Kapitel 7

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Die Haustür wurde aufgerissen, eilige Schritte waren im Flur zu hören.
 
Als Suna sich umdrehte, stand sein Vater keuchend im Türrahmen der Küche.
„Ich hab den Job!!“, verkündete er.
 
Suna klappte die Kinnlade runter und sofort nahm er sich den Kopfhörer aus dem linken Ohr und schaltete den Herd aus. „Was?“
„Ich wurde angenommen!!“
„Oh mein…“
 
Sein Vater machte kleine, fröhliche Bewegungen mit den Händen, drehte sich tanzend im Kreis und ging ins Esszimmer zurück.
„Das is‘ doch toll“, rief Suna ihm hinterher, leerte die Nudeln in ein Sieb und kühlte sie mit Wasser.
„Bin zwar erstmal auf Probezeit, weil der feine Herr meinte, er müsse sich ein genaues Bild davon machen, ob ich für diese Arbeit geeignet wäre“, äffte er seinen zukünftigen Arbeitgeber nach. „Aber trotzdem!“
„Typisch. Aber is‘ doch egal, du wirst dem schon zeigen, wie gut du bist.“
 
Er hörte Schritte hinter sich und wenige Sekunden darauf stand sein Vater hinter ihm, nahm sich einen Löffel aus der Schublade, probierte von der Soße, die neben dem Herd ihren Platz gefunden hatte, aß sie genüsslich. Suna warf ihm einen genervten Blick zu. „Mhm. Ich glaube, du übertriffst mich bald.“
„Das is‘ eine ganz normale Soße, nichts Besonderes, für das du mich als Übertreffung von deinen Kochkünsten sehen solltest.“
Sein Vater lachte, klopfte ihm auf die Schulter. „Aber wenn es so is‘?“
„Dann sprich es nich‘ aus.“
 
Seishin lachte erneut, nahm dann Teller aus den Regalschränken und Stäbchen aus der Schublade, begann, den Tisch zu decken.
„Bist du heute früher nachhause gekommen?“
Suna nickte, bis er sich wieder daran erinnerte, dass sein Vater ihn nicht durch die Wand sehen konnte. „Jep. Das Training is‘ jetzt noch nich‘ so lang.“
„Achja, stimmt.“
 
Er konnte Ayakas schnelle Schritte schon von Weitem hören, als er das Essen zum Tisch brachte, und hätte am liebsten ganz laut geseufzt.
„Ich hab gehört, du wurdest angenommen?“, fragte sie ihren Vater, klang dabei nicht gerade interessiert – als würde sie nur aus Höflichkeit fragen.
Ohne abzuwarten setzte sie sich an ihren Platz, wartete an diesem ungeduldig.
„Ja, aber nur auf Probe vorerst“, sagte er wieder strahlend, setzte sich dann ebenfalls an den Tisch, während Suna sich noch ein Glas Wasser holte.
Ayaka sagte darauf nichts, sondern schöpfte sich sofort etwas auf ihren Teller, sobald ihr Bruder auf seinem Sessel Platz genommen hatte.
 
Während dem Essen war es größtenteils still – normalerweise, wenn Ayaka nicht wieder irgendein Streitgrund einfiel, sprachen sie generell nicht viel währenddessen, denn jeder war so auf seinen Teller konzentriert, dass meistens keine Zeit dazu blieb, irgendein großartiges Gespräch anzufangen.
Bis auf den üblichen Smalltalk, natürlich. Wie der Tag so war, was es Neues gab – sowas halt.
 
Suna wusste sofort, dass dies heute nicht der Fall war, als er beim kurzen Aufsehen schon sah, wie Ayaka in ihrem Essen herumstocherte.
„Ich bräuchte mal wieder einen neuen Rucksack“, sagte sie, und Suna hätte Tausende von Yen darauf setzen können, dass seine kleine Schwester damit anfangen würde.
 
Sein Vater hielt inne, zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Du hast doch erst einen bekommen.“
„Das ist schon zwei Jahre her.“
„Aber er ist doch nicht kaputt, oder?“
 
Ayaka machte einen Ausdruck, als hätte er ihr Outfit beleidigt. „Nein, aber so dunkle Farben sind total out…“
 
Suna wippte genervt mit seinem Fuß auf und ab.
 
„Was stellst du dir vor?“, fragte sein Vater.
„Keine Ahnung, etwas Knalliges.“
„Ich knall dich gleich in die Luft“, sagte Suna wütend.
 
Sein Vater warf ihm einen warnenden Blick zu. „Rin!“
 
„Du weißt, dass wir eine Schulordnung haben, oder? Wenn du mit einem knallpinken Rucksack kommst, nehmen die dir den höchstwahrscheinlich ab.“
„Ich scheiß auf die Schulordnung. Die können mir nich‘ verbieten, was ich trage.“
„Ich hasse diese Regeln auch, aber sich an eine Kleiderordnung zu halten ist das Mindeste, Ayaka.“
„Da muss ich deinem Bruder Recht geben“, meinte Seishin ruhig.
Ayaka atmete genervt aus. „Wieso bekommt er dann immer alles?!“
 
Suna klappte die Kinnlade runter. „Sorry, bitte was?! Ich habe mir seit Sieben Jahren nichts mehr zum Geburtstag oder zu Weihnachten gewünscht, anders als du, die jedes Jahr jeweils sechsseitige Listen mit all ihren Wünschen schreibt!“, sagte er wütend.
Seine Schwester schien das nicht zu interessieren. „Blablabla, du bist ja nur neidisch.“
„Sorry, aber der einzige Grund, weshalb ich neidisch auf dich sein sollte ist, dass du noch in der Ersten bist und ich das Stoffgebiet von damals gerne wieder hätte. Kapier endlich, dass du kein heiliges Goldstück oder eine Prinzessin bist, die immer absolut alles bekommen muss, was sie sich gerade vorstellt!“ Er wurde immer lauter, doch das war ihm egal.
 
Er spürte die Hand seines Vaters auf seiner – Diese Geste machte er öfters, wenn er versuchte, eines seiner Kinder zu beruhigen, doch war Suna erstmals auf dieser Höhe, konnte er nur schwer durch so etwas runterkommen.
 
Eine Weile blieb es wieder still, doch Suna wusste, dass seine Schwester nur nach Argumenten suchte.
 
„Mom hätte mich verstanden. Ihr habt einfach keinen Geschmack.“
 
Suna starrte sie ungläubig an. Seishin schluckte, sah bedrückt auf sein Essen, während seinem Sohn die Worte wegblieben.
 
„Klar“, sagte er dann leise, nickte. „Deine Mutter hätte das bestimmt verstanden. Dieselbe Frau, der es egal war, ob du Hunger hast, und die dich einfach alleine zuhause gelassen hat, weil sie dein Geschrei nicht ausgehalten hat. Genau, sie hätte sich deine Probleme bestimmt gerne angehört und hätte dir all deine schönen Wünsche erfüllt!“ Wieder wurde er lauter und lauter.
 
Sie sah kurz zu ihm, doch sagte nichts – stattdessen spielte sie mit ihren Fingern unter dem Tisch herum und es wirkte, als wäre für sie jetzt, wo sie das gesamte Abendessen ruiniert hatte, das Thema abgehakt, als sie nach ihren Stäbchen griff und genüsslich weiter aß.
 
Für Suna hatte sich das Essen jedoch nun erledigt.
„Undankbares…“ Ohne den Satz zu Ende zu sprechen, erhob er sich, brachte seinen Teller und sein Besteck in die Küche und verzog sich dann in sein Zimmer.
 
Wütend knallte er die Tür zu, setzte sich auf sein Bett und griff nach seinem Handy, das noch immer auf seinem Nachtkästchen lag und darauf wartete, dass er das Ladekabel aussteckte.
Dies tat er, wodurch sich das Display einschaltete und er die Nachrichten, die darauf zu sehen waren, in der Vorschau lesen konnte.
 
Osamu
Können wir kurz reden?
                          19:38
 
Er wollte die Nachricht schon wegwischen, als er das Verlangen bekam, darauf zu antworten.

Promise me that we'll be fine - OsaSunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt