2 | 6. Kapitel

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Erstaunlicherweise kam ich mit Malfoy recht gut zurecht, so gut, dass ich mit ihm und dem Rest des Quidditch-Teams die große Halle nach dem Halloweenfest verließ. Wir wollten hoch auf den Astronomieturm, um dort noch in Ruhe den Abend zu verbringen.

Der Turm war einer unserer Lieblingsorte. Ungestört und düster, wo es den älteren Jungs möglich war, sich an dem ein oder anderen Schluck Feuerwhiskey zu versuchen. Aber vor allem verschaffte es einem einen kleinen Nervenkick, sich spät abends nach oben zu schleichen, wohl wissend, dass es verboten war. Noreen war da schon anders. Sie war erst ein oder zwei Mal mit dort oben gewesen und hatte bei jedem Besuch Todesängste ausgestanden. Einmal aus Angst erwischt zu werden und zum anderen, weil sie, wie sie mir einmal gestanden hatte, panische Höhenangst hatte. Daher war es nicht verwunderlich, dass sie sich von uns getrennt hatte, um den Abend im Gemeinschaftsraum zu verbringen.

Während wir einigen anderen Schülern die große Marmortreppe hinauf folgten, erläuterte Flint uns ganz genau die Taktik für unser erstes Quidditchspiel gegen Gryffindor. Seit drei Wochen lag er uns damit in den Ohren und mittlerweile konnten wir mitsprechen. 'Malfoy, sieh zu, dass du den Schnatz vor Potter fängst!', 'Pucey, Snape, Montague - spielt unbedingt zusammen' und so weiter hielt er uns seine Vorträge im immerzu gleichen Wortlaut.

Ich war es leid, daher machte ich mir auch nicht die Mühe, mich zusammenzureißen, als Flint zum sechsten Mal heute seinen alten Monolog begann: "Jedenfalls müsst ihr besonders -"

"- besonders auf Wood achten. Er ist schwer einzuschätzen. Verdammt Flint, wir wissen es! Und wir werden es uns nicht eher merken, weil du es achtmal wiederholst!", fauchte ich.

"Ihr solltet das nicht auf die leichte Schulter nehmen, auch wenn wir gegenüber anderen so tun, als wären wir unschlagbar", erwiderte Flint erstaunlich ruhig.

Ich atmete einmal tief durch. "Keiner von uns nimmt das auf die leichte Schulter, trotzdem bin ich der Ansicht, dass du es uns nicht jeden Tag immer und immer wieder zu erläutern brauchst. Wir können trainieren, ja, aber nur weil wir deine Taktiken mitsprechen können, heißt das nicht, dass wir sie auch anwenden können."

"Sie hat recht", mischte sich der sonst eher schweigsame Graham Montague ein. "Du tust uns damit keinen Gefallen, Markus."

"Ich denke, ihr wollt auch gegen Gryffindor gewinnen?" In seinem Tonfall klang ein leichter Vorwurf mit. "Wenn wir eine Strategie haben, ist es einfacher. Ich möchte Wood nicht nochmal als Verlierer -"

Nicht weit von uns entfernt ertönte ein Schrei. Flint verstummte und Draco schoss augenblicklich los. Etwas langsamer folgten wir ihm. Schon einen Korridor weiter, vernahmen wir panisches Stimmengewirr. Besonders laut tönte die Stimme von Argus Filch: "Was geht hier vor? Was ist los?"

Gerade als wir um die Ecke bogen, fing er an zu jammern: "Meine Katze! Meine Katze! Was ist mit Mrs. Norris passiert?"

Leider konnten wir durch die versammelten Schüler nichts erkennen. Ich sowieso nicht. Der zwei Köpfe größere Adrian schon eher. "Was ist da vorne los, Adrian?"

Mit belegter Stimme antwortete er: "Ich sehe nicht sonderlich viel."

"Du bist zwei Köpfe größer als ich. Du musst etwas sehen." Mühsam reckte ich mich, doch auch so konnte ich gerade die Haarschöpfe der anderen Schüler sehen. Nicht aber das, was vor sich ging. "Sag schon, Adrian."

Ungewohnt scharf fuhr er mich an: "Cat, es ist besser, wenn du das nicht siehst. Glaub mir. Sei froh."

Im nächsten Moment zuckte ich vor Schreck zusammen. Filchs Stimme war schrill geworden. "Du. Du.. Was hast du mit meiner Katze gemacht? Ich schwöre, ich bringe dich um!"

"Argus!" Mit großen Schritten betrat Dumbledore den Korridor. Gefolgt von Professor McGonagall, Professor Lockhart und meinem Vater. Umgehend teilte sich die Menge, um die Professoren durchzulassen. Dabei gab sie den Blick auf das schreckliche Szenario preis.

Filchs Katze, Mrs. Norris hing steif wie ein Brett am Fackelhalter. Darüber standen, in fast einem halben Meter hohen Buchstaben, folgende Wörter geschrieben:

DIE KAMMER DES SCHRECKENS WURDE GEÖFFNET
FEINDE DES ERBEN, NEHMT EUCH IN ACHT

Wie gebannt starrte ich auf die purpurfarbene Schrift. Blut. Keine Frage. Nur von wem stammte es? Wer war der Erbe?

Nur am Rande bemerkte ich, dass mein Vater neben uns stehen geblieben war. Mehrmals hörte ich ihn meinen Namen sagen, doch ich war zu gebannt von dem Szenario vor mir. Schließlich gab mein Vater es auf und ich hörte ihn an Adrian gewandt sagen: "Pucey, bringen Sie meine Tochter in mein Büro. Auf meinem Schreibtisch steht eine grüne Phiole. Geben Sie sie ihr. Und bleiben Sie so lange bei ihr, bis ich komme. Verstanden?"

"Ja, Sir." Ich spürte wie ich am Arm gepackt und sanft in Richtung Kerker bugsiert wurde. Immer noch konnte ich meinen Blick nicht von der Wand lösen.

Wie in Trance folgte ich Adrian. Ich wusste selbst nicht, wieso ich so geschockt reagiert hatte, schließlich war es bei weitem nicht so schlimm, wie das, was ich schon erlebt hatte. Verglichen mit dem, was damals im dritten Stock passiert war, ja geradezu lächerlich. Aber ich bekam einfach nicht das Bild der am Schwanz aufgehängten Katze aus dem Kopf.

Adrian drückte mich hinunter auf eines der steifen grünen Sofas im Büro meines Vaters. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie wir es betreten hatten. Kurz verschwand er aus meinem Sichtfeld und kam wenige Sekunden später mit einer kleinen Phiole zurück, welche er mir in die Hand drückte.

Dass ich diese einfach so an die Lippen setzte, konnte ich nur auf meinen weggetretenen Zustand schieben, denn normalerweise würde ich nie etwas Unbekanntes trinken. Und genau das tat ich. Mit einem langen Zug stürzte ich den Trank hinunter. Er schmeckte ein klein wenig bitter. Ein Schlaftrank, dachte ich noch, bevor ich zurück in die angenehm weichen Polster sank und ins Reich der Träume abdriftete.

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt