
„Schade", jammerte Viola weiter und legte den Kopf auf ihre Hände, die auf dem Tresen mit der Ladenkasse stützten. „Dabei hab ich doch extra den guten Alkohol hier für sie auf die Seite gelegt."
Ich zog etwas entgeistert eine Augenbraue hoch, ehe ich meine Freundin mit einem vielsagenden Grinsen anschaute. „Stehst du etwa auf die gute Frau?"
Viola gab auf diese Frage hin einen erschrocken Laut von sich und blickte beschämt beiseite. „Also hübsch ist sie", gestand sie dann. „Und vor allem stark. Hat den Ruf der unbesiegten und ungekrönten Löwin in der Hauptstadt. Sie ist eine der stärksten Frauen von ganz Clover. Klar, da wird man auch als Frau etwas schwach..."
„Also Löwin trifft es ganz gut", murmelte ich bei dem Gedanken an ihre Eigenheiten. Sie verhielt sich oft wie ein wildes Tier...
„Vor allem junge Frauen scheinen auf sie zu stehen", überlegte Viola weiter. „Doch sie scheint an dir Waldschrat einen Narren gefressen zu haben. So viel Geld wie sie gestern da gelassen hat." Ein finsterer, fast schon neidischer Blick traf mich von Violas Seite.
„Darum bin ich ja auch hier - du wolltest die Maße für den Mantel abnehmen." Ich lächelte gequält.
„Bitte", sagte Viola tonlos und brachte mich ins Hinterzimmer des Geschäfts. Es war aber vor allem Violas Nähstube, was durch die zwei großen Regale mit quadratischen Fächern, die zwei ganze Zimmerseiten einnahmen, deutlich wurde. Denn diese waren mit verschiedensten Stoffen - natürlich farblich sortiert - gefüllt. Von einfachen Leinenstoffen über warme Fell- und Plüschstoffe bis hin zu feiner Seide war so ziemlich alles dabei. Vor den Regalen, mit Blick aus dem Fenster, stand der große Arbeitstisch mit der Nähmaschine, neben dem Tisch eine mit Stecknadeln besetzte Schneiderpuppe, die dazu ein abgenutztes Maßband um den kopflosen Hals um hatte.
„Mich wundert es ja selber, was sie an mir findet", sagte ich entschuldigend. Und das war nicht einmal gelogen. „Ich hab sie im Wald getroffen und sie wollte kämpfen. Seitdem werde ich sie nicht mehr los." Was mir aber auch irgendwo ganz Recht war...
„Ich würde dich ja gerne drüber ausfragen, in welcher Beziehung ihr zueinander steht. Aber...", Viola drehte sich abrupt um und musterte mich einen Moment lang eindringlich, „an dir wird sich die gute Frau die Zähne ausbeißen. Du bist so romantisch wie 5 Meter Feldweg. Und verpeilt obendrein auch noch." Sie seufzte entnervt.
Ich vermied es erleichtert aufzuatmen. Aber diese Annahme ersparte mir einiges an Erklärungen.
„Aber es ist ja nicht nur Mereoleona, die so hübsch und beliebt ist. Vor allem ihr Bruder hat es mir angetan." Viola geriet ins Schwärmen über den Ordensanführer des scharlachroten Löwen, Fuegoleon, als sie ihr Skizzenbuch holte.
Da sie wegen ihrer Arbeit als Händlerin doch ab und an in der Hauptstadt war, kannte sie diese Leute besser als ich. Schwärmte, wie viele wohl, für die edlen magischen Ritter. Mich hingegen interessierten sämtliche Ordensritter nicht die Bohne. Ab und an kamen welche hier raus in unser abgeschiedenes Dorf um Patrouille zu gehen, doch das war's dann schon. Präsent waren die Leute nicht, sodass man ihre Existenz schon mal verdrängen konnte...
„Hier, so etwas hab ich mir vorgestellt."
Sie präsentierte mir einen aufwändigen Mantel mit - für meinen Geschmack - zu großen, zu unpraktischen Glockenärmeln, dazu mit großer Kapuze, Cape und verspielten Schleifen als Details. Alles in allem hübsch, aber nicht mein Style. Schon gar nicht für den Wald. Doch Flora setzte noch einen drauf.
„Für die Farbe hab ich mir das hier vorgestellt..." Sie holte einen Stoff in der Farbe einer überreifen Kirsche, aus ihrem Regal. Dazu packte sie beigen Futterstoff, der warm und weich wie ein Teddybär war.
„Du weißt schon, dass diese Farbe im Wald zu auffällig ist", seufzte ich und kratzte mir leidig den Hinterkopf. „Und der Schnitt ist auch zu aufwendig.... Mir wäre es lieber, wenn du diesen Schnickschnack weg lässt und mir stattdessen von dem Umhang hier das Innenfutter erneuerst. Oder gleich nochmal den Selben nähst..."
„Ach, menno", beleidigt prustete Viola die Backen auf. „Du hast Null Gespür für Ästhetik. Aber sei's drum."
„Danke. Und..." Ich zog meinen Umhang aus. „kannst du den nach Möglichkeit bitte gleich reparieren. Es ist eisig kalt draußen.... Hab gestern im Wald und die paar Meter heute hier ins Geschäft ganz schön gefroren."
„Klar!" Viola nahm den Umhang, knöpfte das herausnehmbare Innenfutter ab und machte sich ans Werk, dieses auf den neuen Stoff zu übertragen. „Sollte schnell gehen. Heute ist nicht viel los. Du kannst von oben, aus der Wohnung, gerne Tee holen. Dann machen wir es uns hier gemütlich."
„Klar, hole ich sofort."
DU LIEST GERADE
Faws Rising
FanfictionOC Fawn hat eigentlich genug damit zu tun, ihren Wald vor Wilderern zu verteidigen, die seit kurzem vermehrt für gutes Geld auf dem Schwarzmarkt Tiere töten. Vor allem Fleischfresser, wie Wölfe deren Fell in diesem Bereich des Waldes einen silbrigen...