Blut. Überall ist Blut. Es klebt an mir, es klebt an meiner Kleidung, es klebt in meinem Gesicht, an meiner Haut, in meinen Haaren, es erfüllt meinen Mund, meine Nase...
Gelähmt vor Schock starre ich auf den widerlichen Haufen vor mir und schlucke gegen den dicken Kloß in meiner Kehle an. Das ist einmal eines dieser Wesen gewesen, die Seelen verschlingen können. Nur habe ich... Sein Innerstes nach außen gestülpt und...
Ich habe...
Ich kann nicht mehr. Ich würge, ich übergebe mich, ich kotze mir die Seele aus dem Leib.
Der Schock lässt langsam nach und mein Körper schlottert unkontrolliert.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter, und erschrocken blicke ich auf.
Mina blickt von dem Haufen und der darum fließenden Pfütze langsam zu mir. Zu meinem blutverschmierten Mund. Zu meinen zu Klauen gekrümmten Händen. Zu den dunklen Halbmonden unter meinen Nägeln - Blut, Dreck, Fleisch...
Ich senke schnell den Kopf und übergebe mich noch einmal. Heraus kommen nicht nur die Reste des Essens und ein Haufen Wasser, sondern auch Blut, Schleim und wissen die Götter was noch...
Minas Hand an meiner Schulter verkrampft, ihre Nägel bohren sich schmerzhaft in meine Haut. In ihrem Blick erkenne ich so viel: Enttäuschung, Abscheu, Wut, Furcht, Zorn, Angst - und die stumme Aufforderung, mich endlich wieder einzukriegen, damit wir unser Zeug packen und schnellstens von hier verschwinden können, bevor jemand auf die lodernden Flammen um uns herum aufmerksam wird.
Ich weiß, dass sie recht hat. Wir müssen hier weg. Aber plötzlich fühle ich mich beobachtet. Ich spüre einen brennenden Blick auf mir, einen scharfen Blick aus glühend roten Augen, und hektisch blicke ich mich um. Ich bin wie gelähmt, schlinge die Arme um meinen Körper und halte mit großen Augen Ausschau. Ich merke kaum, wie die Tränen über meine Wangen strömen, und kralle mich in meinen Armen fest. Der Schmerz hilft mir, bei Sinnen zu bleiben und nicht vollkommen der Panik zu verfallen...
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Schweißgebadet schrak ich hoch, drehte mich zu Mina um und rüttelte sie wach. Brummend öffnete sie ein Auge und blickte mich müde an, zur Hälfte noch in ihrer eigenen Traumwelt.
"Wir müssen weg hier", flüsterte ich eindringlich.
Sofort war sie hellwach, setzte sich auf und rieb sich leise stöhnend die Augen. "Wie dringend?", murmelte sie und machte sich daran, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken.
Ich dagegen hatte bereits längst all meine Sachen auf einen Haufen geworfen und war gerade dabei, sie in dem dicken, festen Tuch einzuwickeln, das mir als provisorische Tasche diente. Bei Minas Frage hielt ich jedoch inne und spürte in mich hinein. Mein Fluchtinstinkt war nicht ganz so überwältigend, als dass wir unverzüglich um unser Leben rennen müssten, aber auch nicht so vage und flüchtig, als dass wir uns alle Zeit der Welt lassen könnten. "Wir sollten uns beeilen", fasste ich meine Erkenntnis knapp zusammen.
Keine von uns beiden war so dumm zu glauben, das eigenartige Warnsystem meiner Träume könnte nur eine Einbildung, ein Zufall oder ein Fehlalarm sein. Ein einziges Mal hatten wir diesen Fehler gemacht - und es zutiefst bereut.
Mina war nach ihrer anstrengenden Arbeit sofort zu Bett gegangen, hatte sich in das hölzerne, verlassene Lagerhaus geschleppt, das wir provisorisch bezogen hatten, und sich darin verschanzt.
Ich dagegen hatte noch ein paar weitere kleine Aufgaben erledigt um uns etwas mehr dazuzuverdienen. Jede einzelne Münze war ein Kampf, und wir taten prinzipiell nichts anderes mehr als zu arbeiten und zu schlafen. Wir aßen wenn wir es uns geldtechnisch leisten konnten, aber oft übernahmen wir so viele kleine Jobs, dass dafür ohnehin kaum Zeit blieb.

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VIRGO
Fantasia~NaNoWriMo 2022~ Mein offiziell allererster und vollkommen öffentlicher Versuch, das Event des NaNoWriMo zu bestehen. Für mehr Infos einfach einen Blick in das Vorwort-Kapitel werfen. Amaelya ist ein Mädchen ohne jede Kindheit. Ihre Erinnerung begin...