Kapitel 02

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Ein paar Tage später trat Herr Braun gerade aus dem Klassenzimmer als er den Direktor auf sich zukommen sah.

„Guten Morgen, Herr Direktor.“

„Guten Morgen, Herr Braun.“

Auf dem Gesicht des Schulleiters lag ein besonders abstoßend-freundliches Lächeln, als er den Lehrer bei der Hand ergriff und sie schüttelte.

„Gratuliere Herr Braun. Das Kollegium hat beschlossen, Ihnen ein besonders pädagogisch wertvolles Ehrenamt zu übertragen!“

„So?“ Herr Braun blieb vorsichtig. „Und was für ein Ehrenamt ist das?“

„Nun, der Elternbeirat hat beschlossen, dass an unserer Schule etwas fehlt. Wir haben einen Fußballverein, eine Mal-AG, eine Sprachen-AG... nur eines fehlt noch: ein Orchester!“

„Aber... Herr Direktor, ich möchte ja nicht pessimistisch erscheinen, jedoch muss ich bemerken dass diese kleinen Ratten von Schülern durch den Musikunterricht an diesem Institut so wenig Sinn für Musik dazu gewonnen haben wie eine Termite nachdem sie einen Kontrabass verspeist hat.“

„Leider nur allzu wahr, mein lieber Braun. Doch das wird kein Problem sein. Die heutige Jugend hat für klassische Musik sowieso nichts mehr übrig, also wurde beschlossen, eine sogenannte Räpp-Bähnd zu gründen. Da bei dieser Art von Musik sowieso nur dummes Zeug geredet und auf Dinge eingeschlagen wird, ist musikalisches Können nicht vonnöten. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir Ihnen als Mathematiklehrer die Leitung der Proben übertragen werden. Die Ohren unseres Musiklehrers werden im normalen Unterricht schon überbeansprucht, wenn man den armen Kerl zu einer Bande Irrer mit 4000-Watt Verstärkern in einen Raum sperrt, fürchte ich, dass wir ihn im Krankenwagen würden abtransportieren lassen müssen. Sie jedoch haben nicht das geringste musikalische Talent und sind somit ideal für diese Arbeit qualifiziert.“

„Vielen Dank“, seufzte Braun resigniert. „Ich fühle mich durch Ihr Vertrauen geehrt, Herr Direktor.“

Auf dem Heimweg hielt er bei der Apotheke und kaufte sich zehn Großpackungen Ohropax.

Herr Schmidt erging sich in herrlichen Tagträumen von den verschiedensten Sorten alkoholhaltiger Getränke, als sich ihm eine Hand auf die Schulter legte. Verschlafen hob er den Kopf und strich sich das fettige Haar aus der Stirn.

„Ja, Professor Baumann? Hat die Vorlesung schon angefangen?“

„Sie hätte schon anfangen sollen, doch solange Sie in diesem Hörsaal sitzen, wird daraus nichts. Es ist einfach nicht möglich, eine Vorlesung zu halten, wenn Sie im Saal sind.“

„Nun, wenn es einfach nicht möglich ist, dann ist es eben schwierig. Sie müssen sich zur Abwechslung mal etwas anstrengen.“

„Ihr Schnarchen ist selbst mit den größten Anstrengungen nicht zu übertönen. Was suchen Sie eigentlich hier? Dies ist eine Physikvorlesung, und Sie sind Psychologiestudent!“

„Wissen Sie, in welcher Vorlesung ich schlafe, kann mir ja eigentlich egal sein.“

„Ja aber wieso kommen Sie dann jedes Mal hierher?“

„Nun, die Stühle sind bequemer.“

„Raus hier! Und zwar sofort!“

„Diese unkontrollierten Wutausbrüche sind Zeichen eines Minderwertigkeitskomplexes. Wir sollten uns einmal über Ihre Kindheit unterhalten.“

„Verlassen Sie sofort diesen Raum. Wenn Sie nicht gehen, verständige ich den Leiter der Universität.“

„Ich geh ja schon.“

„Herr Kuhn?“

Der Finanzbeamte blickte auf. Eine Sekretärin stand vor ihm, zwei dicke Mappen in ihren Händen. Er nahm sie von ihr entgegen und fragte: "Was sind das für Akten?".

„Zwei besonders schwere Fälle. Ich dachte das ist was für Sie.“

Kuhn ließ seine scharfen Augen über die Mappen wandern. Eine trug die Aufschrift 'Schmidt', die andere lugte halb darunter hervor, sodass gerade die Buchstaben 'Bra-' zu erkennen waren. 'Vielleicht Brahms?', schoss es dem Finanzbeamten durch den Kopf. Er war schon immer überzeugt gewesen, dass tote Komponisten viel zu wenig Steuern bezahlten.

„Gut." Er nickte der Sekretärin zu. "Ich werde mich gleich darum kümmern.“

Zwei Wochen später saß Herr Schmidt wieder in seinem Lieblings-Restaurant, als plötzlich hinter ihm ein Stöhnen erklang.

„Schmidt. Gott sei dank, dass Sie da sind. Helfen Sie mir.“

Er drehte sich um. Herr Braun wankte auf ihn zu. Das Gesicht des Mannes war mit blauen Flecken übersät, seine Kleider dreckig und zerrissen.

„Um Himmels willen, was ist denn mit Ihnen passiert? Ein Autounfall? Oder haben Sie endlich beschlossen, mit dem Trinken anzufangen?“

„Keins von beidem.“ Stöhnend ließ sich Braun auf einen Stuhl fallen. „Gestern war Schulausflug.“

„Sie Armer. Soll ich Ihnen etwas zur Stärkung holen?“

„Ja. Fragen Sie den Wirt, ob es hier Fruchtsäfte gibt.“

„Natürlich nicht!“ Schmidt klang fast beleidigt. „Was glauben Sie, warum ich in dieses Lokal gehe?!“

Wieder ein Stöhner.

„Verflucht noch mal! Dann bringen Sie mir eben ein Glas von Ihrem Teufelszeug.“

„Schon unterwegs.“

Kurz darauf erschien ein Glas vor Herrn Braun auf dem Tisch. Vorsichtig schnupperte er daran.

„Was ist das? Salzsäure?“

„Nein. Fusel.“

Mit einem Seufzer hielt sich Braun die Nase zu und hob das Glas an die Lippen.

„Nun machen Sie schon. Wird schon schief gehen.“

Die Staats-AGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt