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„Nein", sage ich. „Nein, nein, nein. Das hast du mir nicht angetan?" Alec weiß wohl nicht, was er sagen soll und steht nur verlegen da, greift sich an den Hals, da wo der Knutschfleck sich befindet. Ich stürme an ihm vorbei, weil ich einfach nur weg will, aber die geschlossene Tür der Turnhalle, hindert mich an meiner Flucht. Wild rüttle ich daran.

„Michael, nicht. Du löst noch den Alarm aus." Und wenn, denke ich. Vielleicht wäre das, das Einzige was unsere Beziehung noch retten könnte. Inflagratie erwischt zu werden.

„Bitte, lass uns reden", sagt er, aber ich reagiere nicht und so schließt er mir schließlich die Tür auf und ich stürme nach draußen. Ich fühle mich einfach nur erniedrigt und obwohl die kalte Nachtluft mir entgegenschlägt, schafft sie es nicht meine Lungen mit Luft zu füllen.

Total fertig komme ich schließlich an meinem Zimmer an. Schluchzend werfe ich mich aufs Bett und bemerke dabei gar nicht, dass Theo bereits in seinem Bett gelegen hat und schlief. Er setzt sich zu mir aufs Bett und legt eine Hand auf meinem Rücken.

„Der Abend ist wohl nicht so gelaufen, wie du dir das vorgestellt hast", stellt er nüchtern fest. Ich weiß, dass das Theo gerade nicht leicht fällt. Wir sprechen sonst nicht über unsere Gefühle, deshalb bin ich ihm um so dankbarer, dass er hier bei mir ist.

Ich schüttele auf deine Frage hin nur den Kopf, denn ich kann ihm schlecht sagen, dass ich mich ausgenutzt und missbraucht fühle. Dass ich mich benommen habe wie ein billiges Flittchen und dass ich dafür nun die Quittung bekommen habe.

„Ich denke, ich sollte am Wochenende nachhause fahren", sage ich schluchzend. „Das halte ich für eine gute Idee. Vielleicht brauchst du einfach ein bisschen Abstand von Alexander."

Sein Name bereitet mir seelischen Schmerz. Theo hat recht. Abstand würde uns gut tun. „Uns", als würde es ein uns überhaupt noch geben.

Aber ich muss mit jemanden darüber reden und wer wäre da besser als meine Mutter. Allerdings gibt es da noch ein Problem, denn meine Eltern wissen nicht, dass ich schwul bin. Also steht mir das kommende Wochenende auch noch ein Outing bevor. Ich hoffe es bietet sich die Gelegenheit, denn ich will dieses Geheimnis nicht länger mit mir herumtragen.

Zwei Tage später schließt mich meine Mutter in ihrer Arme und ich spüre sofort, dass es die richtige Entscheidung war herzukommen. „Schön, dass du uns besuchst. Ist deine Brille kaputt?", fragt sie mich, während sie mein Gesicht zwischen ihren Händen hält und prüfend ansieht. Ich wünschte ich würde die Brille tragen, damit ich meinen traurigen Blick dahinter verstecken könnte.

„Ich trage jetzt Kontaktlinsen." „Oh, hat das einen bestimmten Grund?", fragt sie, legt mir eine Hand auf den Rücken und betritt mit mir das Haus. Ich weiß, was sich hinter dieser Frage verbirgt, nämlich die Frage, ob es eine Person gibt für die ich das tue. Aber ich möchte das nicht zwischen Tür und Angel mit meiner Mutter besprechen.

„Nein, nur so. Ist Papa da?" „Er müsste gleich kommen, wir können dann sofort essen. Bring doch schnell noch deine Sachen nach oben." Ich eile die Treppe hoch und stoße die Tür zu meinem alten Kinderzimmer auf. Meine Eltern haben alles so gelassen, obwohl ich wahrscheinlich nie wieder hier einziehen werde. Ich setze mich aufs Bett und beginne in alten Comics zu lesen, bis meine Mutter mich schließlich ruft.

„Michael", sagt mein Vater nur und strahlt über das ganze Gesicht. Ich glaube ich fehle ihm wirklich. Meiner Mutter natürlich auch, aber ich denke ihm besonders, deshalb habe ich so Angst vor seiner Reaktion und was es mit unserer Vater-Sohn-Beziehung macht.

Meine Mutter hat mein Lieblingsessen gekocht, aber ich bekomme nicht einen Bissen runter, obwohl ich am verhungern bin. „Michael, was ist los? Du wirkst so bedrückt." Ich lege Gabel und Messer zurück auf den Tisch. „Ich muss euch etwas sagen, aber ich weiß nicht wie." „Du weißt, dass du uns alles sagen kannst", sagt meine Mutter und legt ihre Hand auf meine. „Mama, Papa, ich bin schwul."

Nur dein schmutziges GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt