Kapitel 15

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Suna hatte Stille immer gemocht. Sie hatte ihm stets das Gefühl gegeben, dass er sich den vielen Problemen und Hindernissen des Lebens nicht mehr stellen musste. Dass er allein wäre, bei sich, in seinen wirren Gedanken, abgeschottet von der grausamen Welt.
Die einzige Stille, die er gehasst hatte, war jegliche Stille zwischen Osamu und ihm gewesen. Sie schien so unerträglich, dass es die einzigen Momente der letzten Monate gewesen waren, in denen er auch irgendwie das Bedürfnis gehabt hatte, zu sprechen, ihm von irgendetwas zu erzählen, nur damit er die Stimme des Anderen, die sein Herz hatte höher schlagen lassen, wieder hören konnte. Die sanfte, aber dennoch starke Stimme von Osamu Miya, sein herzhaftes Lachen, die kleinen Grübchen, die sich an seinen Mundwinkeln bildeten, jedes Mal, wenn er auch nur den Anschein eines Lächelns deutete – Suna hatte sich danach gesehnt. Gesehnt nach jedem Wort, das Osamu aussprach, jeder Erzählung, jedem kleinen Detail an ihm selbst, das ihn so besonders machte.

Osamu hatte ihn geküsst.
Der Junge, in den er fast ein halbes Jahr lang verliebt war, hatte ihm gesagt, was für schöne Augen er hatte, und hatte ihn geküsst.
Andere Leute würden sagen, dass er sich darüber freuen sollte. Dass er Luftsprünge machen sollte, dass ihm das Lachen nicht mehr aus dem Gesicht weichen sollte, und so vieles mehr.
Suna hatte noch nie jemanden geküsst. Und er war noch nie geküsst worden. Und trotzdem hatte er gemerkt, dass Osamu es in dem Moment, in dem er es getan hatte, bereut hatte.
Er hatte sich unwohl gefühlt. Suna hatte es gespürt.
Es war, als hätte irgendetwas in seinem Inneren dem Wing Spiker gesagt, dass es ein Fehler war.

Seitdem war einige Zeit vergangen.
Die ersten Tage nach dem Kuss war Suna nicht in die Schule gegangen. Aber er war auch nicht zuhause geblieben.

Sein Zuhause verwendete er nur noch zum Schlafen. Er ignorierte die Anrufe und Nachrichten seines Vaters, er ging Ayaka, die sich tatsächlich einmal für ihn zu interessieren schien, gekonnt aus dem Weg. Mit Yua hatte er noch kein Wort gesprochen.

Vor Unterrichtsbeginn war er bereits viel früher weggegangen, nur um sich dann zumindest eine gewisse Zeit in einem nahegelegenen Café zu verstecken. Danach ging er spazieren, seine Kopfhörer blieben dabei die ganze Zeit über in seinen Ohren, während er den Klängen der Musik lauschte, die ihn vor wenigen Monaten noch von der Realität abgelenkt hatten. Doch genau diese Klänge kamen nicht gegen seine innere Stimme an, die ihn immer wieder daran erinnerte, was genau passiert war.

Er wusste, dass er Ärger von seinem Trainer bekommen würde, würde er zurückkommen. Er wusste, dass Kita ihn mit denselben eiskalten Augen anstarren würde, mit denen er es stets schaffte, das ganze Team zum Schweigen zu bringen.
Auch der Kapitän schrieb ihm mehrmals.
Aber Suna antwortete niemandem. Außer einer Person.
Eine Person, die mal wieder mehr wusste, als sie sollte.
Und so saß er immer wieder bei dem kleinen Bach in dem Park nahe seines Zuhauses und schrieb mit ihr.

Eine Sorge vertrieb ja bekanntlich die andere.

Unbekannte Nummer
Wie geht's dir?
12:23

Suna
Beschissen.
12:23

Unbekannte Nummer
Noch nicht besser...?
12:23

Suna
Nicht wirklich
12:23

Suna
Wie geht's dir?
12:24

Unbekannte Nummer
Könnte besser sein... hab
beschissen gepennt letzte
Nacht
12:24

Unbekannte Nummer
Hatte etwas Stress in der
Familie
12:24

Promise me that we'll be fine - OsaSunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt