Flackerndes Licht erhellte die Hauptstraße in Godric's Hollow, die bis vor wenigen Sekunden verlassen dagelegen hatte. Und doch hätte der gewöhnliche Mensch, in Zaubererkreisen auch Muggle genannt, wohl geglaubt, seine Augen hätten ihm einen Streich gespielt. Denn der Mann, der direkt unter einer der altersschwachen Straßenlaternen auftauchte, nahm sich keine Zeit, von links nach rechts zu schauen. So schnell er aufgetaucht war, so schnell bog er in die nächste Straße ein.
Er hastete durch den Ort, als wäre der Teufel hinter ihm her. Im übertragenen Sinne war er das sogar. Wie bei einer Fledermaus, flatterte sein schwarzer Umhang hinter ihm her, aufgewirbelt durch den eisigen Wind. Er hatte Angst, große Angst. Es konnte nicht sein. Sie musste leben.
Hatte sein Herr sein Wort gebrochen?
Er rannte wie noch nie in seinem Leben. Das trommelnde Geräusch seiner Schritte auf der asphaltierten Straße schlug den Takt. Den Takt zu seinem rasenden Herzschlag. Vorbei an einem kleinen Brunnen, durch eine Nebenstraße und weiter bis zu einem kleinen Haus.
Stockend blieb er stehen.Das Obergeschoss war fast vollständig zerstört. In den vergangenen Sekunden war es dunkel geworden - und sehr still, was das Ganze noch bedrohlicher wirken ließ. Als er das Gartentor aufschob, quietschte es leise. Langsam lief der den gekiesten Weg entlang und zog ein schmales, dunkles Stück Holz aus seiner Tasche. Seinen Zauberstab. Die Waffe, die ihm im Notfall das Leben retten konnte.
Die Haustür stand offen - er war hier gewesen. Er hatte nichts anderes erwartet. Alleine sie durfte nicht tot sein.
"Lumos", murmelte der Mann. Die Spitze des hölzernen Stabs flammte auf und tauchte seine Umgebung in ein sanftes, gelbes Licht. Bedächtigen Schrittes trat er in das Haus ein, wobei er einen Würgereiz unterdrücken musste. Ein ekelhaft verbrannter Geruch lag in der Luft und bereits im Eingangsbereich bot sich ihm ein Bild der totalen Verwüstung. Die Tür, die ins Wohnzimmer führte, hing aus den Angeln und sämtliche Blumentöpfe waren zerstört. Erde hatte sich über den Boden ergossen und bildete ein Bett für mehrere Bücher, die vorher im Regal an der Wand gestanden hatten. Bilder lagen mit zersplitterten Deckgläsern herum, die ursprünglichen Aufnahmen kaum mehr zu erkennen. Es wirkte, als sei eine Schockwelle durch den ganzen Raum gefegt.
Mitten in dieser Unordnung lag ein Mann mit verstrubbelten schwarzen Haaren und weit aufgerissenen, braunen Augen. Er war tot. Eindeutig ein Opfer des Todesfluchs.
Allerdings störte das den Mann nicht sonderlich. Er hatte den Toten nie gemocht. Sie hatten sich von Anfang an angefeindet, bereits in der Schule waren sie Konkurrenten um ihre Gunst gewesen. Wobei er selbst schließlich den Kürzeren gezogen hatte. Nur sie durfte nicht tot sein! Das würde er nicht verkraften.
Bedächtig lief er um die Leiche herum, die knarrende Treppe hinauf. Auch hier bot sich ihm das gleiche Bild der Zerstörung, wenn der Brandgeruch auch schwächer geworden war. Das obere Treppengeländer war zertrümmert und die Stufen halb weggesprengt. Zudem war es kalt hier oben. Der Wind pfiff durch das Gebälk, doch er machte sich keine Mühe, sich den Umhang fester um die Schultern zu ziehen. Sämtliche seiner Gedanken, sein gesamtes Handeln war auf diese eine Sache fokussiert.
Mit erhobenem Zauberstab ging er den Flur entlang. Leises Schluchzen drang aus einem der angrenzenden Zimmer. Nein, sagte er sich. Versuchte den winzigen Funken Hoffnung in seiner Brust neu anzufachen und zu verhindern, dass er verlosch. Das musste nicht heißen.
Mit leichtem Zögern stieß er die Türe auf.Da lag sie. Ihr langes rotes Haar zerzaust, die grünen Augen, die er so liebte, weit aufgerissen.
Sein Zauberstab fiel klirrend zu Boden. Er folgte und ging neben ihr in die Knie."Nein!" Mehr brachte er nicht über die Lippen.
Ihm liefen Tränen über Gesicht. Er weinte. Lange hatte er sich keine Tränen mehr erlaubt, denn Tränen bedeuteten Schwäche, und in seiner Gegenwart, konnte er sich diese nicht leisten.
Vorsichtig nahm er sie in die Arme und strich ihren kalten, erschlafften Arm hinauf und hinunter. Drückte seine Nase in ihr noch immer duftendes Haar und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Er hatte versprochen sie zu verschonen. Er hatte versprochen sie nicht zu töten. Aber er hatte es getan.Nach einiger Zeit löste er sich von ihr. Die Auroren würden bald kommen, dann sollte er nicht mehr hier sein. Die Zerstörung würde nicht lange unbemerkt bleiben. Die ganze Welt würde vom Tod der tapferen Kämpfer erfahren. Sie würden eine kleine Anzeige im Tagespropheten lesen und sich fragen, wie viele noch sterben mussten, bis dieser Krieg vorbei wäre. Zwei weitere Tropfen auf den heißen Stein, die verdampft waren und um die nur die wenigsten lange trauern würden.
Er drehte sich um. Da saß das Baby, ihm liefen Tränen über Gesicht, um seine Mutter weinend, die es gerade verloren hatte. So wie er. Doch er verabscheute es. Es sah zu sehr aus wie der Mann, der unten im Flur lag. Nur mit dem Unterschied, dass das Baby eine gezackte Narbe auf der Stirn hatte, die stark an einen Blitz erinnerte. Eine der mächtigsten Narben überhaupt. Eine Fluchnarbe. Sie würde das Kind noch in einige Scherereien bringen.
Neben dem Jungen - sein Atem stockte - das Baby sah aus wie sie. Kurze rote Locken und dieselben weichen Züge. Sein Gesicht war trocken, es sah ihn nur aus großen, braunen Augen an. Ihm liefen erneut Tränen über die Wange.
Ein Knacken ertönte. Es kam jemand. Die Auroren höchstwahrscheinlich.
Den Jungen würde er hierlassen, sollte er sehen, wo er blieb. So wie er Dumbledore kannte, würde er sich um ihn kümmern, ihn beschützen - aber sie? Er konnte sie nicht in irgendeiner Muggelfamilie aufwachsen lassen oder schlimmer noch, mit dem Wissen leben, dass sie in einem Waisenhaus aufwachsen musste.
Ohne noch lange über die möglichen Folgen dieser Handlung nachzudenken, trat er an das Kinderbettchen heran und nahm das Mädchen auf den Arm. Nach einem letzten Blick auf sie, disapparierte er mit einem leisen Plopp.
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Unknown Potter I - Secrets of the Past
FanfictionHarry Potter. Jeder kennt die Geschichte des Jungen. Jeder außer Caitlyn, die mit ihm zusammen nach Hogwarts kommt. Doch wieso hat sie von ihrem Vater nie etwas über den 'Jungen der lebt' gehört? Ihr Name ist Caitlyn Snape und sie ist auf der Suche...