VIERUNDFÜNFZIG

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VIERUNDFÜNFZIG

Louis Anruf geht mir für den Rest des Abends nicht mehr aus dem Kopf. Zwar winke ich ab, sobald mich Jill auf das Telefonat anspricht und auch auf Chace' besorgte Blicke antworte ich bloß mit einem Lächeln, doch in Wahrheit denke ich jede Sekunde an das, was Louis gesagt hat. Mich beschäftigt, was er über Harrys Verhalten, seinen Zusammenbruch erzählt hat.

Einerseits denkt der böse, gehässige Teil meines Charakters, wie Recht es Harry geschieht, so zu leiden, sich schuldig zu fühlen. Er soll nie wieder vergessen, wie falsch es ist eine Frau, ein Mädchen zu schlagen, und erst recht soll er nie vergessen, wie viel Angst ich vor ihm hatte, als ich dann bei ihm aufgewacht bin. Ich hoffe, letzte Nacht war eine Lektion für ihn, ich hoffe, er wird sich für immer daran erinnern, wie dreckig und schuldig er sich gefühlt hat, nachdem ich aus seiner Wohnung geradezu geflohen bin. Ich hoffe, es verändert ihn.

Ich hoffe, er ändert sich.

Auf der anderen Seite kann ich beinahe die Narbe letzter Nacht wieder aufreißen spüren, wenn ich mir vorstelle, wie Harry betrunken auf dem Küchenboden sitzt und aus Wut mit Geschirr um sich wirft. Allein schon die Vorstellung, ihn weinen zu sehen, treibt mich fast in den Wahnsinn.

Es tut weh zu wissen, dass ich an seinen Gefühlen schuld bin, doch irgendwie spüre ich auch gerade deswegen Genugtuung. Louis Erzählungen zeigen mir, dass ich wohl doch einen Einfluss auf Harry gehabt haben muss, dass unser Streit Harry doch berührt haben muss. Und das ist alles, was ich wollte. Ein besonderes Mädchen auf seiner Liste zu sein, meine ich. Rede ich mir zumindest ein.

Den Rest des Abends bekomme ich nur in einer Art Trance mit. Meine Gedanken sind wie in Nebel gehüllt und ich beteilige mich kaum an irgendwelchen Gesprächen, da ich immer wieder an Harry denken muss, daran, wie mir seine Berührungen fehlen, seine kitzelnden Haare, seine beruhigende Stimme.

Es ist merkwürdig, dass ich im Moment weniger wütend oder enttäuscht bin, sondern vielmehr einsam und hilflos. Ich hätte erwartet, dass ich diejenige bin, die sauer ist und Harry nicht mehr sehen will, doch stattdessen würde ich fast alles dafür tun, ihn jetzt bei mir zu haben und seinen Arm um meine Mitte geschlungen zu haben.

"Sophie, we're going to play a drinking game now, do you wanna join?", holt mich Jack aus meinen schwermütigen Gedanken. Allerdings wartet er nicht meine Antwort ab, sondern stellt direkt ein Shotglas vor mich hin.

Jack versucht mir noch irgendetwas zu erklären, doch leide verstehe ich weder was er meint, noch wann man trinken muss. Somit spiele ich einfach mit Chace zusammen in einem Team und trinke jedes Mal aus meinem Glas, wenn auch er trinken muss.

Jack, Finn, Jill und Chace haben viel Spaß, doch ich kapsele mich weiterhin von dem Geschehen ab. Irgendwann höre ich, wie die Gläser abgeräumt werden und mir fällt auf, dass ich die einzige bin, die noch auf dem Sofa sitzt. Ich muss wohl wieder einmal abgeschweift sein.

Während die anderen vier den Tisch abräumen, suche ich meine Habseligkeiten zusammen und ziehe schon mal meine Schuhe an. Wenige Minuten später ist auch Chace bei mir, Jill hingegen ist nirgends zu sehen.

"Where's Jill?", frage ich verwirrt.

"She's going to sleep here, she's too drunk to drive home", lacht Jack, der selbst nicht mehr ganz gerade gehen kann.

Ich nicke nur und warte darauf, dass Chace endlich fertig ist um nach Hause zu gehen. Als er sich bückt um seine Schuhe zu binden, fallen ihm immer wieder seine blonden Strähnen ins Gesicht, die er dann genervt wegpustet. Kurzerhand nehme ich meine Hand und streiche ihm seine Haare aus dem Gesicht, sodass er sich ohne Probleme anziehen kann. Er lächelt mich an, bevor er sich dann aufrichtet und von den Zwillingen verabschiedet, was ich ihm gleichtue.

Misgivings [Harry Styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt