FÜNFZEHN

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Zitternd stieß ich meinen Atem aus. Alles um mich herum drehte sich und ein hoher Pfeifton machte mich taub.

Meine eiskalten Finger umklammerten immer noch den Tontopf, in den ich mich mehrfach übergeben hatte, und ich packte so fest zu, dass meine Fingerkuppen taub wurden und am Tonrand klebten. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte sie nicht von dort lösen können, so verkrampft war ich.

Eine Hand lag auf meiner Schulter und streichelte in beruhigenden Kreisen bis zur anderen Seite und wieder zurück.

Die Bewegung schien im Takt der Wellen des Schwächeanfalls in meinem Inneren zu schaukeln, aber vielleicht war es auch umgekehrt. Ich genoss die warme Berührung, sie gab mir Halt - so wie das Licht zuvor, das mich verlassen hatte.

Ein Bild blitzte vor meinem inneren Auge auf: Das verschwommene Abbild einer strahlenden Sonne, dargestellt durch bunt gefärbte Glasscheiben...

Ich blinzelte das Bild weg und beugte mich würgend vor. Ich kotzte mir die Seele aus dem Leib, und stützte keuchend meine Stirn auf dem kühlen Tonrand des Topfes ab. Nach wie vor spürte ich die warme Berührung an meinem Rücken. Die Person hinter mir, wer auch immer es sein mochte, sagte nichts. Sie setzte sich nicht hin, sie nahm mich nicht in den Arm, und sie tat auch sonst nichts. Sie stand nur hinter mir und wiederholte ein und denselben Bewegungsablauf.

Sekunden vergingen. Minuten. Stunden. Ich hatte den Überblick verloren. Ich saß eine halbe Ewigkeit da und entleerte meinen gesamten Mageninhalt, bis nichts mehr übrig war.

Schließlich hob ich den Kopf und wischte mir den Mund an einem herumliegenden Stofffetzen ab. Die Welt drehte sich nicht mehr ganz so hektisch, der Pfeifton klang ab - ich konnte wieder vernünftig sehen und hören. Ich drehte mich um, wollte mich bei der Person für den stummen Beistand bedanken, doch da war nichts. Da war niemand.

Das Echo der warmen Berührung klang noch an meinem Rücken nach, doch ich konnte niemanden sehen, der es hätte gewesen sein können. Oder wenn - dann hätten es alle sein können.

Ich grübelte noch darüber nach, als eine Hand in mein Sichtfeld hineingestreckt wurde. Überrascht blickte ich auf.

Es war der maskierte Fremde.

Ich ignorierte sein Angebot und rappelte mich eigenmächtig auf. Die Welt stabilisierte sich wieder. Es war alles wieder in Ordnung. "Welch ein Zufall, dass wir uns erneut begegnen", murmelte ich.

Ich stand noch immer ein klein wenig neben der Spur - und ich hoffte, er würde nichts dazu sagen, dass ich mich offenkundig übergeben hatte.

Sein Blick flackerte kurz zwischen mir und dem vollen Topf hin und her, und ich überlegte mir bereits fieberhaft, was ich sagen, wie ich erklären sollte - aber er zwinkerte nur und meinte grinsend: "Ich muss doch noch meine Belohnung für die Rettung von zuvor einstreichen."

Verblüfft hob ich die Augenbrauen. "Wer hat von einer Belohnung gesprochen?"

Sein Grinsen wurde schelmisch, seine Augen blitzten amüsiert. "Bekommt der strahlende Retter nicht immer von der Jungfrau in Nöten eine Belohnung für seine Dienste?"

Ich wusste, wovon er sprach. Für gewöhnlich endeten solche Märchen immer mit einem leidenschaftlichen Dankeskuss. Aber... "Ich denke nicht, dass Ihr euch gerade jetzt einen Kuss von mir wünscht", wehrte ich skeptisch mit unauffälligem Seitenblick auf den Tontopf ab.

Er lachte. Es war kein gestelztes, höhnisches Gelächter, wie ich es bei anderen Männern an diesem Abend bereits gehört hatte. Nein, es klang volltönend und aufrichtig. "Wenn nicht jetzt, dann vielleicht später", grinste er atemlos, nachdem er sich wieder gefangen hatte. "Oder...", sein Lächeln vertiefte sich, "Ihr gewährt mir einen Tanz."

Mein Herz setzte einen Schlag aus - ich fühlte mich unwillkürlich an den übergriffigen Mann von zuvor erinnert. "Ich kann nicht tanzen", erwiderte ich. Genauso wie zuvor.

"Wenn man von seinem Tanzpartner richtig geführt wird, dann kann jeder tanzen", hielt er dagegen. "Aber Ihr müsst natürlich nicht, wenn Ihr nicht wollt. Ich kann Euch ja schlecht auf die Tanzfläche schleifen und Euch dazu zwingen."

Die Erinnerung verflog, meine Anspannung lockerte sich. Ich war immer noch nervös und unsicher - aber ich erinnerte mich selbst daran, dass ich heute Abend am Fest der Wollust teilnahm. Eine bessere Partie als den höflichen Maskierten würde ich in diesem Kaff wohl kaum auftreiben können.

Und es ging gerade ja auch nur um einen einzigen Tanz.

"Also gut", gab ich kläglich lächelnd nach. "Aber beschwert Euch im Nachhinein nicht, dass ich Euch nicht gewarnt hätte", tadelte ich ihn grinsend mit dem Zeigefinger.

Sein Gesicht strahlte regelrecht - trotz der Maske. "Ich werde mich hüten", erwiderte er ebenso grinsend.

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