A T H O S
In meinem Kopf herrscht Chaos. Wie betäubt laufe ich den Weg zurück zum Ausgang der Kirche. Ich höre Anthony, der meinen Namen ruft, aber ich bleibe nicht stehen. Die Schnürung meines Kleides gibt mir das Gefühl nicht atmen zu können. »Athos bitte bleib stehen« ruft Anthony mir nach, doch ich denke noch nicht einmal daran stehen zu bleiben. Wie konnte er mir das antun? Wie konnte sie mir das antun?
»Baby, bitte « an meinem Arm werde ich zurückgezogen. Anthony steht verschwitzt und mit verwuschelten Haaren vor mir. »Ich dachte du kommst nicht mehr,« sagt er außer Atem, »wenn ich gewusst hätte das du noch kommst, dann-« ein lautes Klatschen hallt durch die Kirche, und meine Handfläche brennt. Ich würde weinen, wenn ich könnte, aber es ist, als wäre keinerlei Flüssigkeit mehr in meinen Körper.
»Athos, bitte beruhig dich« Höre ich ausgerechnet die Frau sagen, die mit meinem Verlobten in der Kirche fickt, in der ich ihn hätte heiraten sollen. An meinem Hochzeitstag. »Wag es dich nicht mir zu sagen, was ich tun soll,« meine Stimme ist zittrig, doch ich versuche mir nichts anmerken zu lassen »Ich hab euch beiden vertraut. Und Carly, dir habe ich sogar mehr vertraut als ihm,« schnauze ich sie an, und deute mit meinem Finger auf meinen Ex-Verlobten, »du bist meine beste Freundin seit der Mittelstufe, und trotzdem fickst du meinen Verlobten.«
Erst, als ich es laut ausspreche wird mir klar, was passiert ist. Meine einzige und längste Freundin, die ich habe, hat an meinen eigentlichen Hochzeitstag mit meinen Verlobten geschlafen. Und der krönende Abschluss, sie haben es in der Kirche gemacht, die ich ausgesucht hatte, um zu heiraten. Mein Herz schlägt fest gegen meinen Brustkorb, und es fühlt sich an, als wurde es verfaulen und schließlich zu Asche werden.
Anthony steht vor mir, und schaut mich mit Tränen in den Augen an. Vereinzelnd laufen sie ihm über die Wange. Beinahe hätte ich Mitleid mit ihm. »Athos, wir haben gedacht, dass du nicht mehr kommen würdest.« Carlys Haare und ihr Kleid sitzen nicht mehr richtig, und erinnert mich immer wieder daran, was sie und Anthony vor ein paar Minuten in diesem Hinterzimmer getrieben haben.
»Du hast recht, ihr konntet es nicht wissen,« fange ich an zu erzählen, »aber du hättest mich wiedergesehen. Du hättest mich jede Woche gesehen, wenn wir uns in unserem Café treffen. Oder wenn wir wie früher zusammen spazieren gegangen wären. Du hättest mich gesehen, und mir dreist ins Gesicht gelogen und gelächelt, obwohl du wüsstest, wie miserabel es mir wegen meiner Trennung gehen würde.« Hauche ich, und drehe mich zu Anthony.
Mein Blick fällt auf meinen Ringfinger, an dem sein Verlobungsring steckt. Ich war damals so glücklich und dachte mir, dass nichts auf der Welt uns trennen würde. Wie falsch ich doch lag. »Bitte Athos, es tut mir so leid.« Ich zieh meinen Ring ab, und nehme Anthonys Hand, um den Ring in seine Hand zu legen. Er schüttelt den Kopf, als wäre dies ein Alptraum, aus dem er versucht aufzuwachen. Doch es ist kein Alptraum. Er hat mich geschlagen, und ich war bereit ihm zu verzeihen. Aber ich werde ihm nicht verzeihen, dass er mich betrügt, obwohl er mich eine Hure und eine Schlampe genannt hat, weil er dachte, ich hätte etwas mit seinem Boss.
Mein Blick fällt zu Nathan, der abseitssteht und das Geschehen beobachtet. Ich kann seinen Blick nicht deuten, und ich denke, dass er nicht annähernd so viel Drama gewöhnt ist. Bin ich eigentlich auch nicht, aber es scheint, als wäre das jetzt mein neues Leben. Mein Blick schweift zurück zu Anthony, und auch wenn ich ihn jetzt vielleicht hassen sollte, kann ich nicht anders, als ihn zu mir zu ziehen, und zu umarmen.
»Ich wünsche dir dein Glück, Tony,« erneut laufen mir Tränen über das Gesicht, »ich weiß, du bist ein guter Mensch. Danke, für all die schönen Momente, die wir gemeinsam hatten.« Nachdem ich mich aus der Umarmung gelöst habe, schaue ich ein letztes mal durch die Kirche, und schlussendlich, zu den Personen, denen ich bis gestern mein Leben anvertraut hätte.
Tief atme ich durch, drehe mich um und laufe aus der Kirche. »Heiratest du doch nicht?« fragt mich Aleja, nachdem ich ins Auto gestiegen bin. Mit einem leichten lächeln drehe ich mich zu ihr, und schaue in ihr süßes Gesicht. »Nein liebes, Gott wollte noch nicht, dass ich heirate.« Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen, und ihre Nase fängt an zu zucken. Sie ist so unbeschreiblich süß.
Sofort gleiten meine Gedanken zu Alejas Mutter. Wie konnte sie es über sich bringen, und ihr Kind verlassen? Ihr eigenes Fleisch und Blut? »Gott wollte es nicht?« fragt sie verwirrt, und holt mich in die Realität zurück. »Ja. Gott hat andere Pläne für mich. Glaubst du nicht an Gott?« Eine Weile scheint sie zu überlegen, bis sie mit den Schultern zuckt. »Ich weiß nicht. Im Kindergarten wurde uns gesagt, dass jedes Kind ein Geschenk Gottes ist, aber...« als wäre sie traurig, senkt sie ihren Kopf, und spielt mit ihren Fingern. »Aber wenn wir ein Geschenk Gottes sein sollten, wieso hat meine Mama mich dann nicht gewollt?«
Einen Moment ist es ruhig, und ich weiß nicht, was ich ihr antworten soll. Sie ist noch so klein, und trotzdem ist sie schon so gebrochen. Ich weiß, dass Menschen Fehler begehen, dass ist der einzige Weg, erwachsen zu werden, aber wie soll ich einem kleinem Mädchen sagen, dass ihre Mutter sie ohne nachvollziehbaren Grund verlassen hat? »Weißt du,« fange ich an, »manche Menschen erkennen ihr Glück nicht, wenn sie es vor sich haben. Und Gott hat einen Plan für dich. Genauso, wie er es für jeden auf der Welt hat. Gottes Plan für dich , ist noch unklar, aber er hat in diesem Plan deine Mama nicht gewollt.«
Einzelne Tränen verlassen Alejas Augen. Ich steige aus, umrunde das Auto, und steige auf die Rücksitzbank zu ihr. »Nicht weinen, micros. Sie ist deine Tränen nicht wert.« Flüstere ich, als ich sie auf meinen Schoss gezogen habe. Auch wenn sie es nicht weiß, sage ich diese Worte nicht nur um sie zu beruhigen, sondern auch zu mir selbst. Manche
Menschen sind deine Tränen nicht wert...
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Secret desire
RomanceAls erfolgreicher Anwalt und alleinerziehender Vater hat Nathan es nicht leicht. Seine Tochter Aleja ist das wichtigste in seinem Leben. Seit Amanda, die Mutter seiner Tochter, sang- und klanglos verschwunden ist, glaubt er nicht mehr an die Liebe...