79 Was?!!

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Auf den großen Felsentreppen an der Rückseite der Clearwater High lag ein heller Puma und schien den dunklen Waldrand auf der Suche nach potentiellen Beutetieren genau zu beobachten. Die Sonne war schon lange untergegangen und außer ihr war niemand hier draußen zu sehen. In Wirklichkeit war Samiya tief in Gedanken. Ihr Pumaschwanz zuckte immer wieder ganz leicht hin und her und einen eventuell schmackhaften Nachtisch hätte sie vermutlich nicht mal bemerkt, wenn er direkt vor ihrer Nase vorbeigehuscht wäre. So sehr war sie von den Bildern in ihrem Kopf gefangen. Die Bilder waren ein einziges Durcheinander. Da war Jordan, vorhin nochmal mit ihr im Wald, er hatte ihr noch so viel erzählt, auch von Raja, von der Band, von allem Möglichen... Raja und er schienen immer noch jede Menge Abenteuer zusammen zu erleben – ohne sie – leider, wenn Jordan nicht gerade mit der Musik unterwegs war... Nachdem was der Jaguar erzählt hatte, wäre Samiya am Liebsten sofort aufgebrochen und hätte Raja in dem großen Naturschutzgebiet besucht. Aber dann dachte sie an ihre Freunde hier. Was würden die dazu sagen, wenn sie auf einmal verschwand? Sie könnte es ja erklären... und sie würde ja wieder kommen, oder? Vielleicht wäre ja sogar Carag dann endlich zufrieden, dann hätte er genug Ruhe vor ihr...

Samiya wusste nicht, was sie über ihre Situation mit Carag denken sollte. Zuerst sagte er, sie solle ihn in Ruhe lassen und dann kam er doch wie aus dem Nichts und ‚rettete' sie vor Jordan – auch wenn das natürlich nicht wirklich nötig gewesen war. Aber ‚Freunde helfen sich gegenseitig' hatte er gesagt. Also waren sie Freunde. Freunde die sich im Moment aus dem Weg gingen. Samyia schnaubte kurz, es war wirklich zum Verzweifeln...

***

Carag war gerade aus seinem Fenster geklettert, ausnahmsweise heute Nacht in Menschengestalt, er wollte mit Samiya sprechen. Ihr alles erklären und sich entschuldigen für sein wirklich dummes Gerede nach der Busfahrt. Eigentlich würde er ihr auch zu gerne sagen, dass er sie wirklich wirklich mochte, dass er mehr Zeit mit ihr verbringen wollte, aber er konnte Samiyas Haltung ihm gegenüber leider überhaupt nicht einschätzen. Er hatte Angst davor, dass er die ganze Situation damit nur noch komplizierter machen würde. Noch dazu hatte er so gut wie keine Ahnung, wie diese Dinge zwischen Menschen überhaupt funktionierten. ‚Küss sie einfach' hatte Holly gesagt. Das war nur Spaß gewesen oder? Er konnte Samiya doch nicht einfach so küssen, oder?

Als Puma war die Sache so viel einfacher! Ein Stupser mit der Schnauze, ein Schlecken übers Ohr – das alles fiel ihm mit Samiya so leicht, und es fühlte sich vollkommen richtig und natürlich an. Sie hatte es ja schon genauso gemacht. Im Spiel. Als Puma fühlte er sich mit ihr so sicher. Aber jetzt war er als Mensch hier, denn die Situation, in der sie jetzt steckten war als Menschen entstanden, also musste er sie auch so lösen, wenn er endlich weiterkommen wollte. Soviel war Carag klar, auch wenn er keine Ahnung hatte, ob das Ganze wirklich so schlau war...

Seine größte Sorge war, dass Samiya Jordan mochte. Also ein klitzekleines Bisschen mehr als das. Eben so, wie er sie mochte. Dieses Gefühl, dass er ihr nahe sein musste. Als Puma musste er mit ihr spielen und rangeln, ihr mit den Pfoten durchs Fell fahren und mit der Pumazunge über die Ohren. Aber als Mensch? Er hatte damit einfach keine Erfahrung! Und selbst wenn Jordan gesagt hatte, er würde nicht zwischen ihnen stehen, was nützte das, wenn Samiya ihn mochte? Carag kamen die Bilder in den Kopf, wie die beiden zusammen getanzt hatten – keine sehr ermutigende Erinnerung für ihn...

Als er auf der Seite der Steintreppe ankam, an der Samiyas Fenster lag, sah er sofort, dass sie bereits draußen war. Ihr helles Fell schimmerte leicht, trotz der Dunkelheit.

Mit ein paar geschickten Klettersprüngen war er auf der Stufe unter ihr. Sie neigte den Kopf und sah ihn verwundert an. So verwundert wie ein Puma eben schauen konnte...

Call of the wildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt