4 | 22. Kapitel

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Am nächsten Morgen beim Frühstück hielt ich mich dicht an Draco, in der Hoffnung, so meine Ruhe vor anderen Schülern zu haben, insbesondere vor den Gryffindors. Mein Plan ging auch auf, zumindest bis wir die große Halle verließen. Eilige Schritte ertönten hinter uns: "Cathy!"

Verzweifelt schloss ich die Augen. Es gab nur einen, der mich so nannte. Den einen Gryffindor, den ich am wenigsten sehen wollte. Wie sollte ich ihm auch gegenübertreten? 'Hi Harry, ich bins, deine totgeglaubte Schwester', schied schon aus Prinzip aus. Aber konnte ich so tun, als wäre alles wie vorher? Als wäre ich immer noch Caitlyn Snape?

Sanft drückte ich Dracos Hand in meiner – keine Ahnung, wieso ich sie momentan immer mit meiner verschränkt hatte – um ihm zu bedeuten, anzuhalten. "Es hat keinen Sinn, es aufzuschieben", flüsterte ich resigniert. Ein Hauch Unsicherheit schwang in meiner Stimme mit. War ich wirklich bereit?

Die anderen Slytherins waren schon längst durch die Tür zu den Kerkern verschwunden, als Draco sich zu mir umwandte. Sein Gesicht war ausdruckslos, während er mir leise ins Ohr raunte: "Ich bin stolz auf dich, Mariah." Bei der Erwähnung meines richtigen Namens zuckte ich heftig zusammen, er gab mir jedoch keine Chance zu protestieren, sondern fragte rasch: "Sehen wir uns in Zaubertränke?"

"Ich denke nicht." Mit einem letzten, bedeutungsschweren Blick in seine sturmgrauen Augen wandte ich mich von ihm ab, Harry zu, meine Finger langsam aus seinen gleiten lassend.

"Ihr seid also jetzt zusammen?" Skeptisch sah Harry ihm hinterher, bevor sein Blick erneut auf mich fiel. Jetzt, da ich um unsere Verwandtschaft wusste, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die gleichen grünen Augen wie die meiner Mutter, unserer Mutter und ansonsten offenbar das exakte Ebenbild seines – unseres Vaters. Unser Quidditchtalent, was bei ihm eventuell ein wenig mehr ausgeprägt war, als bei mir. Es hatte so viele Hinweise gegeben.

"Mein Bruder." Zaghaft sprach ich das Wort aus, testete, wie es sich auf meiner Zunge anfühlte. Es war seltsam.

"Was?"

Die plötzliche Frage riss mich unsanft aus meinen Gedanken und ich benötigte einen Augenblick, um mich zu sammeln. "Ich bin nicht mit Draco zusammen." Das "Was?" ignorierte ich. "Meinst du, du könntest mir deine Eule leihen?", fragte ich, in der Hoffnung, so vom eigentlichen Thema abzulenken und zu meinem Glück funktionierte es.

"Hedwig?" Er trat neben mich und bedeutete mir, ihm zu folgen. Zusammen schritten wir auf den Innenhof hinaus, wobei er meine innere Angespanntheit nicht bemerkte, die von der Angst herrührte, er könne doch etwas gehört haben. "Wieso? Du hast doch selbst eine Eule?"

Betont gelassen zuckte ich mit den Schultern. Tatsache war, dass Felyx meinen Brief nicht zustellen konnte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie den Empfänger suchen sollte, Hedwig hingegen hatte ihm schon den ein oder anderen Brief zugestellt. Harry hatte es mir selbst erzählt. "Es wäre wirklich nett von dir, bitte!"

Zu meinem Glück stellte er keine weiteren Fragen, sondern nickte zustimmend. "Du musst allerdings warten, sie ist noch unterwegs. Wenn sie wieder da ist, schicke ich sie sehr gerne zu dir. Einverstanden?"

Leise bedankte ich mich und kehrte ihm den Rücken zu, um mich auf den Weg zurück ins Schloss zu machen. Über die Schulter blickend sagte ich: "An deiner Stelle würde ich mich beeilen. Mein ..." Ich biss mir auf die Lippen. Ursprünglich hatte ich sagen wollen, dass mein Vater nicht gerne wartete, doch mit Mühe und Not schaffte ich es, den Satz noch rasch abzuändern: "... du bist zu spät dran für Zaubertränke."

"Kommst du nicht mit, Cathy?" Aufs Neue dieser verfluchte Spitzname. Er berührte etwas tief in mir drin und da er der einzige war, der ihn gebrauchte, schaffte es zwischen uns noch einmal eine ganz andere Beziehung. Zumindest fühlte es sich so an.

"Ich habe beschlossen, mir für heute mal frei zu nehmen", erwiderte ich mit einem gekünstelten Lachen und ließ in mit raschen Schritten hinter mir.

Es war nicht gelogen gewesen. Ich hatte tatsächlich nicht vor, in nächster Zeit Zaubertränke zu besuchen, was nicht hieß, dass ich den Stoff nicht lernen würde. Draco oder Noreen würden mir sicherlich gerne ihre Notizen borgen. Nur dem Meister der Zaubertränke würde ich vorerst aus dem Weg gehen.

Mit einem dumpfen Knall warf ich meine Tasche auf einen der Tische in der Bibliothek, wofür ich gleich einen tadelnden Blick von Madam Pince kassierte. Außer mir waren nur ein paar wenige Oberstufenschüler anwesend, die ausschließlich aus Ravenclaw kamen und bereits fleißig für ihre UTZs lernten. Ich selbst verschanzte mich hinter einem großen Wälzer "Die Geschichte von Hogwarts" und nahm meine Feder und ein Stück Pergament aus der Tasche.

Nun kam die weitaus schwierigere Frage: Was sollte ich schreiben? Wie viel sollte ich verraten? Es dauerte lange, bis ich die ersten Sätze zu Papier gebracht hatte und wirklich zufrieden war ich damit nicht. Wieder und wieder strich ich Wörter durch, ersetzte sie durch andere und unzählige Male ließ ich das gesamte Papier in Flammen aufgehen. Ein Wunder, dass Madam Pince mit ihrer überempfindlichen Nase nichts von dem leisen Brandgeruch mitbekam – sie hätte mich achtkantig rausgeschmissen.

Irgendwann, es waren bereits rund zwei Stunden vergangen, die Schulklingel hatte längst geschellt, legte ich mit einem endgültigen Seufzen die Feder neben mich auf den Tisch und las mir das Schriftstück noch einmal durch.

Da ich keine Ahnung habe, wie ich dich anreden soll, lasse ich das jetzt einfach mal weg. Ich möchte nicht riskieren, dass ein Dritter die Eule abfängt, den Brief liest und daraus die richtigen Schlüsse ziehen könnte.

Mein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen. Du hattest recht mit deiner Vermutung. Zumindest denke ich das, da mir deine Worte von letztem Jahr nicht mehr aus dem Sinn gehen wollen. Ich würde mich darüber jedoch liebend gerne mit dir persönlich unterhalten, ohne, dass irgendjemand davon Wind bekommt. Ich habe so viele ungeklärte Fragen und außerdem würde ich sehr gerne etwas mehr über, na ja, du weißt schon, erfahren. Ich möchte mit jemandem reden, der mich versteht, denn hier im Schloss kenne ich keine geeignete Person.

M. E. P. aka C. S.

Einigermaßen zufrieden damit, tippte ich den Brief kurz mit meinem Zauberstab an, um ihn zu versiegeln, und stopfte ihn in ein Seitenfach meiner Schultasche. Feder und Tinte flogen hinterher und mit dem Gefühl, zumindest einen Teil des Gewichts auf meinen Schultern losgeworden zu sein, verließ ich meinen Arbeitsplatz.

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