Kapitel 12

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Suna hätte nie die Wut, die sich in seinem Inneren gebildet hatte, beschreiben können, als er die Treppen hinauf in den ersten Stock lief, dabei seinen Blick stets von rechts nach links wandern ließ und bei jedem Schritt ungeduldiger wurde – Seine verdächtigte Person sollte sich wenigstens zeigen, wenn sie schon so etwas abzog, dachte er sich.
 
In jedes Klassenzimmer, dessen Türen offen standen, sah er hinein, keine Nische blieb nicht untersucht, doch es dauerte, bis er seine Zielperson sah – Sie bog gerade in den Flur ab, in dem er sich gerade befand, nur wenige Meter von ihm entfernt war sie.
Er beschleunigte seine Schritte, und als sie nur wenige Zentimeter trennten, schnappte er sie an der Schulter und zog sie zurück in eines der leeren Klassenzimmer.
 
„Sag mal, bist du verrückt?!“, schrie sie hysterisch als sie in diesem angekommen waren, richtete sich ihre schwarzen Haare, denn ihre Frisur war zugegebenermaßen etwas zerstört worden, doch das hinderte Suna nicht daran, seinen Plan weiter auszuführen – den Plan, den er vor genau einer Sekunde geschmiedet hatte.
 
Er schloss die Tür, drehte sich zu ihr. „Du bist das größte Arschloch, das ich kenne, Miyu.“
 
Miyu zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Hör zu, ich weiß, dass du mich hasst, und ich kann dich auch nicht leiden. Lass mich doch einfach in Ruhe.“
Ich soll dich in Ruhe lassen?!“, fragte er wütend, trat dabei etwas näher. „Wenn dann solltest du meine Schwester und mich in Ruhe lassen!!! Was zur Hölle haben wir dir getan, dass du-“
„Ich habe absolut keine Ahnung, von was du eigentlich redest“, erklärte sie, doch Suna glaubte ihr nicht – Er wusste, wie falsch diese Person war, und niemals in seinem Leben würde er den großen Fehler machen, ihr zu vertrauen.
„Oh doch, ich glaube, dass du das sogar sehr gut weißt. Über die Nachrichten hast du noch so selbstsicher gewirkt, jetzt trägst du diese Maske nicht mehr, was?! Hach, deine Logik will man verstehen, Madame!“
 
Miyu starrte ihn an, als würde er eine andere Sprache sprechen.
Dann seufzte sie.
„Okay, hör mal. Ich hab viel Scheiße gebaut. Ich baue viel Scheiße, so bin ich halt. Aber auch, wenn du mir jetzt 200 Mal erzählst, dass du mich hasst und dass ich dir irgendwelche Nachrichten geschrieben hätte…“ Sie seufzte erneut, schloss ihre dunklen Augen, strich sich über die Schläfen. „Ich habe keine Ahnung, von was du redest.“
Erst hier bemerkte er, dass sie für ihre Verhältnisse ziemlich normal sprach – Normalerweise war da immer der provozierende, arrogante Unterton in ihrer Stimme gewesen, doch gerade klang es, als hätte sie diesen verloren.
Doch das änderte nichts daran, dass Suna sich sicher war, dass sie etwas mit diesen Nachrichten zutun haben musste – Sie war die Einzige, die zu so etwas fähig war, und zudem konnte er sich nur bei ihr erklären, wie sie an seine Nummer gekommen sein konnte.
Nicht viele Leute besaßen diese, und da er sich sicher war, dass sie nicht nur einmal in Osamus Handy herum spioniert hatte, wäre dies eine der wenigen logischen Erklärungen.
Es war praktisch nicht möglich, dass er sich irrte, da war er sich sicher.
 
„Willst du mich verarschen?“
„Willst du mich verarschen?“
„Pass auf, du musst mir kein Geständnis abliefern, das is‘ mir komplett egal. Hör einfach mit diesen Nachrichten auf!“
„Klar. Ich hab zwar keine Ahnung, an wen ich das richten soll, aber-“
„Stell dich nich‘ so dumm!“, fuhr er sie an.
 
Im selben Moment vibrierte sein Handy in seiner Hosentasche.
 
Eine Weile starrten sie sich gegenseitig schweigend an, dann vibrierte es erneut.
Miyus Blick senkte sich darauf, dann deutete sie mit dem Kopf dorthin. „Du solltest nachsehen“, sagte sie leise, sah ihm dann wieder tief in die Augen.
 
Suna biss sich fest auf die Lippen, während er widerwillig sein Handy hervorholte und die Nachricht anklickte, die er soeben bekommen hatte – Dabei klappte ihm die Kinnlade etwas runter, während sich seine Augen weiteten.
 
Unbekannte Nummer
Ich finde es richtig krass,
wie du sofort dachtest,
dass ich Miyu wäre…
                          12:37
 
Unbekannte Nummer
Ich meine, wie kommst du
darauf?
                          12:37
 
Unbekannte Nummer
Und wie darf ich das verstehen?
Glaub mir, mit mir kann
man immer noch besser
reden als mit ihr…
                          12:37
 
Suna schluckte, während er sein Handy wieder abdrehte, sich dabei unauffällig umsah – Weit und breit war hier niemand, im Raum waren sie alleine und der Flur war, wenn diese Situation sich nicht inzwischen geändert hatte, vorhin noch komplett menschenleer gewesen.
 
„Du hast Verbündete, oder?“
 
Miyu rollte mit den Augen, lief Richtung Tür und wollte sie gerade öffnen, bevor sie sich ein letztes Mal zu ihm drehte. „Glaub mir, ich habe Besseres zu tun, als mir deine falschen Anschuldigungen und Beschwerden anzuhören, okay?!“ Sie riss die Tür auf, verließ den Klassenraum.
 
Suna lehnte sich gegen einen der Tische, schüttelte den Kopf – Er war sich so sicher gewesen, dass es Miyu gewesen war.
Zudem fragte er sich, wie diese oder dieser Fremde überhaupt von seiner Vermutung gewusst haben konnte – Es musste also jemand von seiner Schule sein, der sie gesehen haben könnte.
 
Unbekannte Nummer
Auch, wenn ich das alles
hier ziemlich hasse, muss
ich zugeben, dass mich die
Vorstellung, wie du dich
gerade komplett verzweifelt
herum drehst und denkst, du
wirst verfolgt, amüsiert
                          12:40
 
Unbekannte Nummer
Schade, dass ich es nicht
sehen kann
                          12:40
 
Unbekannte Nummer
Irgendwie wünsche ich mir
gerade, ich wäre in Hyogo
aufgewachsen… dann wäre
ich dieser Vorstellung schon
etwas näher
                          12:40
 
Die Verwirrung auf seinem Gesicht vergrößerte sich von Nachricht zu Nachricht.

Suna
Darf ich fragen, was
du bitte redest?
12:41

Unbekannte Nummer
Ja, darfst du
                          12:41
 
Unbekannte Nummer
Du musst wissen, ich bin
manchmal etwas hektisch
und komme leicht vom Thema
ab. Vergiss, was ich gesagt habe.
Das solltest du gar nicht wissen.
                          12:41

Suna
Du solltest auch gar nicht
wissen, was ich gerade so
tue, wenn du nicht einmal
in der Nähe wohnst…
12:41

Unbekannte Nummer
Themenwechsel, bitte.
                          12:43
 
Unbekannte Nummer
Ich hatte meinen Spaß,
jetzt kommt die Arbeit
                          12:44
 
Unbekannte Nummer
Schau mal… ich kenne
da jemanden, der in
seinen besten Freund
verliebt ist, aber dieses
Gefühl unterdrückt, weil
besagter bester Freund
leider hetero ist…
                          12:44
 
Unbekannte Nummer
Macht dich das nicht wütend,
Suna?
                          12:44
 
Unbekannte Nummer
Traurig? Verzweifelt?
Noch wütender? Ich wette,
du beißt gerade auf deiner
Lippe herum oder kaust auf
deinen Fingernägeln, weil
ich dich direkt enttarnt hab,
hehe.
                          12:44
 
Schnell hörte Suna mit dem Beißen auf seine Lippe auf, nahm die Finger von der Nähe seines Mundes, wippte nervös mit dem Fuß herum.

Suna
Woher weißt du das
jetzt schon wieder?
12:44

Unbekannte Nummer
Das wusste ich ausnahmsweise
wirklich nicht.
War geraten.
Bzw. eine Vermutung… weißt du,
ich hatte schon im Gefühl, dass du
etwas nervös wirst, und da das Dinge
sind, die viele Menschen machen,
habe ich die 50/50 Chance auf mich
genommen und geraten. Und Ta-Da,
ich habe gesiegt.
                                       12:45
 
Unbekannte Nummer
Wie ist es eigentlich so ganz alleine
in dem Klassenzimmer? Mich
wundert es, dass ihr da überhaupt
so reingehen dürft. Meine Lehrer
würden das nie erlauben, die denken,
wir zünden alles an oder so. Richtig
unfair, finde ich. Ich will mich auch
in eine Klasse verziehen, vor allem jetzt
gerade, Mathe bringt mich zur Weißglut.
                                       12:46

Suna
Kannst du dieses Gequatsche
bitte einfach lassen? Es interessiert
mich nicht. Sag mir lieber, was du
willst, vielleicht finden wir ja eine
Einigung…
12:47

Unbekannte Nummer
Um ehrlich zu sein, ich
weiß es selber noch nicht
                          12:47
 
Unbekannte Nummer
Ich sag dir Bescheid, wenn’s
soweit ist.
                          12:47
 
Unbekannte Nummer
Bis dann
                          12:48
 
Ohne darauf zu antworten, schaltete Suna sein Handy aus und steckte es wieder ein – Diese ganze Sache wurde ihm zunehmend suspekter, und er wusste nicht ganz, wie er weiter vorgehen sollte.
Er kannte niemanden außerhalb von Hyogo, und ein Blick auf den Flur verriet ihm in weiteres Mal, dass hier niemand sonst war.
Er hatte keine Ahnung, mit was oder wem er es hier zu tun hatte, doch es verschaffte ihm ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend, wenn er nur daran dachte, dass diese Person wahrscheinlich mehr über ihn wusste als er über sich selbst.
 
Und gleichzeitig ließ es ihm keine Ruhe.

Promise me that we'll be fine - OsaSunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt