Call of the wild

26 bloß ohnmächtig...

‚Mr Ellwood! Kommen Sie schnell! Samiya ist – ' Carag rief in Gedanken so laut er konnte, als Mr. Ellwood plötzlich schon neben ihnen stand. Wie hatte er das so schnell gemacht?!

Miro schnupperte vorsichtig an Samiyas Ohr und winselte dabei als hätte er sich verletzt. Carag fühlte sich etwas hilflos in seiner Pumagestalt – er lag neben Samiya auf dem Boden, hatte eine Pfote an ihrer Seite liegen und versuchte zu spüren, ob sie noch atmete.

„Lasst mich mal sehen..." Mr. Ellwood kniete schon neben Samiya, legte zwei Finger auf ihr Handgelenk und schaute ganz konzentriert auf ihr Gesicht, dann wieder auf seine Uhr. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er sie los, als auch schon Bill Brighteye mit schnellen Schritten neben ihnen auftauchte. Hatte Mr. Ellwood ihn in Gedanken gerufen?

„Bill, würdest du Samiya auf die Krankenstation bringen, so schnell wie möglich? Ich gehe ins Büro zu Lissa und rufe dann auch gleich Samiyas Großmutter an. Sie muss sofort herkommen." Mr. Ellwood wartete Bills Antwort gar nicht erst ab und marschierte schon in eiligen Schritten davon.

„Was ist denn mit ihr?" Jeffrey stand - noch als Junge – jetzt auch neben ihnen und schaute Samiya besorgt an. ‚Was hast du wieder angestellt, Carag?!' Diese Frage war nur für den Puma ihm gegenüber bestimmt. Der starrte Jeffrey nur aus schmalen Augen an und ließ ein leises Fauchen ertönen.

„Schluss jetzt ihr beiden! Samiya ist bloß ohnmächtig geworden. Ihr Puls ist sehr schwach aber sie wird sicher bald wieder aufwachen. Ich bringe sie jetzt auf die Krankenstation, ihr anderen geht bitte in euer Klassenzimmer und verhaltet euch einigermaßen ruhig. Es wird gleich ein Lehrer zu euch kommen." Bill Brighteye warf Carag und Jeffrey noch einen ermahnenden Blick zu, dann fasste er Samiya unter Armen und Beinen und nahm sie hoch. Für den großen Lehrer in Kampf und Überleben war Samiya ein Leichtgewicht. Mühelos trug er sie zurück in Richtung Schulgebäude.

***

Im Klassenzimmer konnte von ‚einigermaßen ruhigem Verhalten' keine Rede sein. Alle redeten durcheinander.

Carag lief unruhig als Puma an den Tischreihen entlang vor und zurück. Er hatte bisher keine Ruhe finden können, um sich zurück zu verwandeln. Miro lag zusammengerollt auf Cliffs Schoß und schaute immer wieder nervös durchs Klassenzimmer. Jeffrey saß neben Tikaani und trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Tisch herum, bis Tikaani – wieder in Mädchengestalt – seine Hand packte und ihn eindringlich anschaute. Das Trommeln machte sie ganz nervös.

‚Bloß ohnmächtig – Mr. Brighteye hat Nerven, als ob jeden Tag jemand beim Verwandeln ohnmächtig wird!' Holly hüpfte als Rothörnchen auf ihrem Stuhl auf und ab.

‚Sie wollte sich ja gar nicht verwandeln! Ich hab mich doch verwandelt. Sie sollte ja bloß zuschauen!' Carag war neben Holly angekommen und stützte seine Vorderpfoten auf ihrem Tisch auf, was ein bisschen wie im Zirkus aussah.

„Ja, genau das war wohl das Problem." Dorian, der noch immer seinen Zettel mit den Notizen in der Hand hatte, schaute nachdenklich in die Runde.

‚Wie meinst du das, genau das war das Problem?! Was für ein Problem? Holly hüpfte auf Dorians Arm, zog an seinem Zettel herum und versuchte einen Blick auf die Worte zu werfen.

‚Du könntest ruhig etwas ordentlicher schreiben, ich kann kein Wort lesen!' Das Rothörnchen zerknitterte eine Ecke des Papiers.

„Hey, lass das, du Terrorhörnchen! Und nichts gegen meine Schrift, die ist ja wohl akkurat. Du siehst wohl schlecht als Hörnchen!" Dorian zog seine Zettel aus Hollys Reichweite und schüttelte etwas beleidigt den Kopf.

„Was wolltest du denn eigentlich sagen, Dorian?" Henry blickte den dunkelhaarigen Jungen neben sich interessiert an. Doch der kam nicht mehr dazu, zu antworten, in genau diesem Moment flog die Tür auf und James Bridger kam herein.

Er schickte sie alle auf ihre Plätze und teilte jedem ein kleines Heftchen aus. Als endlich Ruhe herrschte, wandte er sich an die Klasse.

„Also hört zu. Ich verstehe, dass ihr alle gerade ziemlich aufgeregt und durcheinander seid, aber ich kann euch versichern, wir tun alles uns Mögliche, damit es Samiya schnell wieder gut geht. Ich habe hier – " James Bridger kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden.

„Mr. Bridger, wie kann es sein, dass Samiya einfach umgefallen ist? So was ist doch noch nie vorher passiert, oder?" Jeffrey warf einen kurzen, ärgerlichen Blick zu Carag und schaute dann seinen Lehrer abwartend an.

„Das kann ich dir auch nicht genau sagen, Jeffrey, dass kann tausend Gründe haben. Kreislauf, Stress, zu niedrige Blutwerte... und bei Woodwalkern kommen sicher noch andere Faktoren hinzu..." Mr. Bridger sah nachdenklich aus. Dann schüttelte er kurz den Kopf, wie um sich wieder auf das Geschehen vor ihm zu konzentrieren und sprach weiter.

„Ihr habt vor euch eine Abenteuergeschichte. Am Ende findet ihr verschiedene Probleme, die ihr lösen müsst. Schreibt eure Antworten auf die Rückseite, ich werde bald zurück sein und alles wieder einsammeln. Ihr helft uns und Samiya am meisten, wenn ihr euch jetzt leise verhaltet und konzentriert." Damit verließ James Bridger den Raum und der möglicherweise folgende Tumult in der Klasse blieb erstaunlicherweise aus...

***