4 | 28. Kapitel

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Sirius hatte nicht gelogen. Ich schaffte es dank der Abkürzung durch den Honigtopf rechtzeitig zurück ins Schloss und hinunter in die Kerker. Wenn es sich auch schwierig gestaltete, das Ganze unentdeckt zu erledigen, da nicht nur die Besitzer des Süßwarenladens früh zurückgekehrt waren, sondern auch mehr Lehrer als üblich Aufsicht zu schieben schienen. Beinahe wäre ich ein zweites Mal an diesem Tag von Professor McGonagall erwischt worden, die mich sicher kein weiteres Mal so leicht hätte entkommen lassen.

Direkt am nächsten Morgen schickte ich mithilfe meiner Eule Felyx einen Brief an Sirius, in dem ich ihm mitteilte, dass alles gut geklappt hatte und ich mich freuen würde, ihn bald aufs Neue besuchen zu können. Zusätzlich band ich ihr ein Päckchen mit Proviant ans Bein.

Felyx, die glücklich wirkte, ihren Job als meine Posteule wieder anvertraut bekommen zu haben, brachte mir in den nächsten Wochen und Monaten regelmäßig kürzere oder längere Briefe von Sirius. Und auch wenn ich darauf achtete, jedes dieser Schriftstücke direkt nach dem Lesen ins Kaminfeuer zu werfen, erfüllte mich in meinem Innern eine Wärme, die ich so nicht kannte. Ich verbrachte den Großteil meiner Zeit mit Noreen und einigen der anderen Slytherins, auch wenn mein Verhältnis zu Draco sich ein wenig distanziert hatte, was ihnen natürlich nicht verborgen blieb. Auf die Frage meiner besten Freundin, was denn vorgefallen wäre, antwortete ich nur vage mit: "Das wird sich hoffentlich bald klären."

Ein kleiner Teil von mir hoffte das tatsächlich. Allerdings hatte ich höllisch viel damit zu tun, mich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten, die unaufhaltsam näherrückten. In Zaubertränke alleine mithilfe der Bücher aus der Bibliothek. Zwar hatte ich darüber nachgedacht, den Unterricht auch in diesem Fach wieder zu besuchen, entschied mich jedoch kurzerhand dagegen. Das Verhältnis zu Severus Snape war im Moment einfach zu zerrüttet.

Was das Quidditchtraining anbelangte, beschlossen wir, es eine Woche vor der dritten Aufgabe und damit zwei Wochen vor Ende des Schuljahrs endgültig auszusetzen. Ich wurde als, sehr wahrscheinliche, neue Kapitänin des Teams gefeiert und wir verbrachten den gesamten Abend gemeinsam auf dem Astronomieturm.

Alles in allem hätte ich glücklich sein können, dachte ich, während ich mich mit einer Flasche Butterbier ans Geländer des Turms lehnte, den kühlen Wind im Rücken spürend. Die Luft roch nach Sommer und ich glaubte, die anstehenden Prüfungen eigentlich ganz gut bewältigen zu können. Ich nahm einen großen Schluck aus meiner Flasche. Die Flüssigkeit rann mir kühl und klar die Kehle hinunter und ich drehte mich langsam um, sodass ich mich auf der Brüstung abstützen konnte.

Von hinten schlang sich ein Arm halb um meine Hüften und Adrian tauchte neben mir auf. Ich roch eine leichte Alkoholfahne, die mich allerdings nicht sonderlich scherte. Er war noch nüchtern genug, um geradeaus gehen zu können, wenn seine Art eventuell heute Abend auch etwas stürmischer war. "Worüber denkst du so angestrengt nach? Kapitän Snape?"

Genau das war der Wermutstropfen in meinem Leben. Ohne es zu ahnen, hatte er den Nagel mit Anlauf zielsicher auf den Kopf getroffen. Niemand, mit Ausnahme von drei Menschen, wusste, wer ich wirklich war. Mit zweien davon sprach ich momentan kaum und der dritte war ein gesuchter Verbrecher.

Bei allen anderen kam ich seit meinem ersten Besuch bei Sirius noch dazu nicht umhin, mich zu fragen, wer vielleicht etwas ahnte. Dumbledore auf jeden Fall, da war ich mir sicher. Aber was war mit Hagrid? Harry, Ron und Hermine? Wobei ich das zumindest bei ihnen für ausgeschlossen hielt. War ich doch immer ausgesprochen vorsichtig gewesen, wie ich mich in ihrer Nähe ausdrückte. Und da war auch noch Professor McGonagall. Ihre sonst so strengen Blicke hatten mich in letzter Zeit eher mit Besorgnis gemustert und nach dem Unterricht fürchtete ich nicht nur einmal, von ihr angesprochen zu werden. Glücklicherweise jedoch unbegründet.

"Hey – Jäger an neuen Kapitän – alles okay bei dir?" Seine Hand mit der Flasche Alkohol wedelte vor meiner Nase herum und ich griff hastig danach, da er sich für meinen Geschmack dafür gefährlich weit über das Geländer lehnte.

"Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da tust?" Energisch schob ich ihn von der Brüstung weg, weiter auf die Plattform. "Da geht es ordentlich runter und ich habe nicht die geringste Lust, dich nachher vom Boden aufsammeln zu müssen."

Wohlwollend strubbelte er mir durchs Haar, was ich mit einem bösen Blick quittierte. "Ach, Cat. Beruhig dich. Ich weiß, wo meine Grenzen liegen. Und sieh mal, ich kann immer noch tanzen." Um seine Worte zu bestätigen, löste er sich von mir und begann eine Art Stepptanz im Kreis um mich herum. "Willst du nicht mittanzen?", lud er mich freudestrahlend ein und zog gleichzeitig Graham und Flint auf die Beine. "Kommt schon."

"Er hat eindeutig ein wenig mehr über die Stränge geschlagen, als er zugeben möchte."

Ich wandte den Kopf und blickte in Dracos sturmgraue Augen. Sein angenehmer Geruch nach Pfefferminz umwehte mich und ich hatte Mühe, mein Lächeln zu unterdrücken. "Hat er. Ich allerdings nicht. Im Gegensatz zu ihm bin ich durchaus noch in der Lage, mein Gehirn zu benutzen. Und das fragt mich gerade ziemlich deutlich, wieso der gnädige Mr. Malfoy auf einmal wieder bereit ist, mit mir zu sprechen."

"Manchmal bin eben auch ich ein Feigling", gab er leise zu. Ich erwiderte nichts darauf. Hätte ich lügen sollen und ihm sagen, es hätte mich nicht gekümmert? Es hätte nicht an mir genagt, dass er seit Weihnachten kaum mehr mit mir gesprochen hatte?

Schweigend beobachteten wir Adrian, wie er den Rest des Teams mehr oder weniger zum Tanzen veranlasste und selbst Flint mehr schlecht als recht und ziemlich steif anfing, das Tanzbein zu schwingen. Es war lustig die normalerweise doch recht auf Etikette bedachten Slytherins dabei zu beobachten, wie sie ebendiese vollkommen über Bord warfen. Irgendwann schoben sich sanft Finger zwischen meine und schlossen sich zögernd. Ich vermied es ihn anzusehen, löste meine Hand aber nicht aus seiner.

Eine Woche später, am Morgen vor der dritten Aufgabe, erhielt ich morgens früh einen Brief, der meine Aufregung in ganz neue Höhen trieb. Ich hatte die letzte Nacht kaum geschlafen, sondern mich die gesamte Nacht nur von der einen auf die andere Seite gewälzt. Meine Aufregung war beinahe so hoch, als würde ich selbst Champion sein. In Wahrheit quälten mich allerdings nur die Sorgen. Die Sorgen um meinen Bruder.

Dieser Brief jetzt machte es nicht besser. "Aus dem gemeinsamen Tag am See wird nichts."

Noreen runzelte auf meine Worte die Stirn. "Was ist los? Ich dachte, du wolltest deine Zweisamkeit mit Draco genießen?" Anzüglich wackelte sie mit den Augenbrauen, was mir nur ein finsteres Kopfschütteln entlockte. Tatsächlich waren wir seit dem Tag auf dem Astronomieturm sozusagen ein Paar, wenn sich dieser Umstand auch maximal aufs Händchenhalten beschränkte. Ausgesprochen hatten wir uns noch nicht.

"Wir treffen uns nachher bei der dritten Aufgabe, okay? Gibst du Draco Bescheid?"

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt