3 | 12. Kapitel

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Ich war mehr als froh, dass ich bei diesem Wetter nicht auf den Besen steigen musste. Wenn ich sonst schon Schwierigkeiten hatte, mit den um einiges größeren und kräftigeren Jungs im Team mitzuhalten, dann wäre es bei diesem Wetter komplett unmöglich. Zusammen mit Noreen, Draco, Crabbe, Goyle und Pansy folgte ich den anderen Schülern hinunter zum Quidditchfeld. Blitze zuckten über den Himmel und der fast postwendend folgend Donner verriet, dass das Gewitter nicht mehr sonderlich weit entfernt war.

"Schaut euch Potter an - er sieht nicht glücklich aus." Grölend deutete Draco auf einen Jungen in gold rotem Umhang, den man durch den immer dichter werdenden Regen, nur mit sehr viel Wohlwollen als Harry erkennen konnte. Die beiden Gorillas und Pansy brachen in Gelächter aus. Doch auch dieses trug der Sturm umgehend fort.

Oben auf der Tribüne war es nicht viel besser. Der beinahe orkanartige Wind fegte hier nur noch stärker, plusterte unsere Umhänge auf und riss vielen ihre Schirme aus der Hand. Tief kuschelte ich mich in meinen Schal. Viel lieber säße ich jetzt im gemütlichen Gemeinschaftsraum vor dem prasselnden Kaminfeuer, mit einer dampfenden Tasse heißer Schokolade in der Hand.

Viel vom Spiel bekam man ohnehin nicht mit. Hin und wieder flog einer der Spieler dicht an den Tribünen vorbei und man konnte zumindest erahnen, welchem Hausteam er angehörte. Den Stadionsprecher, Lee Jordan, konnte man überhaupt nicht hören.

"Bei so einem Wetter verstehe ich nicht, wieso ihr alle so verrückt nach diesem Spiel seid." Noreen musste schreien, damit ich sie über die heulenden und tosenden Böen verstehen konnte.

"Um ehrlich zu sein, ich auch nicht!", schrie ich zurück. "Gut, dass wir heute nicht spielen mussten. Mir ist kalt."

Draco, der letzteres wohl gehört hatte, stellte sich neben mich. "Wenn du magst, kann ich dich ja wärmen", bot er selbstgefällig an und wollte einen Arm um mich legen.

Flink duckte ich mich weg. "Ich verzichte, danke."

Der Blonde zuckte nur mit den Schultern. "Ich wünschte, Hufflepuff würde schneller machen. So schwer ist Gryffindor jetzt auch nicht zu schlagen. Das ist ein Haufen Nieten - und sie hatten schon eine Auszeit."

Aus irgendeinem Grund ärgerte mich seine Aussage. Dank einem verästelten Blitz, der über dem verbotenen Wald niederging, konnte ich sein Gesicht erkennen. Das blonde Haar klebte ihm nass in der Stirn. Er machte eine finstere Miene. "Harry hat dich geschlagen. Er hat bis jetzt fast jeden Schnatz gefangen und somit das Spiel beendet. So eine Niete kann er also gar nicht sein."

"Da hast du mehr mitbekommen als wir. Wann war das?", brüllte Noreen, die mich offenbar gegen den Sturm nicht gehört hatte. Draco zuckte mit den Schultern. Doch als er den Mund öffnen wollte, entwich ihm nur ein Keuschen.

Es war, als hätte jemand den Ton abgedreht. Der Wind riss zwar immer noch mit voller Kraft an unseren Umhängen, der Regen prasselte auf uns nieder und auch die Blitze zuckten weiterhin gefährlich am Himmel, aber sämtliche Geräusche fehlten. Eine aufs Trommelfell drückende Stille hatte sich über das Stadion gelegt.

Es war, als wäre absolut jeder in der Bewegung eingefroren. Ich kannte das Gefühl. Haltsuchend klammerte ich mich an den Nächststehenden. Draco. "Kannst du mich hier wegbringen? Bitte?"

Er stellte keine Fragen, sondern legte den Arm um mich und dirigierte mich zum Ausgang. Ich war ihm mehr als dankbar dafür. Möglichst nahe drängte ich mich an ihn. Er zitterte. Nicht vor Kälte, wie mir durchaus bewusst war. Mit Mühe konzentrierte ich mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und das Schreien so gut es ging auszublenden.

Es war fast unmöglich. Aber hier, inmitten all dieser Slytherins, wollte ich nicht zusammenbrechen. Die Schreie drohten mich zu überwältigen. "Nicht meine Kinder... Bitte... Ich tue alles..."

Endlich hatten wir die Tribüne verlassen. "Du dummes Mädchen!" Ich zuckte zusammen. Die Stimme hatte so nah geklungen.

Aber Voldemort war nicht hier. Mit aller Gewalt klammerte ich mich an den einen Fetzen klaren Verstands, der mir sagte, dass nichts davon echt war. Voldemort war nicht hier. Er war tot. Oder wenigstens nur noch ein Schatten seiner Selbst. Stockend kam Draco zum Stehen.

Ich brauchte einen Moment, um den Grund dafür zu erkennen und hielt den Atem an. Vor uns, auf dem gesamten Feld, lauerten sie. Schwarz vermummte Gestalten, unheimlich über dem Boden schwebend, sich an den Emotionen ihrer Opfer nährend. Dementoren. Sie glitten ins Stadion hinein, direkt aufs Quidditchfeld.

"Geh zur Seite ... jetzt!"

"Nicht meine Kinder ... nimm mich", flehte die Frauenstimme. "Töte mich an ihrer Stelle."

Die Stimmen überwältigten mich. Weißer Nebel füllte meinen Kopf und selbst das letzte bisschen klaren Verstandes war verschwunden. Was machte ich hier neben Draco? Wieso brachte ich ihn in Gefahr? Ich musste der Frau helfen. Wir kamen immer näher. Voldemorts grausames Lachen hallte in meinen Ohren wieder. Meine Beine gaben nach und um mich herum wurde alles schwarz.

***

"Wenn du nicht in einer Minute aufwachst, bringe ich dich doch in den Krankenflügel, Caitlyn!" Unruhige Schritte erklangen. "Verdammter Mist."

Allmählich kehrten meine Sinne zurück. Ich fühlte den harten Steinboden unter mir, nur mein Kopf war auf etwas Weiches gebettet. An irgendetwas erinnerte mich das. Doch der Gedanke verschwand zu schnell aus meinem Kopf, als dass ich ihn hätte in Worte fassen können.

Die Stimmen waren verschwunden und durch wohltuende Ruhe ersetzt worden. Nur eine vage bekannte Stimme erklang jetzt wieder. Sie klang verstört. "Dein Vater bringt mich um, wenn er das herausfindet. Verdammt, Caitlyn!"

Ich blinzelte. Einmal, zweimal, bis sich mein Blickfeld langsam schärfte. Ich lag am Boden. Blitze zuckten am Himmel, direkt gefolgt von ohrenbetäubendem Donnergrollen. "Merlin sei Dank! Cat!" Draco tauchte in meinem Blickfeld auf und hockte sich neben mich. "Geht es dir gut? Du bist plötzlich ohnmächtig geworden."

"Wo sind wir?" Umsichtig versuchte ich, mich aufzurichten. Dabei war ich auf den heftigen Schwindelanfall gefasst, der mich auch das letzte Mal ereilt hatte, doch er blieb aus. Ohne Umstände konnte ich mich aufsetzen und den besorgt dreinblickenden Draco beruhigend anlächeln.

"Auf dem Astronomieturm. Ich dachte, der ist dir lieber, als der Krankenflügel." Der Slytherin ließ sich mir gegenüber in den Schneidersitz sinken und beobachtete mich. "Du bist immer noch leichenblass."

Ich zuckte mit den Schultern. "Da draußen waren Dementoren."

"Wieso klappst du immer zusammen, wenn sie in deine Nähe kommen?"

Um seinem bohrenden Blick auszuweichen, ließ ich meinen Blick über den Boden wandern. Meine Augen blieben an einem grünen Slytherinschal, nicht meinem, hängen, der mir wohl als Kopfkissen gedient hatte. Ich nahm ihn hoch und warf ich Draco in den Schoß. "Danke dafür. Er war sehr bequem."

Draco schüttelte den Kopf. "Bitte weich nicht aus. Ich möchte Antworten." Etwas selbstgefällig fügte er hinzu: "Schließlich möchte ich wissen, vor welchem Unheil ich dich rette, wenn ich mich schon dazu herablasse."

Wütend funkelte ich ihn an. So ein Idiot. Aber irgendjemandem musste ich etwas erzählen. Ich war mir nur nicht sicher, ob er dafür der richtige Kandidat war.

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt