Ich schmeckte etwas seltsam Bitteres auf meiner Zunge. Rein aus Reflex schluckte ich. Wie flüssiges Feuer rann der Trank meine Kehle hinunter und lockerte nach und nach meine verkrampften Muskeln. Erst meinen Oberkörper und dann ganz langsam, Stück für Stück, meine Arme und Beine.
Nach so langer Zeit spürte ich endlich wieder etwas. Ich lag auf etwas Weichem. Irgendjemand strich mir unentwegt durchs Haar, hielt meine Hand und flüsterte etwas. Aber ich war noch zu benommen, als dass ich hätte sagen können, wer es war. Mit meinen langsam wiedererwachenden Sinnen untersuchte ich meine Umgebung.
Das Murmeln wurde deutlicher - mein Vater. Es roch klinisch. Also lag ich im Krankenflügel. Eine andere Sache machte mir jedoch Sorgen. Ich spürte, dass ich meine Augen geöffnet hatte, sehen konnte ich trotzdem nichts. Hastig blinzelte ich und sehr langsam kehrte mein Sehsinn zurück.
Erst erkannte ich nur Licht und verschwommene Umrisse. Noch dreimal geblinzelt klärte sich mein Blick mehr und mehr, so dass ich meine Vermutung bestätigen konnte. Auf der Bettkante saß mein Vater. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, doch er lächelte, als er sah, dass ich wach war. Auf der anderen Seite stand Madam Pomfrey, die sich mit einem kurzen Blick auf mich versicherte, dass es mir gut ging und dann rasch zum nächsten Bett eilte.
"Wie fühlst du dich, Caitlyn?" Ich drehte meinen Kopf wieder, um meinen Vater anzusehen. Er hielt immer noch meine Hand und musterte mich besorgt.
"Ich -", wollte ich sagen, meine Stimme war aber leider noch so gut wie gar nicht vorhanden. Ich räusperte mich und setzte erneut an. "Um ehrlich zu sein, fühle ich mich großartig. Was ist überhaupt passiert?"
Besorgt runzelte der Zauberer die Stirn. "Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?"
Angestrengt dachte ich nach. Was war das Letzte, woran ich mich erinnerte? "Ich weiß noch, wie ich mich im Gemeinschaftsraum von Noreen verabschiedet habe, um zu dir ins Büro zu kommen." Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken. Ein wenig leiser fuhr ich fort: "... und ein Paar gelber Augen", sagte ich vorsichtig, während ich das Mienenspiel meines Vaters genauestens beobachtete. Es half nichts. Er hatte sich wie immer perfekt im Griff und verzog keine Miene. "Weißt du, was das war, Vater?"
"Du kennst die Antwort. Das Wappentier von Slytherin ist -"
"- eine Schlange." Vollendete ich die Antwort meines Vaters. "Wie sollte eine Schlange so einen Schaden anrichten können?"
"Es gibt viele magische Tierwesen. Unter anderem den Basilisken. Eine sehr große Schlange, deren Blick töten kann", sagte mein Vater so gelassen, als wäre es vollkommen normal, so ein Vieh im Schloss zu haben.
Ich dagegen zuckte vor Schreck zusammen. Eine Schlange, die mit ihrem Blick töten konnte? "Die bewegt sich frei hier im Schloss?" Meine Stimme zitterte leicht. Ich hatte keine Lust, erneut versteinert zu werden. "Wieso war ich dann eigentlich nur versteinert? Ich hätte tot sein müssen!"
Beruhigend nahm mein Vater meine Hand wieder in seine. "Du bist es nicht, weil du nur ein Spiegelbild der Augen gesehen hast. Und bei Merlin, ich bin froh darüber! Verschwende deine Gedanken bitte nicht an das, was hätte passieren können." Bei diesen Worten huschte ein leichter Schmerz über sein Gesicht. "Sondern sieh in die Zukunft. Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Und der Basilisk ist tot. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen."
"Sicher?", fragte ich leise. Ein zögernder Ausdruck huschte über sein Gesicht. Forschend sah ich ihn an. "Was ist?"
Mein Vater seufzte. "Potter und Weasley." Das war jetzt wirklich eine vollkommene Erklärung. Auf meinen fragenden Blick seufzte mein Vater erneut. "Weasleys Schwester ist entführt worden. Potter musste den Helden spielen und ist sie retten gegangen. Der vollkommene Potter."
Ein wenig genervt verdrehte ich die Augen. Manchmal könnte ich ihm echt den Hals umdrehen. "Was ist sonst noch passiert?"
"In zwei Stunden wird ein Fest zu seinen Ehren gefeiert. Als hätte er nicht schon Aufmerksamkeit genug." Abfälligkeit lag in seiner Stimme. Umso mehr überraschte mich seine nächste Frage: "Möchtest du hin?"
Zusammen mit den anderen Versteinerungsopfern verließ ich wenig später den Krankenflügel, nachdem die Krankenschwester jeden von uns noch einmal genauestens auf bleibende Schäden untersucht hatte. Ich hoffte, das würde nicht zur Gewohnheit, jedes Schuljahr bei ihr zu landen. Das war etwas, worauf ich echt verzichten konnte.
Etwa auf der Hälfte der großen Marmortreppe drang lautes Stimmengewirr an unsere Ohren. Die Feier war in vollem Gange. Ich warf Hermine, die neben mir lief, einen knappen Blick zu. Sie strahlte von einem Ohr zum anderen. Ausnahmsweise erlaubte ich mir, meine Maske fallen zu lassen und es ihr gleich zu tun. Es machte eh keinen Unterschied mehr. Meine ausdruckslose Miene hatte ich in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt.
Am Eingang der großen Halle trennten Hermine und ich uns. Sie rannte so schnell es ging auf Harry und Ron zu, während ich ihnen nur einen kurzen Blick zuwarf und mich dann gen Slytherintisch wandte.
Ich hatte keine zwei Schritte Richtung Tisch getan, schon wurde ich fast von einem Mädchen mit blonden Haaren umgerannt. Hastig schlang sie die Arme um meinen Hals, wobei sie mich fast erwürgte. "Noreen ... keine ... Luft!", brachte ich mühsam hervor und der Blondschopf löste sich von mir.
Tief holte ich Luft, bevor ich vor Schreck zusammenzuckte. Noreen hatte sich auf mich gestürzt und traktierte mich mit mehr oder weniger harten Schlägen. "Wie konntest du mir das antun? Du sagtest du wärst sicher." Tränen liefen über ihr inzwischen vollkommen verheiltes Gesicht und unschlüssig hörte ich auf mich zu wehren. "Reen, es tut mir ..."
"Sag nicht das es dir leidtut. Du hättest tot sein können!" Wieder zog sie mich in eine würgende Umarmung, aus der mich erst der Schulleiter rettete, indem er aufstand und seine Rede begann.
Das Fest war wunderbar gewesen. Glückstrahlend verließen wir erst gegen Morgen die große Halle. Die Prüfungen waren abgesagt worden und vor uns lagen noch einige wenige Wochen Schule, an deren Ende ich wie letztes Jahr noch einige Tage in Hogwarts bleiben und dann zusammen mit meinem Vater nach Hause apparieren würde.
Direkt vor der großen Halle wurde ich von Malfoy aufgehalten. Ausnahmsweise ohne seine Kumpanen fragte er mich, ob er kurz mit mir reden könne. "Geh schon mal vor", sagte ich zu Noreen, die mir einen langen Blick zuwarf, sich dann aber umdrehte und den anderen Slytherins folgte.
Abwartend drehte ich mich zu Malfoy um, der seltsam verlegen vom einem Fuß auf den anderen trat. "Also?", fragte ich ungeduldig. "Ich hatte nicht vor, hier Wurzeln zu schlagen."
"Ja, ich bin ...", setzte er an, stoppte.
"Was bist du?" Ich wollte dieses Gespräch so rasch wie möglich hinter mich bringen. Scheinbar schien er das zu spüren, denn er holte tief Luft und als wolle er sich davon abhalten, einen Rückzieher zu machen, sagte er ohne noch einmal Luft zu holen: "Ich bin froh, dass es dir gut geht und wollte fragen - Friede?" Er streckte mir seine Hand entgegen.
Konsterniert rührte ich mich nicht vom Fleck. Was immer ich erwartet hatte, es war sicher nicht das.
Gerade als er die Hand zurückziehen wollte, traf ich meine Entscheidung und nahm seine Hand. "Friede!"
Wir würden zwar wahrscheinlich keine Freunde werden, aber Waffenstillstand war ein guter Anfang.
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Unknown Potter I - Secrets of the Past
FanfictionHarry Potter. Jeder kennt die Geschichte des Jungen. Jeder außer Caitlyn, die mit ihm zusammen nach Hogwarts kommt. Doch wieso hat sie von ihrem Vater nie etwas über den 'Jungen der lebt' gehört? Ihr Name ist Caitlyn Snape und sie ist auf der Suche...