5 Schöne Aussichten

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„Habt ihr gesehen? Gemüseauflauf! Also schon mal kein Raubtier! Ich bin einfach so schlau!" Holly grinste übermütig während sie auf dem Geländer des Baumhauses balancierte. Der Unterricht war für heute beendet und die kleine Gruppe Woodwalker hatte es sich hier wie immer gemütlich gemacht.

„Ja du bist echt der Überflieger. Genauso gut kann das Absicht gewesen sein du Schlauhörnchen." Dorian schärfte gerade am Stamm seine Krallen. Der graublaue Kater sprach aus, was Carag insgeheim schon die ganze Zeit dachte, und dabei war er nicht mal am Tisch dabei gewesen. Diese Samiya war ihm echt ein Rätsel. Warum machte sie so ein Geheimnis um ihre Tiergestalt? Und warum konnte er überhaupt nichts bei ihr spüren? Er war darin doch sonst nicht so unbegabt!

„Mich interessiert viel mehr, warum Mr. Ellwood sie einfach in Ruhe gelassen hat? Das ist doch mal gar nicht seine Art?" Brandon schaute von unten zu den anderen hoch. Er riskierte immer noch nicht, ins Baumhaus hochzuklettern aus Angst er könnte sich aus Versehen verwandeln – das wärs dann gewesen mit diesem Treffpunkt.

„Vielleicht weiß er einfach mehr als wir, sehr wahrscheinlich sogar." Dorian schaute Carag herausfordernd an.

„Was schaust du mich so an? Denkst du ich weiß mehr als ihr?" Beinahe entfuhr dem Pumajungen ein leises Fauchen.

„Immerhin hast du ihr gegenüber heute Mittag gegessen und jeder hier weiß, dass du ein feines Gespür für so was hast. Außerdem bist du genau so ein Schlaukopf wie Holly." Dorian wollte Carag nur aufziehen, trotzdem ärgerte es ihn irgendwie.

„Achja? Bisher hat niemand irgendwas spüren können. Vielleicht fragst du mal die Wölfe!" Mit einem Satz war Carag am Geländer und dann schon auf der Wiese vor dem Baum. Warum ärgerte ihn das so, dass er nicht spüren konnte, was Samiya versuchte vor ihnen zu verheimlichen?

„He Carag, wo willst du denn hin?" Brandon schickte seinem Freund einen fragenden Blick über die Wiese.

„Keine Ahnung, aber ich brauch Bewegung!" Mit ein paar langen Sprüngen war Carag schon weit weg.

Irgendwie trugen ihn seine Pfoten zurück zum Schulhaus, Wo Samiya wohl war? Carag musste zugeben, dass er mindestens genau so neugierig war wie Holly, was ihre zweite Gestalt anging. Das musste doch herauszufinden sein! Außerdem zogen ihn Geheimnisse immer magisch an ...

Zurück in seinem Zimmer verwandelte Carag sich wieder zurück in den 14-jährigen Jungen, setzte sich auf sein Bett und dachte nach. Samiya hatte sich Gemüseauflauf geholt aber fast nichts davon gegessen. Eigentlich gar nichts, bis auf diese eine Gabel, die sie sich nur in den Mund gesteckt hatte als sie bemerkte, dass er sie beobachtete. Dann das Magenknurren...

Auf einmal hatte Carag eine Idee. Er griff nach einer Tüte in seinem Schrank, steckte sich etwas aus ihrem Inhalt in die Tasche – gut dass sein Kapuzenpulli so große Taschen hatte – und machte sich auf die Suche.

***

Hinter dem großen Gebäude begann er mit seiner Suche und hatte Glück: Auf den Steinblöcken ziemlich weit oben saß jemand mit sehr blonden Haaren. Es sah so aus, als wäre Samiya aus ihrem Fenster geklettert um hier oben ein paar Sonnenstrahlen einzufangen. Sollte er sich verwandeln? Zum Klettern wäre es auf jeden Fall geschickter, aber vielleicht erschreckte er sie ja auch damit, falls sie nun tatsächlich kein Raubtier war? Obwohl er das irgendwie nicht mehr ganz glauben konnte... Carag beschloss trotzdem, erst mal so zu bleiben wie er war und begann nach oben zu steigen. Auf einmal war er ziemlich aufgeregt. Was wollte er überhaupt sagen? Hey Samiya, wie wär's mit ein paar Räucherwürstchen? Oh Mann, gerade merkte Carag, dass er überhaupt keinen Plan hatte, was er hier überhaupt tat! Aber umkehren konnten er jetzt auch nicht mehr, sie hatte ihn auf jeden Fall schon bemerkt, auch wenn sie in die Ferne schaute und so tat, als gäbe es ihn gar nicht.

Call of the wildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt