2 | 10. Kapitel

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Tausend Gedanken rasten mir durch den Kopf. Was war passiert? Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, konnte mich aber nicht bewegen. Panisch versuchte ich irgendeinen Muskel in meinem Körper anzuspannen. Es ging nicht. Nicht einmal meinen kleinen Zeh.

Das Einzige, was ich machen konnte, war starr hoch an die steinerne Decke zu blicken und zu hoffen, dass irgendeiner mich bald finden würde.

Da ich eh nichts anderes machen konnte, dachte ich noch einmal über das eben Geschehene nach. Dieser Junge - Collin Creevey hieß er glaube ich - er war jetzt wahrscheinlich in der gleichen Situation wie ich. Wäre ich nicht selbst so verzweifelt, hätte er mir leidgetan. Überhaupt, was hatte er um diese Uhrzeit noch in den Kerkern zu suchen gehabt?

Hatte er die gleichen gelben Augen wie ich gesehen und war dann umgekippt? Zu was könnten die gehören? Slytherins Monster, gab ich mir selbst die Antwort. Natürlich. Aber warum hatte es mich angegriffen? Schließlich war ich selbst eine Slytherin. Dieses Monster war der Legende nach dazu geschaffen Muggelstämmige zu töten. Keine Halb- und Reinblüter. Wenn man es genau nahm, hatte es mich auch gar nicht angegriffen. Ich hatte ihm nur in die Augen geschaut. Oder die Spiegelung der Augen.

Unweigerlich drängte sich eine weitere Frage in mein Gedächtnis. Welches Monster konnte jemanden einfach so erstarren lassen? Ich wusste es nicht.

Eine Weile grübelte ich so vor mich hin, bis ich hastige Schritte hörte. Gerne hätte ich gerufen, aber sowie ich den Satz in meinem Kopf gebildet hatte, wurde mir klar, dass es eh nichts bringen würde. Ich konnte mich nicht bewegen.

So blieb mir nur zu hoffen, dass man uns fand. Aber mein Flehen wurde nicht erhört. Die Schritte wurden leiser und verklangen schließlich ganz.

Der steinerne Boden drückte mir schmerzhaft gegen die Wirbelsäule. Mir war unendlich kalt und zu meinem Entsetzten musste ich feststellen, dass ich meine Füße und Finger nicht mehr spürte.

Inzwischen hatte ich keinen Zweifel mehr daran, dass mich dieser Bann, Fluch oder was auch immer, vollständig lähmen würde. Und dieses Monster kroch frei in der Schule herum. Mir lief eine Gänsehaut über den Körper. Na wenigstens etwas was noch funktioniert. Aus Langeweile begann ich, die Sekunden zu zählen ...

Bei 599 gab ich auf. Es würde eh keinen Unterschied machen. Plötzlich hörte ich Stimmen. "Sie muss hier irgendwo sein." Die Stimme meines Vaters. Er klang verzweifelt. Nicht so, wie ich ihn kannte.

Eine ruhigere besonnenere Stimme antwortete: "Am besten teilen wir uns auf, Severus. Sie gehen tiefer in die Kerker. Minerva und ich suchen unterdessen in den vorderen Gängen."

Angespannt spitzte ich die Ohren. Im Moment war es mir egal, dass ich nach und nach meine Beine und Arme nicht mehr spürte und ich verschwendete auch keinen Gedanken an die Tatsache, dass sich bestimmt schon etliche Spinnen in meinem Umhang eingenistet hatten. Das einzige was zählte, war die Tatsache, dass man mich bald finden würde. Ich hörte Schritte die immer näher kamen. Dann ein erschrecktes nach Luft schnappen und Professor McGonagall tauchte in meinem Blickfeld auf. "Albus. Ich habe sie." Zögernd, als habe sie Angst, ihre Befürchtungen bestätigt zu bekommen, beugte sie sich zu mir herab und fühlte meinen Puls.

Offenbar erleichtert über das Ergebnis richtete sie sich wieder auf und ihr Gesicht, welches gerade wieder ein wenig Farbe bekommen hatte, wurde umgehend kalkweiß. Jetzt hatte sie also den Creevey Jungen entdeckt.

Erneut nährten sich eilige Schritte. "Minerva. Ist es das, was ich befürchte? Ist sie versteinert worden?"

Ich konnte Dumbledore nicht sehen, trotzdem konnte ich mir lebhaft sein schockiertes Gesicht vorstellen, als die Professorin nickte. Scharf sagte er: "Wir sollten Severus Bescheid geben. Würden Sie -?"

McGonagall, immer noch weiß wie eine Wand, murmelte etwas Unverständliches. Augenblicklich brach eine silberne Katze aus der Spitze ihres Zauberstabs hervor.

Fasziniert beobachtete ich, wie sie aus meinem begrenzten Blickfeld verschwand. Sollte ich das hier überleben, musste ich meinen Vater unbedingt fragen, wie der Zauber funktionierte. "Sie erinnert mich an jemanden." Hätte ich gekonnt, wäre ich vor Schreck zusammengezuckt. McGonagall war aus meinem Blickfeld verschwunden und sprach offenbar mit Dumbledore. "Aber das ist unmöglich."

Fast zu leise, als dass ich ihn hätte verstehen können, erwiderte der Schulleiter: "Du bist nicht die Erste, der etwas auffällt. Erst gestern habe ich mit Caitlyn darüber gesprochen. Sie hat keine Ahnung."

"Meinst du denn, sie ist es?"

"Ich hoffe nicht, dass Severus etwas so Drastisches unternehmen würde." Ich hörte Dumbledore seufzen. "Andererseits sieht sie ihr sehr ähnlich. Und wenn ihr etwas nicht passt, meine ich manchmal, seine Augen blitzen zu sehen."

"Teils liegt in ihren Augen der gleiche Schalk. Aber wieso sollte sie dann in Slytherin sein?" Am liebsten hätte ich vor Wut laut geschrien. Zum Teufel, was verheimlichten alle vor mir? Keiner von den Erwachsenen konnte geradeheraus sagen, was er dachte. Und wenn ich dann mal nachhakte, bekam ich immer die gleiche Antwort. Du bist zu jung, oder Du wirst es schon noch früh genug erfahren. Ich brannte auf eine Antwort von Dumbledore, allerdings sollte ich nie eine erhalten.

"Wo ist sie?" Die gerade noch wütend klingende Stimme meines Vaters schwang in Entsetzen um. "Nein!" Ich hörte, wie er anfing zu rennen und sich wenig elegant neben mir zu Boden sinken ließ. In seinen Augen standen Tränen. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen und seine Gesichtszüge wären aus einem erfreulicheren Grund entgleist, hätte ich ihn sicher ewig damit aufgezogen, aber so hätte ich am liebsten selbst geheult. Ich sah, wie er die Hand hob und mir eine Strähne aus dem Gesicht schob. Oder vielmehr ahnte ich es, denn spüren konnte ich es nicht.

In dem Moment hätte ich alles dafür gegeben, ihm zu sagen, dass alles gut würde, ihn zu trösten oder in den Arm zu nehmen. Doch mein immer kleiner werdendes Sichtfeld machte mir unmissverständlich klar, dass meine wachen Stunden gezählt waren. Vorerst. Schwach hörte ich Dumbledore etwas sagen, meine Gedanken verschwammen aber schon zu sehr, als dass ich den Worten einen Sinn hätte entnehmen können. Alles wurde schwarz.

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt