3 | 20. Kapitel

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Fröstelnd zog ich mir meinen Umhang enger um die Schultern. Nachdem ich eine verdatterte Noreen, zwei blöde vor sich hin grinsende Gorillas und einen schlafenden Blondschopf zurückgelassen hatte, hatte ich mich so schnell wie möglich auf den Weg zu Hagrid gemacht. Leider war das Ganze schwerer als gedacht gewesen, da Filch vor dem Schlosstor patrouillierte.

Erst mit ein wenig Trickserei meinerseits und einem gut platzierten Verwechslungszauber hatte ich es geschafft, ihn vom Eingang wegzulocken. Wenn mein Vater das herausbekam, würde der Hausmeister mächtig Ärger bekommen. Aber was scherte mich das?

Zügig lief ich über das in das rote Licht der Abendsonne getauchte Gelände. Am Waldrand konnte ich Hagrids Hütte erkennen. Die Tür öffnete sich und drei Gestalten tauchten wie aus dem Nichts auf. Zwar waren sie zu weit weg, als das ich hätte erkennen können, wer sie waren, aber ich hätte wetten können, dass es sich um Harry, Ron und Hermine handelte. Schließlich war es Harry gewesen, der mir den Brief hatte zukommen lassen.

Erneut beschleunigte ich meine Schritte, sodass ich jetzt beinahe rannte. Der Kies knirschte unter meinen Füßen und es dauerte auch nicht lange, bis ich die Hütte erreicht hatte. Kurz bevor ich an die Türe klopfen konnte, ertönte ein Rascheln. Erschrocken fuhr ich herum. "Bei Merlin!", stieß ich hervor. Es war nur Seidenschnabel, der angebunden zwischen den Kürbissen lag und neugierig den Kopf schräg gelegt hatte. Zwar hatte ich eine Heidenangst vor Hippogreifen, doch konnte ich nicht bestreiten, dass diese Tiere außergewöhnlich schön waren. Insofern man auf messerscharfe Schnäbel und noch schärfere Klauen stand. Was ich definitiv nicht tat. Dennoch tat mir das Wesen leid. Wieso musste Draco auch so dumm sein und nicht zuhören? Nicht nur wegen Seidenschnabel, sondern auch wegen ihm. Er hätte dabei draufgehen können.

Ich schüttelte den Kopf und riss meinen Blick von dem Wesen los, um zögernd an die dicke Eichentür zu klopfen. Augenblicklich hörte ich in der Hütte etwas zerschellen. "We.Wer isn d.da?", erklang eine Stimme, welche ich nur mit Mühe und logischem Denken Hagrid zuordnen konnte.

"Ich bins", antwortete ich zurückhaltend. Erklärend fügte ich ein 'Caitlyn' hinzu.

Ein erneutes Rumsen ertönte aus der Hütte, bevor die Tür aufging. "Caitlyn, was machst du denn hier?", begrüßte mich Harry stirnrunzelnd, um fast augenblicklich beiseite zu treten und mich hereinzulassen.

"Ich habe deinen Brief bekommen." Fragend sah ich ihn an. Er hatte mich darum gebeten zu kommen, müsste ihm der Grund dann nicht eigentlich klar sein? Es sei denn ...

"Der Brief kam von mir", sagte Hermine wie zur Bestätigung. Sie stand vor einem übergroßen Regal und mühte sich ab, an eine der Teekannen zu kommen. "Ich dachte, es wäre eine gute Idee ...?"

"Du dachtest, es wäre eine gute Idee?" Mein Blick wanderte in die andere Ecke der Hütte, in der Ron neben einem zusammengesunkenen Häuflein Elend namens Hagrid saß. Seine Stimme triefte vor Ironie. "Wir sind doch überhaupt nur wegen einer dieser verlogenen Schlangen in dieser Lage. Was soll es Hagrid bringen, wenn eine von ihnen jetzt auch noch hier auftaucht, um mit dem Zauberstab in der Wunde zu bohren?"

Verärgert kniff ich die Augen zusammen, marschierte zu ihnen hinüber in die Ecke und ließ mich provokant ruhig auf den Stuhl gegenüber von Hagrid sinken. "Meine Motivation heute Abend hierher zu kommen, war eher der Wunsch, dir mein Beileid auszusprechen, Hagrid. Es tut mir wirklich leid, was mit Draco und Seidenschnabel passiert ist. Nicht alle Slytherins stehen hinter Draco und seinem Entschluss, dir deswegen die Hölle heiß zu machen." Die letzte Aussage war zwar gelogen, ich wusste so gut wie keinen Slytherin, der nicht hinter Draco stand oder dem diese gesamte Auseinandersetzung egal war, doch Hagrid schien es zu reichen.

Mit einem Aufjaulen warf er sich nach vorne und fiel mir um den Hals. Keine lustige Angewohnheit bei einem Halbriesen. Unbeholfen tätschelte ich ihm die Schulter, während ich einen hilfesuchenden Blick zu Harry und Hermine warf.

"Es hat keinen Zweck sich jetzt darüber zu Streiten, Ron. Dasselbe gilt für dich, Cat." Der Schwarzhaarige warf mir einen warnenden Blick zu, dann setzte er sich neben Hagrid und befreite mich aus seinem Klammergriff. "Kann man denn gar nichts machen, Hagrid? Dumbledore -"

"Er hats doch versucht", schluchzte der Wildhüter. "Aber er hat nicht die Macht, das Urteil zu ändern. Er hat den Leuten vom Ausschuss erklärt, dass Seidenschnabel in Ordnung ist, aber die haben doch Angst ... ihr kennt Lucius Malfoy ... der hat sie bedroht, vermut ich mal ... und der Henker, Macnair, ist ein alter Kumpel von Malfoy ... aber es wird schnell und sauber gehen ... und ich werd bei ihm sein ... genau wie Dumbledore."

Hermine, die es nun endlich geschafft hatte, den Krug zu erreichen, stieß einen erstickten Schluchzer aus. "Wir bleiben bei dir, Hagrid."

Vehement schüttelte Hagrid seinen zottigen Kopf. "Nein." Er schniefte. "Ich will nich, dass ihr zuseht. Außerdem würdet ihr Ärger bekommen, wenn Fudge und Dumbledore euch hier unten finden."

Stumme Tränen rannen an Hermines Wangen entlang und auch ich biss mir auf die Lippen. Wie konnte Draco? Hagrid tat mir leid. Schweigen trat ein, nur unterbrochen von dem ein oder anderen Schluchzen Hagrids.

Plötzlich schrie Hermine auf. "Ron! Ich – das gibt's doch nicht – es ist Krätze!"

Ich hob den Kopf und blickte zu Ron. Er erinnerte stark an einen Fisch auf dem Trockenen, wie er da saß und den Mund immer wieder öffnete und schloss. "Was – was redest du?"

Hermine trug die Kanne zu uns hinüber und stellte sie auf den Kopf. Quiekend und mit den kleinen Beinchen strampelnd, kam eben jene Ratte auf den Tisch gekullert, die Ron schon damals im Hogwartsexpress bei sich getragen hatte – die Ratte, die seiner eigenen Aussage nach seinem älteren Bruder Percy gehört hatte. "Krätze! Was machst du denn hier?"

Ron griff nach dem Nagetier, doch Krätze wand sich verzweifelt und versuchte zu fliehen. "Ist schon gut. Keine Katzen. Niemand hier will dir etwas antun, Krätze! Beruhig dich!"

Plötzlich stand Hagrid auf und spähte durchs Fenster. Sein Gesicht verlor jegliche Farbe und ein erneutes Schluchzen entrang sich seiner Kehle. "Sie kommen." Ich folgte seinem Blick. In der Ferne kamen ein paar Männer die Schlosstreppe herunter. An der Spitze konnte ich Albus Dumbledore laufen sehen. Denn Rest kannte ich nicht. "Ihr müsst gehen. Sie dürfen euch hier nicht finden."

Die drei Gryffindors kramten ihre Sachen zusammen und liefen mit Hagrid zur Hintertür. "Kommst du, Cat?"

Abwesend nickte ich. Ron warf mir einen giftigen Blick zu, während Harry den Umhang um sie drei legte. Etwas unschlüssig, wie ich ungesehen zurück ins Schloss gelangen konnte, blieb ich neben Hagrid stehen. "Na mach schon, Cat." Ungläubig sah ich Hermine an.

Doch als jemand vorne an die Hüttentür pochte, drängte auch Hagrid. "Mach schon. Und lass dir von Ron nichts sagen", fügte er leiser hinzu. "Du bist anders als die anderen Slytherins, Kleines."

Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande und warf noch einen letzten Blick auf Seidenschnabel. Als würde er spüren, dass etwas am Gange war, warf er den Kopf hin und her und tänzelte unruhig auf der Stelle. Wie ein Pferd, was er wohl auch zur Hälfte war. Unterdessen versuchten die drei Gryffindors verzweifelt, Hagrid doch noch davon zu überzeugen, dass sie bleiben dürften. Mit einem energischen Kopfschütteln machte Hagrid jedoch seinen Standpunkt deutlich. "Nein. Ich will nicht, dass ihr bleibt. Geht jetzt."

Vollkommen still schlichen wir zu viert den Hang hinauf zurück zum Schloss. Das Rubinrot des Sonnenuntergangs war einem stetigen Grau gewichen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es vollständig dunkel war. "Kommt schon. Ich will das nicht hören." Hermine schluchzte wieder.

"Ich kann nicht. Es ist Krätze!" Schrilles Quieken ertönte und Ron trat mir, in dem verzweifelten Versuch Krätze bei sich zu behalten, unbeabsichtigt auf den Fuß. "Verdammte Ratte. Ich bin es doch. Ron."

Männerstimmen erklangen hinter uns. Sie wurden lauter und eine Tür fiel ins Schloss. "Oh nein", hauchte Hermine verzweifelt. "Sie werden es wirklich tun."

Als es plötzlich unheimlich still wurde, krallte ich mich haltsuchend an dem Nächststehenden fest. Es war Harry. Ein Surren erklang und dann der dumpfe Aufschlag einer Axt. Hermine taumelte leicht gegen mich. "Sie haben es wirklich getan. Ich k...kann's nicht fassen."

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