ACHTUNDZWANZIG

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Erschrocken schreckte ich hoch. Ich lag auf dem Boden der Gemächer der Glaubensmutter, genau dort wo ich zuletzt zusammengebrochen war. Ich biss die Zähne fest zusammen, während ich mir mit den Ärmeln über die Augen wischte. Offenbar hatte ich auch in der Wirklichkeit geweint, während ich die Ereignisse aus der Vergangenheit gesehen hatte. Aus einer Zeit, noch bevor ich zu der Ceremonia Ascendia aufgebrochen war.

Weit entfernt hörte ich einen hohen Schrei, der von einem Windstoß davongetragen wurde. Hektisch blinzelte ich die Sandkörner aus meinen Augen, die sich dort festgesetzt hatten, und richtete mich auf, während ich lauschte.

"Da waren es nur noch zwei", kicherte eine Stimme und schmatzte widerlich.

Ein dumpfes Geräusch ertönte, dann hörte ich eine zweite Stimme seufzen.

"Schau nicht so trübsinnig", murrte die erste Stimme. "Immerhin haben wir die Erlaubnis bekommen, kostenlos noch ein paar Häppchen mehr zu verschlingen!"

Die zweite Stimme brummte etwas und seufzte dann erneut.

"Ja, ja, ich weiß, wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Zielperson erwischen!", zischte die erste Stimme und ich konnte förmlich sehen, wie die Person die Augen verdrehte. "Ich wäre auch lieber bei dem Angriff dabei, aber wir müssen uns eben mit dem zufriedengeben, was wir kriegen!" Ihre nahenden Schritte hallten lautstark durch die Gänge.

Hastig rappelte ich mich auf und blickte mich um. Ich hatte gerade keine Zeit, um über die Vergangenheit nachzudenken, über die Tat der Glaubensmutter, über die Folgen und was sie sonst noch alles für mich bedeuten konnten. Nachdenken konnte ich auch später noch - jetzt musste ich erst einmal weg, so schnell es ging.

Meine Ohren klingelten leise und die Welt schwankte, doch ich hielt mich auf den Beinen. Ob das nun von der... Vision, oder was auch immer das gewesen war, oder vom Schlafmangel stammen mochte, das konnte ich nicht sagen, aber es war auch egal, zumindest im Moment.

Denn den Geräuschen nach zu urteilen, kamen die beiden geradewegs in meine Richtung - und sie wollten sicher nicht nur ein kleines Pläuschchen halten. Nein, es klang eher so, als seien auch sie Teil der... Bestien, die die Seelen verschlangen. Götter, wie hatte mein Leben plötzlich nur so kompliziert werden können?!

Ein Windstoß, ein Schrei, und ich riss die Augen auf. Wenn ich den Worten der beiden glauben schenkte, dann war ich nun die einzig Verbliebene...

Denk nach, denk nach, denk nach, beschwor ich mich selbst panisch und biss mir auf die Lippen. Ich musste weg hier. Sofort. Das Bad? Zu klein. Keine Versteckmöglichkeiten - außer ich hatte vor, mich irgendwie durch die Toilette hinaus spülen zu lassen... aber nein, ich war viel zu groß dafür. Die Küche? Ebenso klein. Ich könnte zwar versuchen durch den Schacht über der Kochstelle zu klettern, aber auch das würde eng werden... Ich könnte mich im Schlafzimmer unter dem Bett verstecken, aber das war wohl der älteste Trick überhaupt! Dort würden sie mich sicherlich sofort finden. Voraussichtlich natürlich, diese Wesen besaßen überhaupt genug Verstand, um über diese Dinge bescheid zu wissen, denn....

Schluss!, ermahnte ich mich selbst. Mein Herz klopfte wie verrückt und mein Kopf dachte über alles mögliche nach, nur nicht über das, was wichtig war. Verstecken. Fliehen. Weg von hier. Raus.

Aber der einzige realistische Fluchtweg schien der Gang zu sein...

Der Gang...

Gang...

Geheimgang?

Ich riss die Augen auf. Wieso hatte ich nicht sofort daran gedacht? Von allen potenziellen Aufenthaltsmöglichkeiten der Geheimgänge waren die Gemächer der Glaubensmutter doch am offensichtlichsten! Es musste einfach einen geben! Nur wo? An meinem Schlafzimmer führte ein Geheimgang entlang, also... Ich stürmte ins Schlafzimmer der Glaubensmutter und blickte mich hektisch um. Ein loser Ziegelstein, ein getarnter Hebel, ein versteckter Schalter, irgendwo musste doch irgendetwas zu finden sein...!

"Wen haben wir denn da?", gurrte eine Stimme, mein Herz machte einen Satz und ich erstarrte vor Schreck.

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