3 | 16. Kapitel

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Früh am ersten Ferientag verabschiedete ich mich von Noreen und fuhr zusammen mit Draco nach London. Am Bahnhof erwartete uns eine hochgewachsene Frau, augenscheinliche Dracos Mutter, die mich etwas steif begrüßte und Draco einen Kuss auf die Wange gab, bevor sie uns links und rechts unterhakte, um mit uns zusammen zu einer großen Villa zu apparieren.

Das Gebäude war riesig und ich gab mir die größte Mühe leise zu gehen, da jeder Schritt tausendfach von den Wänden widerzuhallen schien. Eigentlich hätte ich mich angesichts der düsteren Farben, der grün und silber Töne wohlfühlen müssen, doch ich tat es nicht. Ich fühlte mich wie in einem Gefängnis und dieser Eindruck wurde durch die drei Meter hohen Hecken und das große, schwere Eisentor, welche das gesamte Grundstück umgaben, nur noch verstärkt. Zusätzlich strahlte das Haus eine unnatürliche Stille aus.

Nicht besser wurde dies beim Abendessen – obwohl das Essen mindestens so deliziös war, wie das in Hogwarts. Furchtbar angespannt hockte ich auf der Kante meines Stuhls und bemühte mich um meine besten Tischmanieren.

"Draco erzählte, du seiest ebenfalls in Slytherin?" Die klare herrische Stimme von Dracos Vater, der sich mir als Lucius Malfoy vorgestellt hatte (nicht, dass das nötig gewesen wäre, kannte ihn doch ohnehin schon fast jeder), zerschnitt die Stille so plötzlich, dass ich innerlich zusammenzuckte und beinahe meine Gabel fallen ließ.

Mich auf meine gute Erziehung besinnend und nicht wie ich es sonst getan hätte, nur mit einem leichten Neigen des Kopfes, antwortete ich: "Natürlich, Mister Malfoy. Nichts Anderes hätte ich mir gewünscht."

"Und dein Blutstatus?" Seine kalten grauen Augen musterten mich.

"Lucius", empörte sich Narzissa halbherzig, die mir nach einigem Zögern das Du angeboten hatte. Draco aß in bester Manie weiter.

"Reinblut, Mister Malfoy." Weiterhin hielt ich meine Miene gleichgültig. Es war nur halb gelogen. Meine Mutter war, soweit ich es wusste, Halbblut gewesen – als was zählte ich dann? Dreiviertel Blut?

Offensichtlich zufrieden mit meiner Antwort wandte sich der blonde Zauberer wieder seinem Essen zu. Auch ich bemühte mich, ruhig weiter zu speisen, was Dank meiner leicht zitternden Hände jedoch verdammt schwer war. Als mir schließlich sogar ein kleines Stückchen Fleisch von der Gabel rutschte und, Soße verspritzend, wieder auf meinem Teller landete, schien mein Gesicht vor Scham in Flammen zu stehen.

Draco mir gegenüber grinste süffisant und schob sich in aller Seelenruhe ein riesiges Salatblatt in den Mund. Wobei er es seltsamerweise schaffte, weiterhin elegant auszusehen. Mistkerl! Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und bemühte mich, etwaige Soßenspritzer unauffällig mit der Serviette vom blank polierten Ebenholztisch zu wischen. Dracos Grinsen wurde, soweit es möglich war, noch breiter. Seine Eltern hatten nichts bemerkt. Merlin sei Dank.

Pünktlich um neun Uhr, zum volltönigen Glockenschlag der Standuhr in der Ecke, hob Mister Malfoy das Mal auf und bat Draco und mich, ihn noch auf einen kurzen Drink mit ins angrenzende Kaminzimmer zu begleiten.

"Aber Mister Malfoy, wir dürfen keinen Alkohol ...", setzte ich schwach an. Großartige Lust hatte ich nicht, mich noch länger mit ihm unterhalten zu müssen.

Ich wurde jedoch mitten im Satz durch eine harsche Handbewegung unterbrochen: "Habe ich irgendetwas von Alkohol gesagt?"

"Nein, natürlich nicht, Mister Malfoy. Ich wollte es nur noch einmal betont haben." Diese dauernde Arschkriecherei war so überhaupt nicht meine Art, doch leider war sie in den alten Zaubererfamilien Standard, wobei der feine Ausdruck hierfür Etikette hieß. Resigniert folgte ich den beiden Malfoy-Herren in ein gemütliches Kaminzimmer. Auch hier schien jedes Möbelstück 'Geld und Luxus' zu schreien und natürlich war alles in den Slytherinfarben, grün und silber, gehalten.

Lucius Malfoy trat an die schmale Bar neben dem Kamin und schenkte sich ein Glas Feuerwhiskey ein. Fast zeitgleich schnippte er mit den Fingern, woraufhin augenblicklich eine Hauselfen auftauchte, die sich so tief verbeugte, dass sie mit der Nase beinahe den Boden berührte: "Wie kann Filly dienen?"

"Zwei Gläser Apfelschorle", ordnete er herablassend, ohne die Elfe anzublicken. Mit einem lauten Knall verschwand sie und tauchte wenige Sekunden später mit zwei gefüllten Gläsern wieder auf. Ich lächelte die Elfe an, während Draco einfach sein Glas annahm, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Mit einer letzten tiefen Verbeugung und einem lauten Knall verschwand sie.

Eine kurze Stille trat ein, in der nur das beruhigende Knistern der Flammen im Kamin zu hören war. Ich spürte, wie mir die Schläfrigkeit in die Knochen kroch und so ließ ich mich neben Draco aufs Sofa nieder. Im Gegensatz zu ihm blieb ich aufrecht sitzen.

"Was habt ihr für die folgenden Tage hier geplant?" Mister Malfoy setzte sich uns gegenüber in den großen Ohrensessel. Unwillkürlich setzte ich mich aufrechter hin.

"Eventuell könnten wir im Garten ein wenig Quidditch spielen. Caitlyn ist ebenfalls in der Hausmannschaft." Bequem legte Draco seine Beine über die Sofalehne, richtete sich aber auf den mahnenden Blick seines Vaters wieder einigermaßen auf.

Interessiert schaute der Zauberer auf: "Und, wie gefallen dir die Besen?"

Einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, ihm meine wahre Meinung zu sagen, dass Geld einem nicht jeden Weg ebnen konnte, biss mir aber auf die Zunge, bevor sich die Worte in meinem Mund bilden konnten. Einen mächtigen Mann wie Mister Malfoy wollte ich nicht zum Feind haben. "Sie sind wirklich hervorragend. Viel besser, als die alten Sauberwischs von Gryffindor. Das war eine überaus großzügige Spende. Vielen Dank dafür." Angewidert von mir selbst, schüttelte ich mich leicht. Fehlte nur noch, dass ich mich vor ihn auf den Boden warf, um ihm die Schuhsohlen abzulecken.

"Ach und Vater, du hast doch nächstes Jahr Karten für die Ehrenloge bekommst, wäre es da möglich, anstelle von drei, vier zu besorgen?", fragte Draco in seinem altbekannten schnarrenden Tonfall, den ich schon so lange nicht mehr gehört hatte.

Mister Malfoy nahm einen tiefen Schluck von seinem Getränk und schaute uns abwechselnd an. Nach gefühlt fünf Minuten, nickte er langsam und sagte gedehnt: "Das wird sich mit Sicherheit einrichten lassen. Ich wünsche euch Beiden eine gute Nacht."

"Gute Nacht, Vater." Der blonde Junge erhob sich und bedeutete mir mit einem Neigen des Kopfes ihm zu folgen. Direkt vor der Tür fiel diese steife Art von ihm ab und er grinste mich an: "Ich habe dir doch gesagt, dass ich das regeln werde. Freust du dich?"

Halbherzig nickte ich.

"Glaube ich dir nicht. Sag es!"

Seine ungewohnt schelmische, lockere Art, brachte mich zum Lachen. "Okay. Ich freue mich!"

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