"Hier, das kam gerade an", begrüßte Noreen mich, kaum das ich mich an den Slytherintisch gesetzt hatte und hielt mir ein zusammengefaltetes Stück Pergament entgegen.
Rasch griff ich danach und las es. Eine Nachricht von meinem Vater.
Caitlyn,
denk an unser Treffen. 20 Uhr. Und bitte zieh einen warmen Umhang an. Ich warte in der Eingangshalle auf dich.
S. SnapeDankbar nickte ich Noreen zu und blickte hinauf zum Lehrertisch. Mein Vater war nicht da. Was er wohl für heute Abend geplant hatte? Am wahrscheinlichsten war es, dass wir auf die Ländereien gehen würden. Hoffentlich kämen wir dann endlich dazu, uns auszusprechen. Es machte mich fertig, bei ihm im Unterricht zu sitzen und von ihm angeschwiegen zu werden.
"Was war eigentlich mit deinem Irrwicht?", riss mich Pansy aus meinen Gedanken. Aus einem unerklärlichen Grund, war sie noch später als ich und quetschte sich neben mich auf die Bank.
"Sie hat recht, Cat. Dein Irrwicht war komisch", mischte sich noch ein anderer Slytherin ein, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Ging der überhaupt in meine Klasse? Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Beiden nicht die Einzigen waren, die gespannt zuhörten. Viele hatten sich vorgebeugt und starrten mich an.
Wie vorher schon bei Professor Lupin, stellte ich mich jedoch dumm: "Was habt ihr alle mit meinem Irrwicht? Er war doch ganz normal. Ein Irrwicht eben." Betont gleichgültig griff ich nach einem Stück Brot und beschmierte es mit Butter, während mich gefühlt das halbe Haus anstarrte.
"Du warst dein Irrwicht ...", brach schließlich Blaise Zabini das Schweigen.
Gespielt belustigt schüttelte ich den Kopf. "Nicht ich war mein Irrwicht. Hast du denn die Unterschiede nicht bemerkt?" Theatralisch schlug ich mir die Hand vor den Mund: "Das verletzt mich jetzt aber, Blaise. Und ich dachte, ich wäre dir mehr wert."
Der Ausdruck auf seinem Gesicht war Gold wert, doch ich riss mich zusammen und erlaubte mir nicht zu lachen wie die andern Slytherins. Allerdings spürte ich meine Mundwinkel zucken. In einem anderen Haus hätte ich mich mit so einem Spruch vielleicht aus der Affäre ziehen können, aber bei uns Slytherins war das Standard. So dauerte es auch nicht lange, bis wir uns wieder beruhigt hatten und dieses Mal Draco wieder auf das eigentliche Thema zurückkam: "Du weißt, was wir wissen wollen, Cat. Also los. Raus mit der Sprache."
Nacheinander blickte ich jedem Einzelnen so lange in die Augen, bis sie den Blick abwandten und sagte gefährlich leise: "Ich denke ihr sollte es an meiner ausweichenden Antwort bemerkt haben. Ich möchte nicht darüber sprechen, ist das klar? Es ist alleine meine Angelegenheit."
Die restliche Zeit des Abendessens hatte ich meine Ruhe. Keiner wagte es, mich noch einmal auf meinen Irrwicht anzusprechen und bald wandten sich die Gespräche anderen Themen zu. Nur Noreen warf mir immer wieder besorgte Blicke zu, bis ich sie irgendwann anfauchte: "Ich werde nicht sagen, was heute mit meinem Irrwicht war. Auch dir nicht."
Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber sogleich wieder und ein verletzter Ausdruck trat auf ihr Gesicht.
Sofort tat es mir leid. "Ach weißt du was, Reen, sorry, aber ich bin im Moment nicht in der Laune zu quatschen. Wir sehen uns morgen früh." Und ohne einen Blick zurückzuwerfen, stürmte ich aus der Halle.
Meine Augen brannten, aber sie blieben trocken und in diesem Moment war ich darüber echt froh, denn kurz vor mir hatten Harry, Ron und Hermine die Halle verlassen und mit großen Schritten schloss ich zu ihnen auf. "Harry?"
Der Angesprochene hielt inne, drehte sich langsam um und sah mich erstaunt an. "Du redest mit mir?"
"Wieso sollte ich nicht?", fragte ich bissig. Ich gebe zu, fair war die ganze Sache nicht, aber ich war schlecht gelaunt und wer behauptete denn, dass das Leben fair war?
Harry runzelte die Stirn und hob die Hand, als Ron den Mund aufmachte, um mich anzufauchen. "Lass gut sein, Ron. Sie hat dir nichts getan. Und Cat ... Ich dachte einfach ... Na ja, du weißt schon?"
Allmählich ging mir ein Licht auf. "Du meinst also, ich schlage mich auf Dracos Seite?"
Harry achtete nicht auf meinen enttäuschten Ton, sondern erwiderte heftig: "Schon alleine die Tatsache das du ihn Draco nennst! Du bist nicht besser als die anderen Slytherins." Dracos Namen spuckte er voller Verachtung aus.
Zwanghaft unterdrückte ich eine verletzte Miene und starrte ihn stattdessen ausdruckslos an. Mit kalter Stimme antwortete ich: "Wenn du das denkst Harry -" Meine Stimme wurde bei seinem Namen noch einige Nuancen kälter. "- dann brauche ich mich ja auch nicht mehr mit euch abzugeben. Eigentlich wollte ich mich sowieso nur nach Hagrid erkundigen. Er ist die letzten Tage nicht zum Abendessen erschienen und ich dachte, vielleicht könntet ihr mir sagen wieso. Aber da ihr mir eh nur Beleidigungen an den Kopf werft, denke ich, wir können uns das sparen. Schönen Abend noch."
Ich drehte mich auf dem Absatz um und machte mich auf den Weg hinunter in die Kerker. "Frag doch deinen geliebten Draco, er wird dir sicher eine Antwort auf deine Frage geben können", brüllte Ron mir noch nach, doch ich hielt es nicht für nötig, ihm zu antworten. Damit würde ich dem Feuer nur unnötigen Nährstoff bieten. Außerdem hatte ich eh nicht mehr viel Zeit, um mir etwas Wärmeres anzuziehen.
Pünktlich um acht trat ich in die Eingangshalle, wo mein Vater schon auf mich wartete. "Du bist spät."
Zur Sicherheit warf ich noch einmal einen Blick auf die Uhr. "Vater, ich meine mich ja zu erinnern, dass wir acht gesagt hatten. Also bin ich pünktlich."
Ohne auf meinen Einwurf einzugehen oder gar ein Wort zu sagen, drehte er sich um und schritt hinaus aufs Gelände. Hastig beeilte ich mich, ihm zu folgen.
"Vater, ich glaube, ich muss mich entschuldigen", begann ich und warf ihm einen Blick zu. Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer und er blickte stur geradeaus. "Ich hätte nicht in deinem Büro herumschnüffeln sollen. Aber kannst du mir nicht einfach etwas über meine Mutter erzählen? War sie die Frau auf dem Bild?"
"Nicht hier", zischte er. Mehr nicht. Eine Weile liefen wir schweigend nebeneinander her.
Wir bewegten uns in Richtung See. Das Licht aus dem Schloss spiegelte sich in ihm und malte seltsame Bilder auf die Wasseroberfläche, während die Dämmerung sich langsam wie ein schützender Mantel um uns senkte.
Zielstrebig steuerte mein Vater auf eine große Eiche zu, und setzte sich auf eine der dickeren Wurzeln. Etwas steif setzte ich mich neben ihn. Ich war mir unsicher, ob ich mich nochmal entschuldigen sollte, nachdem er mir eben so harsch über den Mund gefahren war.
Nach fünf Minuten der Stille, in denen wir einfach nur wortlos auf den schwarzen See geblickt hatten, fing mein Vater an zu sprechen: "Du solltest keinen Grund haben, dich zu entschuldigen."
Erstaunt sah ich ihn an. "Doch habe ich. Du hast mir immer wieder verboten, dein Büro zu betreten. Und doch habe ich es getan."
"Ich will nicht sagen, dass das in Ordnung war ... Aber ich habe dich alleine zu Hause gelassen, wenige hätten anders gehandelt. Und doch solltest du wissen, wann du dich zurückhalten musst. Es gibt Situationen, in denen musst du entscheiden, was richtig ist. Du selbst musst da manchmal zurückstecken." Er sprach langsam, gewählt und wirkte wie in einer anderen Zeit gefangen.
Leise fragte ich: "Erzählst du mir trotzdem etwas über meine Mutter? War sie es auf dem Bild?"
Neben mir seufzte der Tränkemeister schwer und legte einen Arm um mich. "Ja, sie war es. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt." Eine Weile wirkte es so, als wolle er nicht weitersprechen, bis er immer noch gedankenverloren sagte: "Am besten ich fange von vorne an."
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Unknown Potter I - Secrets of the Past
FanfictionHarry Potter. Jeder kennt die Geschichte des Jungen. Jeder außer Caitlyn, die mit ihm zusammen nach Hogwarts kommt. Doch wieso hat sie von ihrem Vater nie etwas über den 'Jungen der lebt' gehört? Ihr Name ist Caitlyn Snape und sie ist auf der Suche...