1 | 6. Kapitel

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Eine energische Stimme weckte mich. Ich richtete mich auf und erblickte ein Mädchen mit üppigem braunem Haarschopf und recht langen Vorderzähnen. "Hat jemand eine Kröte gesehen? Neville hat seine verloren."

"Wir haben ihm schon gesagt, dass wir sie nicht gesehen haben", erklärte Ron genervt. Dieser hatte einen Zauberstab in der Hand. Wollte er etwa zaubern? Das Mädchen schien den gleichen Gedanken zu hegen, denn sie fragte: "Aha, du bist gerade am Zaubern? Dann lass mal sehen."

Sie setzte sich. Ron sah verlegen aus. Er räusperte sich. "Eidotter, Gänsekraut und Sonnenschein, Gelb soll diese fette Ratte sein." Er wedelte mit dem Zauberstab durch die Luft, doch nichts passierte. Seine Ratte behielt die graue Farbe und schlief munter weiter.

Mir war klar, dass dies kein richtiger Zauber war. Überhaupt kamen Verwandlungen erst viel später in der Schule dran. Und ja, ich gebe zu, ich hatte mich schon an dem ein oder anderen Verwandlungszauber versucht. Mit mehr oder weniger Erfolg. Schlecht war ich jedenfalls nicht.

"Bist du sicher, dass das ein richtiger Zauberspruch ist?", fragte das Mädchen. "Jedenfalls ist er nicht besonders gut. Ich habe selbst ein paar einfache Sprüche probiert, nur zum Üben, und bei mir hat es immer geklappt. Keiner in meiner Familie ist magisch, es war ja so eine Überraschung, als ich meinen Brief bekommen hab, aber ich habe mich unglaublich darüber gefreut, es ist nun einmal die beste Schule für Zauberei, die es gibt, wie ich gehört habe - ich habe natürlich alle unsere Schulbücher auswendig gelernt, ich hoffe nur, das reicht. Übrigens, ich bin Hermine Granger, und wer seid ihr?"

Mein Gott, diese Hermine war echt extrem. Das alles hatte sie uns, ohne einmal Luft zu holen, erzählt.

"Ich bin Ron Weasley", murmelte Ron. Ich bemühte mich um ein nichtssagendes Lächeln. "Ich bin Caitlyn Snape." Bei meinem Nachnamen runzelte Hermine das Gesicht und Ron sah mich ungläubig an.

"Harry Potter", sagte Harry.

Hermine wandte sich ruckartig ihm zu. "Ach tatsächlich? Natürlich weiß ich alles über dich. Ich habe noch ein paar andere Bücher, als Hintergrundlektüre, und du stehst in der Geschichte der modernen Magie, im Aufstieg und Niedergang der dunklen Künste und in der Großen Chronik der Zauberei des zwanzigsten Jahrhunderts."

Interessant. Ich hatte keines der Bücher gelesen. Musste ich unbedingt nachholen.

"Nicht zu fassen", sagte Harry, offensichtlich etwas verwirrt.

"Meine Güte, hast du das nicht gewusst, ich jedenfalls hätte alles über mich rausgefunden, wenn ich du gewesen wäre", sagte Hermine. "Wisst ihr schon, in welches Haus ihr kommt? Ich habe herumgefragt und hoffentlich komme ich nach Gryffindor, da hört man das Beste, es heißt, Dumbledore selber war dort. Aber ich denke, Ravenclaw wäre auch nicht schlecht ... Gut denn, wir suchen jetzt weiter nach Nevilles Kröte. Übrigens, ihr drei solltet euch lieber umziehen, ich glaube wir sind bald da."

Den krötenlosen Jungen im Schlepptau, zog sie von dannen. 

"Egal, in welches Haus ich komme, Hauptsache, die ist woanders", stellte Ron fest.

Im Stillen musste ich Ron recht geben. Ich wusste eh, in welches Haus ich kommen würde, folglich hatte es keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen sah ich aus dem Fenster. In der Ferne, konnte ich Hogwarts erkennen. "Jungs, sie hat Recht, wir sollten uns umziehen. Ich gehe raus, während ihr euch umzieht." Ich schnappte mir meinen Umhang und verließ das Abteil.

Als ich zurückkam, betraten gerade Draco Malfoy und zwei andere unser Abteil. Ich drückte mich an ihnen vorbei.

"Stimmt es?", schnarrte Malfoy. "Im ganzen Zug sagen sie, dass Harry Potter in diesem Abteil ist. Also bist du es?"

"Ja", erwiderte Harry schlicht. Ich musterte unterdessen die beiden anderen Jungs. Beide waren stämmig und wirkten ziemlich fies. Da sie zu beiden Seiten Malfoys standen, wirkten sie wie Leibwächter. Auch Harry musterte die beiden. Als Malfoy Harrys Blick bemerkte, fügte er lässig hinzu: "Oh, das ist Crabbe und das ist Goyle. Und mein Name ist Malfoy. Draco Malfoy."

Von Ron kam ein leichtes Husten und ich verdrehte die Augen. Selbst für einen Reinblüter, war Malfoy reichlich aufgeblasen.

Draco Malfoy sah uns beide an. "Meinst wohl, mein Name ist komisch, was?", meinte er abfällig an Ron gewandt. "Wer du bist, muss man ja nicht erst fragen. Mein Vater hat mir gesagt, alle Weasleys haben rotes Haar, Sommersprossen und mehr Kinder, als sie sich leisten können. Und ehrlich gesagt bin ich überrascht, dich hier zu sehen, Caitlyn. Ich dachte, du wüsstest, wer zu den Richtigen gehört."

Erneut zu Harry meinte er: "Du wirst bald feststellen, dass einige Zaubererfamilien viel besser sind als andere, Potter. Und du wirst dich doch nicht mit der falschen Sorte abgeben wollen!? Ich könnte dir behilflich sein."

Er streckte die Hand aus, doch Harry machte keine Anstalten, ihm die seine zu reichen. "Ich denke, ich kann sehr gut selber entscheiden, wer zur falschen Sorte gehört", sagte er kühl.

Malfoy wurde nicht rot, doch ein Hauch Rosa erschien auf seinen blassen Wangen. "Und was ist mit dir Caitlyn, wir sind uns doch nicht einmal so unähnlich. Weißt du, was richtig ist und nimmst mein Angebot an?"

"Ich bin genau das Gegenteil von dir, Malfoy. Und jetzt verschwinde!", sagte ich beherrscht. Malfoy schien die Drohung in meinen Worten wahrzunehmen, denn er drehte sich mich einem letzten abfälligen Blick auf Harry und Ron um und verschwand aus dem Abteil.

"Hast du Malfoy schon einmal getroffen?", fragte Ron mich.

"Ja, wir hatten ein ganz nettes Gespräch in der Winkelgasse. Und mein Vater kennt die Malfoys persönlich."

Ron sah Harry und mich mit düsterer Miene an. "Ich habe von seinen Eltern gehört. Sie gehörten zu den ersten, die auf unsere Seite zurückkehrten, nachdem Ihr-wisst-schon-wer verschwunden war. Sagten, sie seien verhext worden. Dad glaubt nicht daran. Er sagt, Malfoys Vater brauchte keine Ausrede, um auf die dunkle Seite zu gehen."

Das war einer der Punkte, bei denen ich mir nie so sicher war, ja, ich kannte diese Gerüchte. Leider war ich mir aber nicht sicher, ob sie eben nicht nur das waren - Gerüchte. Abgesehen davon wollte ich nicht über ihn sprechen; geschweige denn Nachdenken. Ich hatte genügend Albträume über ihn gehabt, dass sie für mein ganzes Leben gereicht hätten.

Wenig später hallte eine Stimme durch den Zug: "In fünf Minuten kommen wir in Hogwarts an. Bitte lassen Sie Ihr Gepäck in den Abteilen, es wird für Sie zur Schule gebracht."

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt