A T H O S
Die Woche in den Bergen ging viel zu schnell zu ende. Wir waren wandern, haben auf der Terrasse gezeltet und so viel Marshmallows gegessen, dass uns am Ende schlecht wurde und ich nie wieder, welche essen möchte - oder könnte. Aleja ist so ein tolles Kind. Wir haben jeden zusammen gekocht, gegessen und anschließend Mensch ärgere dich nicht gespielt.
Nate und ich haben uns mit dem Kochen abgewechselt, und jedes Mal, wenn er gekocht hat, hat Aleja ihm geholfen und zusammen haben sie Lieder aus Barbie Filmen gesungen. Ihnen zuzusehen, wie glücklich und sorglos sie sind, hat mich irgendwie traurig gemacht. Aleja war es gewohnt, dass meine Oma auf sie aufpasst. Man hat gemerkt, wie viel es ihr bedeutet, dass ihr Daddy sich für sie Zeit nimmt.
Bevor wir gegangen sind, habe ich die Krankenakte von Vito mitgenommen. Ich habe mit Nate abgemacht, dass er mindestens eine Stunde am Tag allein mit Aleja verbringt. In dieser Zeit habe ich mit meinem ehemaligen Professor an der Uni telefoniert und ihm die Lage geschildert. Und tatsächlich gibt es einen Grund zur Freude. »Ich habe deine Familie heute Abend eingeladen.« »Warum das denn? Ich wollte dich für mich allein.« Gespielt traurig blickt Nate zu mir.
»Es gibt da etwas, dass ich euch erzählen möchte. Ich muss jetzt übrigens los«, schnell gebe ich ihm einen Kuss, »Wir sehen uns heute Abend wieder.« »Warte!« Er zieht mich am Arm zu sich. »Wo gehst du hin?« Wir sind bereits seit zwölf Tagen wieder in zuhause, aber egal wohin ich auch gehe, selbst wenn ich nur den Müll wegbringe, will er wissen, wo und und mit wem ich weggehe. Seine kleine Obsession von mir, macht mich wirklich an.
»Ich bin verabredet auf einen Kaffee.« Bevor er fragen kann, mit wem unterbreche ich ihn. »Ich verrate dir nicht mit wem. Du wirst ihn heute Abend sowieso kennenlernen.« Schwer seufzt er. »Na schön. Aber ich sage Henry Bescheid, er soll dich fahren.« Als ich gestern eine Besichtigung für eine Praxis hatte, wollte er mich schon nicht laufen lassen. Ich schätze, dass war unser erster Streit. Obwohl Diskussion es besser beschreibt.
»Da draußen sind lauter Verrückte und Kriminelle. Ich weis, wovon ich rede. Schließlich bin ich Anwalt. Also bitte, lass dich von Henry fahren. Damit ich weis, dass du gut ankommst.« Und mal wieder bringt er mein Herz mit seinen Worten zum zerlaufen. »Na schön. Aber brauchst du Henry nicht selbst?« »Nein, amore. Ich fahre einfach mit einem meiner anderen Autos.«
Schnaufend verdrehe ich meine Augen. Ich vergesse oft, wie viel Geld Nate hat. Natürlich kann er selbst fahren. Er hat auch sieben Autos zur Auswahl. Ich
habe nachgefragt. »Hab viel Spaß, und pass auf dich auf.« Schnell gebe ich ihm noch einen letzten Kuss, nehme meine Tasche und steige in den Aufzug.***
»Also, wie ist es in der Pathologie?« Professor Kuschner hat sich in den letzten Jahren kein Stück verändert. Lediglich die kleinen, fast unscheinbaren Falten in seinem Gesicht haben sind neu. »Um ehrlich zu sein, arbeite ich nicht mehr in der Pathologie.« »Nicht? Wo arbeiten Sie jetzt?« Neugierig beäugt er mich. Ihn ohne seinen Kittel zu sehen ist neu. Er trägt eine legere schwarze Jeans, einen grauen Pullover und seine geliebten New Balance.
Ich muss zugeben, trotz seines Alters ist er sehr gut gebaut und fit. Seine grauen Haare sind -wie immer-top gestylt. Am College war ich vielleicht ein bisschen in ihn verknallt. Aber ich war nicht die einzige. Alle Mädchen am College haben ihm hinterher geschaut. »Ich bin zurzeit arbeitslos. Ich will eine eigene Praxis für Kinder eröffnen.« Langsam setzt er seine Tasse auf den Unterteller und sieht mich lächelnd an.
»Das war immer ihr Traum. Es freut mich, dass Sie sich ihren Traum erfüllen wollen. Ich war ehrlich gesagt ein wenig geschockt, als sie mir beim letzten Treffen gesagt haben, sie wären in der Pathologie. Ihre Stärken lagen schon immer im Umgang mit Kindern. Aber«, sagt er, »sind Sie sich sicher, dass eine reine Kinderarztpraxis das einzige ist, das sie zu hundert Prozent glücklich macht?« »Wie meinen sie das?« Er schüttelt fast unauffällig seinen Kopf und lebt sich zu mir. »Wie wäre es, wenn wir das Sie lassen und uns duzen? Wir kennen uns seit zehn Jahren.«
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Secret desire
RomanceAls erfolgreicher Anwalt und alleinerziehender Vater hat Nathan es nicht leicht. Seine Tochter Aleja ist das wichtigste in seinem Leben. Seit Amanda, die Mutter seiner Tochter, sang- und klanglos verschwunden ist, glaubt er nicht mehr an die Liebe...