Kapitel 43

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„...und damit beende ich meine Argumentation und fordere die Höchststrafe für die beiden Angeklagten.“

Herr Nolting setzte sich wieder. Er hatte seinen ersten Schlag ausgeführt. Nun war der Gegner an der Reihe. Misstrauisch beäugte der Staatsanwalt den gewaltigen Haufen aus schwarzen Kunsthaaren am Tisch der Verteidigung. Irgendwo darunter steckte Haake, und es regte Noltig auf, dass er wegen der Perücke nicht mal dessen Gesicht sehen konnte.

„Meine sehr geehrten Damen, Herren, Transvestiten, Hunde, Giraffen mit Sonnenbrillen und rosarote Dachziegel“, drang eine Stimme aus der Perücke. „Mein verehrter Kollege hat mit großem Können die angebliche verbrecherische, hinterhältige, infame, vollkommen abstruse und jeder rechtlichen Grundlage entbehrende... Mal nachdenken, habe ich ein Adjektiv vergessen? Ach ja, gemeingefährliche Tätigkeit meiner Klienten dargelegt. Meinerseits ein Eröffnungsplädoyer vorzutragen halte ich für nutzloses Geschwafel. Ich werde daher gleich zur Zeugenbefragung übergehen.“

Nolting sprang auf.

„Herr Richter, ich protestiere! Das ist gegen die Prozessordnung! Das kann man nicht machen!“

„Mir hat jemand neulich gesagt, man kann keinen Cocktail aus Bier, Wein, Orangensaft, Rizinusöl und Salzwasser trinken“, konterte Haake. „Ich habe einen gemixt und getrunken. Er hat scheußlich geschmeckt, aber funktioniert hat es.“

„Nun“, sagte der Richter an Nolting gewandt, „Ich denke in diesem Fall machen wir eine Ausnahme. Fahren Sie fort, Herr Verteidiger.“

„Vielen Dank, Euer Ehren. Ich rufe Cornelius Schoman in den Zeugenstand.“

Der Kopf des grimmig drein starrenden Geheimdienstchefs, der sich in den letzten paar Minuten die Zeit damit vertrieben hatte jede Bodendiele im Gerichtssaal bis in die siebte Generation zu verfluchen, ruckte nach oben.

„Was? Mich?

Haake nickte. Oder zumindest sah es so aus. Die Perücke kippte nach vorn und wieder zurück – wahrscheinlich war es ein Nicken. „Ja, Sie, wenn Sie nichts dagegen haben. Und nebenbei erwähnt auch dann wenn Sie etwas dagegen haben.“

Schoman verkniff sich eine bissige Antwort die ihm auf der Zunge lag.

Zornig stapfte er in den Zeugenstand, knallte seine Faust auf das ihm hingehaltene Buch und schwor, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen.

Erst als das Buch unter seiner Hand hervorgezogen wurde, bemerkte er, dass es sich nicht um eine Bibel, sondern um ein Exemplar von ’Die WAHNSINNIGEN Grundregeln’ handelte.

Er biss sich auf die Zunge, um nicht vor Wut laut loszuschreien. Gewappnet für jede abscheuliche Beleidigung oder Lüge von Seiten der Verteidigung versteifte er den Rücken.

Das große schwarze Haarmonster namens Haake tastete sich an den Zeugenstand heran, und räusperte sich.

„Herr Schoman, im Jahre 1919, nach der Niederlage des militanten Deutschlands im ersten Weltkrieg setzte sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Woodrow Wilson, für die Selbstbestimmung der Völker ein. Jedes Volk sollte sich selbstständig regieren, unter der Aufsicht einer internationalen Kontrollorganisation. Finden Sie solch eine Vorstellung gerecht und gut?“

Fotoapparate im ganzen Saal klickten, als dem Geheimdienstchef vor Überraschung die Kinnlade herunterklappte.

„J- ja, ich denke schon“, brachte er stotternd heraus.

„Tatsächlich? Jedes Volk sollte seinen eigenen Staat haben?“

„Ja.“

„Nun, dann beschreiben Sie mir bitte einmal Ihre Definition des Wortes ’Volk’.“

Die Staats-AGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt