Kapitel 16

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Der Makler Jakob Jablonski rückte seine teure Krawatte zurecht und blickte auf die Jahresprognose seiner Gewinne hinab, die vor ihm auf seinem antiken Louis Quinze Schreibtisch ruhte. Wie er es auch drehte und wendete, die Zahlen wollten sich nicht ändern. Das hier war der Anfang vom Ende. Denn in diesem Jahr, in diesem verfluchten Jahr würde er voraussichtlich nicht mehr als 11 Millionen Euro verdienen. Lächerliche 11 Millionen, man stelle sich das vor! Er würde doch allen Ernstes darauf verzichten müssen, sich dieses Jahr eine neue Jacht zu kaufen. Seine Freunde vom Jachtklub würden ihn auslachen. Allein schon die Vorstellung jagte ihm einen Schauer über den Rücken.

Jemand klopfte an die Tür.

3 Millionen. Nur drei Millionen mehr hätte er gebraucht, um sich die neue Ferretti 500 leisten zu können. Das Schicksal konnte wirklich grausam sein.

Wieder klopfte es, diesmal drängender. Oh, warum konnte man ihn nicht in Ruhe lassen? Obwohl, wollte er das wirklich? Jede Ablenkung von seinem Elend wäre ihm im Moment eigentlich willkommen.

„Ja?“, stöhnte er.

Seine Sekretärin trippelte herein. Sie wirkte ungewöhnlich nervös.

„Herr Jablonski?“

„Ja was ist, Fräulein Zenz?“

Der Makler blickte von der vernichtenden Bilanz auf.

„Neulich haben Sie sich mit Herrn Lehmbach, Sie wissen schon, dem Herrn der eine Luxusvilla für 2 Millionen Euro gekauft hat, darüber unterhalten, wie wichtig es ist, unfeine Personen von sich fern zu halten, um seinen Ruf zu schützen.“

„Ja, und?“

„Sie sagten damals, stinkende, ungepflegte Personen sollten Ihr Haus und ihr Geschäft gar nicht erst einmal anschauen, von betreten ganz zu schweigen.“

„Ja?“

Herr Jablonski seufzte. Langsam wanderten seine Augen wieder von Fräulein Zenz zu der niederschmetternden Bilanz auf dem Schreibtisch. Er griff nach einem Füller und begann die wichtigsten Posten zu umkringeln. Vielleicht hatte er ja etwas übersehen...

Fräulein Zenz räusperte sich.

„Ähm... ich wollte nur fragen: Gilt das auch dann, wenn die entsprechende Person einen Scheck über 10 Millionen Euro in der Hand hält und immer wieder davon redet, nicht zu gehen, ehe sie nicht mindestens die Hälfte davon ausgegeben hat?“

„WAS?“

Ein dicker blauer Fleck bildete sich auf ‚... 1.500.000 €, Villa an der Côte d’Azur für Herr und Frau Meinheimer.’ Herr Jablonskis Kopf schnellte nach oben, gerade als sich eine dickliche Gestalt mit Dreitagebart und in Kleidern die Herr Jablonski nicht einmal an ein Armenhaus verschenkt hätte an seiner Sekretärin vorbei ins Zimmer schob.

„Was zum...“

Der Mann ließ ihn nicht zu Ende reden. Er trat vor und knallte ein Stück Papier vor Jablonski auf den Schreibtisch.

„Wie viel kostet das beste Bürogebäude, das Sie auf Lager haben?“, fragte der Mann. „Nun sitzen Sie nicht einfach so da. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

Herr Jablonski blickte von dem Scheck auf seinem Tisch zu dem Mann und zurück. Tiefe Gefühle rangen in seiner Brust miteinander. Auf der einen Seite, Integrität, Stolz, Selbstachtung. Auf der anderen: Die Aussicht auf einen Scheck mit vielen Nullen hinter der Eins.

Er atmete tief durch, und bereute es sofort. Die Ungepflegtheit des Mannes vor ihm erstreckte sich nicht nur auf sein äußeres.

Eine neue Ferretti 500...

Er schluckte.

„Bitte setzen Sie sich doch“, hörte er sich sagen. „Herr...“

„Haake“, erwiderte der Mann. „Wolfgang Haake.“

Die Staats-AGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt