K A P I T E L 6

985 33 3
                                    

A T H O S

Ich brauche jetzt einfach jemanden zum Reden. Da ich nicht wirklich Freundinnen habe, und meiner Oma nichts genaueres erzählen möchte, ist Nathan die beste Möglichkeit. Als ich aus der Türe trete stehe ich in einem langen Flur, den ich noch nie zuvor gesehen habe.

Die Wände sind in einem dunklen grau gestrichen, das fast schon schwarz wirkt. Wo zum Teufel bin ich hier? Wir sind jedenfalls nicht in Nathans Apartment in New York, so viel steht fest. Piano Musik läuft leise, und gibt mir das Gefühl, ich wäre in einer Hotelloby. Sobald ich den Flur entlanggelaufen bin, komme ich in einen kleinen Raum, indem ein runder Tisch mit Blumen steht.

Rechts von mir geht es eine Wendeltreppe runter, und gerade aus geht es einen weiteren Flur entlang. Wo in diesem gigantischem Haus finde ich den jetzt das Büro?

Neugierig schleiche ich in den gegenüberliegenden Flur. Die erste Tür, an der ich ankomme, ist angelehnt, also stecke ich leise meinen Kopf in das Zimmer.

Bunte Schmetterlinge zieren die weiße Wand, und als mein Blick auf das kleine wunderbare Wesen fällt, dass seelenruhig und unbeschwert vor sich hin schnarcht, muss ich Lächeln. Vorsichtig setze ich mich neben Aleja und beobachte sie einfach. Ihre kleine Stupsnase zuckt ab und zu und bringt mich leise zum Lachen.

Ich wünschte, ich könnte wieder in diesem Alter sein. Ohne Sorgen. Nachdem ich ihr einen Kuss auf die Stirn gebe, stehe ich seufzend auf und mache mich wieder auf die Suche nach Nathan. Allerdings wird mir das erspart, als ich einen lächelnden Nathan an der Tür gelehnt stehen sehe. »Willst du reden?« fragt er mich direkt, als wir in seinem Büro angekommen sind.

Seufzend lasse ich mich auf den Sessel fallen, der auf der anderen Seite seines Mahagoni Schreibtisches steht. Sein ganzes Büro ist in Schwarz und dunkelblau eingerichtet. Man könnte meinen, er wäre ein Grufti bei der Einrichtung, die ich bis jetzt gesehen habe. »Wo sind wir?« frage ich als erstes, da es draußen zu dunkel ist, als das wir noch in New York City sind.

»Wir sind in meinem Haus am See. Long Island«, antwortet er mir, während er mit verschränkten Händen zu mir schaut. »Ich dachte, es würde dir guttun, von dem ganzen Lärm in der City herauszukommen.« Verstehend nicke ich. »Athos,« sagt er und schaut mir Stur in die Augen. »Wie ist das passiert?« fragt er, und zeigt auf mein Gesicht.

Tief atme ich ein, während ich nervös zu meinen Händen blicke und an meinem Daumen spiele. Soll ich ihm alles sagen? Tausend Gedanken kreisen durch meinen Kopf, und nur widerwillig sehe ich ihn wieder an. Die Ärmel seines weißen Hemdes sind hochgekrempelt und auch wenn ich es nicht will, erwische ich mich selbst dabei, wie ich sein Tattoo anstarre, dass zum Teil sichtbar ist.

»Anthony ist ausgerastet als ich so spät nachhause gekommen bin,« beginne ich zu erzählen, »er ist der Meinung, wir beide hätten etwas am Laufen.« Seine Mundwinkel gehen für einen Moment in die Höhe. »Er war schon immer so besitzergreifend und eifersüchtig, nur dachte ich nicht, dass er Imstande ist mich zu verletzen. Als ich gesagt habe, dass ich mich nur um deine Tochter kümmere, hat er mich beleidigt und zu Bodengestoßen.«

Kopfschüttelnd setze ich mich so gut es geht in den Schneidersitz auf den Sessel und lege meinen Kopf auf den Tisch.

Ich schaue nicht zu Nathan auf, als ich höre, wie er seinen Tisch umrundet. »Was ist danach passiert?« Als ich nicht sofort antworte, spüre ich seine große Hand sanft meinen Rücken auf und ab fahren.

Es beruhigt mich ungemein zu wissen, dass ich in diesem Moment nicht allein bin.

»Nimm dir alle Zeit der Welt.« Nach ein paar Minuten, in denen ich nur seine Berührung genossen habe, richte ich mich wieder vorsichtig auf. »Er hat sich entschuldigt und gesagt, dass er morgen, besser gesagt heute, auf mich am Altar warten würde. Und würde ich nicht kommen, er bescheid wüsste, dass er mich auf ewig verloren hat.«

Secret desireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt