K A P I T E L 10

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N A T H A N

Erschrocken keuchen meine Eltern, und sehen zu meiner Schwester, die wie erstarrt zu Athos sieht. Seine Ex-Freundin? Meine Schwester hatte noch nie einen Freund. Anscheinend war sie nicht ganz ehrlich. »Was meint sie?« fragt mein Vater meine Schwester. Sein fragender Blick wechselt zwischen Athos und Lia hin und her, bis er schliesslich bei mir stehen bleibt.

Leicht zucke ich mit den Schultern. »Hallo, liebes. Ich bin Cassandra. Es freut mich dich kennenzulernen.« Meiner Mutter ist die Situation deutlich unangenehm. Lächelnd geht sie auf Athos zu, und zieht sie in eine Umarmung. Überrumpelt erwidert Athos die Umarmung.

Nachdem Athos sich neben mich gesetzt hat, sieht mein Vater immer noch wütend zu meiner Schwester. »Du hattest einen Freund? Und hast uns nichts erzählt?« fragt er gefährlich ruhig. Das ist kein gutes Zeichen. »Padre, bitte. Es ist schon lange her.« Lia sieht hilfesuchend zu mir, doch auch ich will wissen, was es mit der Geschichte auf sich hat. Lia rollt die Augen, als sie merkt, dass sie aus der Situation nicht herauskommen wird.

»Das ist 5 Jahre her. Er hat einen Vortrag an der Schule gehalten, als ich ihn kennengelernt habe. Wir waren zwei Jahre zusammen, bis...« Ihr blickt schweift zu Athos, die genau wie wir anderen genau zuhört. »Bis sie gekommen ist« beendet meine Schwester ihre Erzählung. »Was meinst du damit?« fragt Athos verwundert.

»Ich meine,« Lia sieht grimmig zu Athos, und fixiert sie mit ihrem Blick, »dass du ihn mir weggenommen hast. Es war alles gut zwischen Tony und mir bis du kamst. Dann hat er sich getrennt, weil er sagte, er hätte eine andere kennengelernt.« »Das-das wusste ich nicht. Ich schwöre es dir.« Athos sieht verletzt aus, und krallt sich in meinen Pullover. Vielleicht ist es falsch in dieser Situation zu sagen, dass sie mehr als heiß in meinen Klamotten ausschaut.

»Ich weiß. Anthony ist ein Arschloch. Natürlich hat er dir nicht gesagt, dass er eigentlich eine Freundin hat.« Meine Wut und Abneigung Anthony gegenüber wächst immer weiter. Er hat meine Schwester verarscht, Athos geschlagen und betrogen. Mein Blut kocht vor Wut. Er hatte etwas mit meiner Schwester während er mir auf der Arbeit zugelächelt hat.

»Ja,« haucht Athos gebrochen, und in ihren Augen erkenne ich neue Tränen. Sie soll nicht schon wieder weinen müssen. »Es tut mir leid« murmelt sie verletzt, bevor sie traurig meiner Schwester zulächelt, und die ersten Tränen ihr Gesicht runterlaufen. Ihre Schminke, die das leicht blau schimmernde Auge verdeckt haben, ist durch die Dusche weggewischt. Heute früh hat es noch nicht so schlimm ausgesehen wie jetzt.

»Tut mir wirklich leid. Hat mich sehr gefreut sie kennenzulernen Mr und Mrs Ramos.« sagt sie zu meinen Eltern, bevor sie aufsteht und gehen will. Doch bevor sie aus das Zimmer verlässt, bleibt sie stehen und dreht sich nochmal zu Lia. »Bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass du froh sein kannst, das du nichts mehr mit ihm zu tun hast. Er ist kein guter Mensch. Das hat er mir in den letzten 24 Stunden mehrmals bewiesen. Sei mir also bitte nicht böse, wenn ich sage, dass ich froh bin, dass alles so passiert ist, wie es ist. Lieber Trift es mich, als andere.« murmelt sie und geht.

Unangenehme Stille breitet sich im Raum aus. Aleja ist Athos hinterher gegangen. »Was meint sie damit, Nate? Und was ist mit ihrem Auge?« Tief hole ich Luft. »Anthony und Athos hätten heute eigentlich heiraten sollen. Gestern ist Anthony aber ausgerastet, weil er eifersüchtig war. Er hat gedacht, sie und ich hätten etwas miteinander und ist dann ausgerastet. Er hat sie geschlagen.« fange ich an zu erzählen.

»Athos hat entschieden ihn trotzdem zu heiraten, und als wir vorhin in die Kirche kamen, hat er die beste Freundin von Athos im Hinterzimmer gefickt.« Tadelnd schaut meine Mutter mich wegen meiner Ausdrucksweise an, aber ich ignoriere ihren Blick einfach. »Oh mein Gott« haucht meine Schwester und schüttelt mit dem Kopf.

Schnellt steht sie auf, und läuft Athos und Aleja hinterher. Mein Eltern tuscheln, und schauen schließlich zu mir. Mit gehoben Augenbrauen schaue ich sie an. »Sie ist die richtige, junge.« Erstaunt sehe ich zu meinem Vater. »Was meinst du?« »Aleja hat recht. Sie wird ihre neue mummy.« Schmunzelt er. »Ich weiß, wir haben in den letzten Jahren keinen Kontakt gehabt, aber ich kenne dich. Die Art, wie du sie ansiehst, und das kleine unscheinbare Lächeln das du hast, wenn du sie siehst. Es beweist das du sie magst. Vielleicht schon liebst. Und sie wird dein sein, wenn du dich richtig anstellst. Aleja hat nur von ihr gesprochen. Und Kinder haben meistens recht.«

»Figlio, dein Vater hat recht. Bei Amanda hatte ich so ein schlechtes Gefühl, als ich sie kennengelernt habe, und diese Frau, die ich gerade zum ersten mal gesehen habe, ist eine reine Seele. Schnapp sie dir figlio. Sie wird dir gut tun.«

Sie machen mir Hoffnungen. Ich darf mir keine Hoffnungen machen, denn am Ende wird man immer enttäuscht. So wie bei Amanda. Aber sie ist nicht wie Amanda, meldet sich meine innere Stimme. Ich verfluche mich . »Es ist der falsche Zeitpunkt, um über sowas zu reden. Sie hat heute einen wichtigen Menschen verloren. Außerdem gehört zu einer Beziehung mehr als nur eine Person.«

Ein großes Grinsen schleicht sich auf das Gesicht meiner Mutter. »Du hast uns nicht widersprochen« Schmunzelt sie. Leise seufze ich, und stehe auf. »Warte, bleib kurz sitzen. Ich wollte etwas mit dir besprechen« Jede Belustigung oder Freude ist aus dem Ton meines Vaters verschwunden. »Was ist los?« Auch wenn mein Vater in den letzten Jahren ein Arschloch war, weiß ich, dass es ernst ist. Schon als Lia mich angerufen hat, hatte ich dieses dumme Bauchgefühl. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht.

»Wir haben in den letzten Jahren nicht viel Kontakt gehabt, und mir ist mittlerweile klar geworden, dass ich daran schuld bin. Du hast es geschafft, dir eine eigene Existenz aufzubauen und hast ganz alleine meine Enkelin großgezogen«, in den Augen meines Vaters schimmern Tränen, und auch meine Mutter klammert sich wie ein Rettungsring an die Hand meines Vaters, »Ich bin so stolz auf dich mein Sohn. Die vergangenen Jahre kann ich nicht wieder ungeschehen machen, aber jetzt bleibt mir nicht mehr viel Zeit.« Stark schlucke ich. Bitte lass mich träumen.

»Ich habe Krebs im Endstadium. Mir bleiben nur noch sechs Monate.« Es ist, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Nach Luft japsend stehe ich auf, und ziehe meinen Vater in eine Umarmung. Es ist schwer gegen die Tränen anzukämpfen, aber ich muss stark bleiben. Für ihn und meine Mutter, und Lia. »Es tut mir so leid, Dad.«Flüstere ich ihm ins Ohr.

Das letzte mal, als ich ihn umarmt habe, war an meinem Highschool Abschluss. Damals dachte er noch, ich würde Medizin studieren. Er war so stolz, als ich ihm erzählt habe, dass ich eine Zusage von Havard hatte. Dann sagte ich ihm, für was ich einen Studienplatz bekommen habe, und von an, war unser Verhältnis nicht mehr das gleiche.

Dad und ich waren bei jedem Spiel der Nyx. Ausnahmslos. Wir hatten eine starke Verbindung, und ich war so dumm, um nicht einsehen zu wollen, dass ich über meinen Stolz springen sollte. Aber er hat den ersten Schritt gemacht. »Ich liebe dich, Dad. Auch wenn du ein Arsch warst.« Sage ich, und bring uns alle zum Lachen.

Secret desireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt