„Und Folter ist wirklich nicht möglich?“
Herr Braun schüttelte ernst den Kopf. „Nein, Frau Oppermann. Folter als Mittel der Kriegsführung ist seit der Genfer Konvention von 1864 verboten.“
Frau Oppermann kniff ihre verkniffenen Lippen noch ein wenig mehr zusammen. „Na ja, da kann man nichts machen. Und was kann ich an Waffen verwenden?“
„Eine MG oder ein Kalaschnikow sind glaube ich allgemein akzeptabel.“
„Ich fand immer, ein gut geworfenes Nudelholz ist unschlagbar.“
„Nun, dagegen ist sicher nichts einzuwenden.“
Der nervöse Ehemann, dessen Augen zwischen seiner Frau und dem geschäftsmäßig wirkenden Häftling hinter der Glasscheibe hin- und herwanderten, wagte es sich zu räuspern.
„Schatz, glaubst du nicht vielleicht das ist ein Wenig übertrieben? Ich denke...“
Frau Oppermann brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Dann wandte sie sich wieder Herrn Braun zu, der gerade in seinen Unterlagen blätterte.
„Wäre das dann alles, Herr Braun?“
„Ich denke schon. Übrigens, ich glaube, der Name der Nachbarin die Sie erwähnten steht auch auf meiner Besucherliste. An Ihrer Stelle würde ich sofort nach Hause zurückkehren und einen Überraschungsangriff planen während sie hier ist.“
Wenn ihr Ehemann nicht gewusst hätte, dass so etwas nie passierte, hätte er fast denken können dass sich Frau Oppermanns Lippen zu einem Lächeln verzogen.
„Vielen Dank für den Hinweis.“
„Nichts zu danken. Kundenservice wird bei uns groß geschrieben. Wenn Sie mir jetzt noch Ihre Adresse und Telefonnummer zurücklassen, senden wir Ihnen so bald wie möglich eine Gründungsurkunde zu.“
„Nochmals herzlichen Dank.“
„Bitte.“ Herr Braun lächelte die Frau an, wie er schon hunderte von Menschen freundlich angelächelt hatte. „Beehren Sie uns doch bald wieder. Wir haben auch Verfassungsänderungen, Usurpationen und vieles mehr im Angebot.“
„Das werde ich mir merken. Komm, Werner.“
„Ja Schatz.“
„Ach, wenn ich das meinen Freundinnen erzähle! Königin der Goethestraße 14!“
„Ja Schatz. Klingt großartig, Schatz.“
„Wenn Sie eine Krone wünschen“, rief Braun dem davoneilenden Ehepaar nach, „dann schauen Sie doch nächste Woche einmal auf unserer Webseite vorbei. Wir eröffnen bald einen Online-Shop für Amtsinsignien!“
Schon näherte sich das nächste zukünftige Staatsoberhaupt, als der Wächter der an der Tür Wache hielt vortrat und Braun die Hand auf die Schulter legte.
„Häftling Braun, soeben ist eine Nachricht vom Direktor eingetroffen. Ihre Besuchszeit ist hiermit vorzeitig beendet. Sie werden in zwei Stunden das Gefängnis verlassen, um erneut vor Gericht gestellt zu werden.“
Braun überlegte blitzschnell.
„Ist ein Reporter anwesend?“ rief er mit voller Lautstärke der wartenden Menge entgegen.
Mehrere Hände wedelten eifrig in der Luft. Die Leute machten Platz, und ein gutes Dutzend Männer und Frauen eilten vor. Kameras und Camcorder hatten sie bereits gezückt.
„Ich soll dafür vor Gericht gestellt werden, dass ich das Recht des Menschen auf freie Regierungsbildung vertreten habe“, rief Braun mit all der Theatralik einer Schulaufführung von Hamlet. „Halten Sie dies für die Nachwelt fest, meine Damen und Herren.“
Der Wärter machte den großen Fehler, Herrn Braun am Arm zu packen. Er versuchte den Häftling aus dem Raum zu ziehen.
Eine plötzliche Inspiration ließ Braun mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Knie sinken. Verdutzt hielt der Wärter inne. Dann bemerkte er die plötzlich aufflackernden Blitzlichter und blickte mit verärgertem Gesicht auf – direkt in die Kameras.
Herr Braun musste sich ein Grinsen verkneifen, als er aus dem Raum gezerrt wurde.
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Die Staats-AG
HumorZwei Unglückliche die in den Wagen des auf sie angesetzten Steuerfahnders gerasselt sind und jetzt für fünf Jahre hinter Gittern sitzen sinnen auf Rache gegen das System: Vom Gefängniscomputer aus eröffnen sie die Website www.staats-ag.de, auf der s...