Am nächsten Tag fanden sehr viel mehr ernste Gespräche statt als üblich an so einem Morgen, an dem doch mindestens die Hälfte der Schüler eher mit den Folgen des frühen Aufstehens zu kämpfen hatte.
Carag und seine Freunde hatten schließlich einen Plan. Und ein Ziel. Jeder würde einen kleinen Schritt dazu beitragen. Wenn die eine Sache ohne Erfolg blieb, klappte vielleicht die nächste. Und am Ende dieses Tages wäre Samiya hoffentlich ein kleines bisschen weniger allein...
***
Samiya war gerade auf dem Weg zur ersten Unterrichtsstunde, als Holly neben ihr aufholte und sie leicht in die Seite stupste.
„Hey Samiya, hast du auch so gut geschlafen? Ich fühl mich heute so richtig wach und unternehmungslustig!" Mit federnden Schritten hoppste Holly den Gang entlang.
„Uhh, eigentlich bin ich morgens immer ziemlich müde... die Stunden könnten ruhig etwas später beginnen..." Samiya gähnte, wie um das Gesagte nochmal extra zu betonen. Vor allem nach dieser Nacht, ging es Samiya durch den Kopf.
„Du musst Holly verzeihen, es gibt einfach keinen Moment, in dem sie nicht so extrem wach und zappelig ist." Brandon war nun auf Samiyas anderer Seite aufgetaucht.
„Ich weiß schon... kein Problem." Samiya gähnte schon wieder und schenkte den beiden dann ein kurzes Lächeln.
Na also. Holly war sehr zufrieden mit dem Ergebnis von Schritt Eins ihres Plans. Erstes Gespräch am Morgen - check!
Mittlerweile waren sie schon am Klassenzimmer angekommen und jeder fand seinen gewohnten Platz. Die erste Stunde, heute Englisch, tröpfelte so vor sich hin, viele Schüler hatten so früh am Morgen Schwierigkeiten mit der Konzentration. Auch Samiya wurde immer noch von regelmäßigem Gähnen überfallen, bis sie damit die Aufmerksamkeit von Miss Parker auf sich zog.
„Samiya, wir wäre es, wenn du ab heute etwas früher ins Bett gingest, dann könntest du dich vielleicht ab morgen etwas besser auf den Unterricht konzentrieren." Miss Parker schaute Samiya mit streng hochgezogenen Augenbrauen an.
Samiya atmete geräuschvoll aus. Immerhin war sie ja hier und nicht mehr im Bett.
„Manchmal hilft ins Bett gehen nicht so viel..." Ihre Stimme war mehr ein leises Murmeln, aber Miss Parker hatte gute Ohren.
„Wie bitte? Natürlich hilft das!" Miss Parker hatte wohl seltener Probleme mit dem Einschlafen.
„Ich war jedenfalls früh im Bett, gestern. Das Gähnen kommt dann wohl trotzdem." Samiya biss sich schnell auf die Lippen um nicht noch mehr freche Dinge zu sagen. Miss Parker konnte ja nun wirklich nichts für ihre schlafarme Nacht.
„Hmpf. Dann pass ab jetzt wenigstens besser auf." Die kleine Lehrerin drehte sich um und hatte zu Samiyas Glück wohl beschlossen, ihre Energie lieber wieder der englischen Grammatik zuzuwenden, als diesem widerspenstigen Kind.
Samiya warf einen Blick zur Seite und fing Henrys Grinsen auf, der nickte ihr zu und beugte sich dann schnell wieder über sein Buch, bevor Miss Parker ihn mit ihrer Aufmerksamkeit beehren konnte.
Kurz darauf schob Henry ihr einen gefalteten, kleine Zettel zu auf dem stand:
Komm doch mit uns in die Pause, nach dem Mittagessen beim Verwandlungsplatz
Samiya dachte nach. Sie mochte Henry, er war ruhig und besonnen, eigentlich immer freundlich und manchmal auch richtig witzig. Er hatte ihr schon einige trockene Kommentare über die Lehrer zugeflüstert, bei denen sie sich jedes Mal sehr beherrschen musste, um nicht laut loszulachen.
Sie hätte überhaupt nichts dagegen, die Pause mit ihm und ein paar anderen zu verbringen, aber dummerweise war Carag da auch fast immer mit von der Partie. Vielleicht hätte sie den Carag als Jungen ja durchaus eine Weile in Kauf genommen, nur war sie gerade jetzt noch ziemlich sauer auf ihn. Und sie mochte es überhaupt nicht, wenn man sie zu etwas drängte. Oder sie einengte. Oder ihr den Weg abschnitt. Womöglich würde Carag wieder mit diesem Thema anfangen, und das konnte sie nach dieser Nacht überhaupt nicht gebrauchen.
Henry enttäuschen wollte sie aber auch nicht...
Danke das ist sehr nett.
Sie schob den Zettel zu Henry hinüber und hoffte, dass er sich mit dieser Antwort zufrieden geben würde. Dann konnte sie nach dem Essen immer noch entscheiden, vielleicht war Carag ja auch erst mal gar nicht dabei. Wunschdenken....
Henry faltete den Zettel auseinander und schaute Samiya dann fragend an. Natürlich war ihm klar, dass das keine eindeutige Antwort darstellte. Zum Glück klingelte es da gerade und im allgemeinen Aufbruchschaos blieb Samiya eine Antwort erspart.
***
Bei der Essensausgabe in der großen Halle fand sich Samiya auf einmal zwischen Shadow und Carag wieder. Etwas weiter entfernt wartete Jeffrey auf seinen Rabenfreund und schaute etwas gelangweilt durch die Halle.
„Hey... es tut mir leid wegen - naja du weißt schon... Bist du noch sauer?" Carag hatte sich leicht zu ihr vor gebeugt und sehr leise gesprochen. Eigentlich war Samiya bis gerade tatsächlich noch sauer gewesen. Aber nun stand Carag mit diesem ehrlich zerknirschten Ausdruck vor ihr und schaute sie mit großen, hoffnungsvollen Augen an, dass sie es kaum über sich bringen konnte, ihm eine Abfuhr zu erteilen.
Samiya hielt seinen Blick kurz fest und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf.
„Ist schon okay..." ihre Worte waren ebenfalls nur ein leises Murmeln.
Carag stieß erleichtert die Luft aus.
„Kommst du mit an unsren Tisch? Die anderen sind schon alle da."
Samiya warf einen skeptischen Blick zu dem langen Tisch, an dem schon Holly, Brandon, Henry und noch ein paar andere saßen. Aus dem Augenwinkel sah sie Jeffrey, der sie zu beobachten schien. Keiner würde das wohl je verstehen, aber sie fühlte sich inzwischen ganz wohl am Tisch der Wölfe. Sie ließen sie in Ruhe und waren tatsächlich nicht mal so schlechte Gesellschaft. Vor allem Cliff und Bo waren richtig lustig und fast schon süß mit Miro...
„Dass ich nicht mehr sauer bin heißt ja nicht, dass ich gleich mit dir zusammen essen muss. Außerdem brauch ich beim Essen meine Ruhe." Schnell schnappte sie sich ihr Tablett und wand sich ab. Sie wollte die Enttäuschung in Carags Augen nicht sehen. Genauso wenig konnte sie ihm sagen, dass sie gerade mit ihm heute auf keinen Fall an einem Tisch sitzen konnte.
Etwas entfernt ließ Jeffrey sich auf seinen Stuhl fallen. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel und er sah aus, als wäre er tief in Gedanken. Manchmal war es doch sehr praktisch wenn man richtig gute Ohren hatte. Das war ja höchst interessant. Carag entschuldigte sich bei Samiya und hätte sie gerne wieder an seinem Tisch. Und sie lässt ihn direkt abblitzen. Was konnte da dahinter stecken? Jeffrey nahm sich vor, Samiya von jetzt an etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, immerhin saß sie - freiwillig - direkt vor seiner Nase.
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Call of the wild
FanfictionSamiya - neu an der CH - lehnt jede Verwandlung ab und sorgt auch sonst für einges an Aufregung. Leider fühlt sich Carag von Geheimnissen magisch angezogen und nicht nur davon... Aber auch Jeffrey hat ein Wörtchen mitzureden... Carag und seine Fr...