FÜNF

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FÜNF

Trotz einigen Irritationen und Missverständnissen der Londoner Underground, sitze ich nun endlich auf dem Sofa in unserem Hotelzimmer. Meine Mutter ist noch wach geblieben um auf mich zu warten, ist jetzt aber schon in ihrem Zimmer und schläft. Sie sagte sie würde mich morgen über das Meet & Greet ausfragen, da sie jetzt zu müde sei. Das ist mir auch ganz recht, denn die ganze Aktion mit Harry und seinen Andeutungen, bzw. offensichtlichen Angeboten, hat mich verwirrt. Vielleicht hätte ich dieser einzigartigen Chance zustimmen und einfach mit ihm mitgehen sollen? Aber nein, ich verhalte mich doch nicht wie eine Schlampe! Obwohl, eigentlich bin ich nur neidisch auf Leute, die den Mut und das Selbstbewusstsein haben und mit Harry mitgegangen wären. Wieso bin ich nicht so? Schönheit, Intelligenz, Willensstärke und eben Selbstbewusstsein sind einfach ungerecht verteilt.

Ich hänge meinen Gedanken nach, während ich mich abschminke und umziehe. Dann lege ich mich in mein Bett und fahre mit meiner Grübelei fort. Ein ewiger Kreislauf bei dem ich immer auf das gleiche Thema zurück komme.

Plötzlich fällt mir der USB-Stick mit den Bildern ein und ich setze mich auf, um meinen Laptop vom Nachttisch zu schnappen. Ich schalte ihn an und als er hochgefahren ist, stecke ich den Stick ein. Schnell laden alle Fotos auf meinem Bildschirm und ich beginne sie von vorne durchzusehen. Im Vollbildmodus versteht sich, ich muss doch ihre wunderschönen Gesichter sehen. Ich klicke durch die Gruppen- und Einzelfotos und grinse in mich hinein. Es fühlt sich an als hätte ich 20 Flummis gegessen, die jetzt in mir auf und ab hüpfen. Das ganze ist so surreal! One Direction. Auf demselben Foto wie ich! Ich klicke weiter durch die Bilder und finde ein sehr hübsches von Zayn und mir und eins von Louis und mir, auf dem wir Grimassen schneiden.

Als ich bei den Fotos von Harry und mir angelangt bin, fängt mein Herz an zu rasen. Hat der Fotograf unseren Kuss festgehalten? Die ersten beiden Bilder sind ziemlich normal, auf dem einen grinsen wir sehr süß, was wiederum mich schmunzeln lässt. Auf dem nächsten küsse ich Harry auf die Wange, aber so schlecht, wie vom Fotografen behauptet, finde ich das Foto nicht. Ich kann kaum erwarten zum nächsten Bild zu klicken, unsicher ob ich den Moment tatsächlich auf einem Foto festgehalten sehen will oder nicht. Als es erscheint weiten sich meine Augen und meine linke Hand fährt unmittelbar zu meinem Mund. Das Foto zeigt zwei sich küssende Personen. Beide haben ihre Augen geschlossen. Halt, warte! Wann zum Teufel waren meine Augen geschlossen?! Seine Hand liegt unter ihren Haaren in ihrem Nacken, während meine auf seinem Rücken verweilt. Wann hatte ich bitte schön meine Hand dort? Photoshop! Ha ha ha. Als ob sich jemand die Mühe machen würde. Dennoch ist das Foto sehr schön und sieht intim aus, auch wenn ich mir in meiner Erinnerung mehr wie auf dem Präsentierteller vorkam.

Ich starre das Foto noch gefühlte 15 Minuten an, bevor ich ein anderes mit allen Jungs von One Direction und mir bearbeite. Es ist eins auf dem wir nicht posieren, sondern Louis' Hand auf Nialls Schulter liegt, welcher herzlich lacht und in die Hände klatscht. Ich stehe in der Mitte, mit Zayns Hand um meiner Taille, und grinse Harry an, der mir zuzwinkert. Zayn lächelt Niall und Louis zu. Mir gefällt das Bild wahnsinnig gut, da es nicht so gestellt ist. Ich logge mich auf Facebook ein und lade es auf meiner Chronik hoch. Dazu schreibe ich:

"Just hanging out with the lads;)<3"

Innerhalb von fünf Minuten habe ich schon 30 Likes, fast nur von Mädchen. Ich lache, da ich es erbärmlich finde wie sich alle männlichen Wesen auf diesem Planeten verhalten, wenn es um One Direction geht. Ich beantworte noch einige Kommentare und chatte mit einer Freundin, die fragt wie ich an das Meet & Greet gekommen sei. Irgendwie möchte ich den ganzen Kram mit dem Management nicht erklären, behaupte also meine Eltern hätten mir die Tickets geschenkt. Dann schalte ich den Laptop aus, klappe ihn zu und rolle mich unter meiner Decke zusammen.

**

Am nächsten Morgen werde ich von meinen Eltern geweckt.

"Sophie, wir wollen in einer Dreiviertel Stunde frühstücken gehen. Kannst du bis dahin duschen und deine Tasche richten?"

"Jahaa, ich beeil mich", rufe ich aus meinem Zimmer.

Ich lege mein Outfit für den Tag heraus, einen gold- und weißgemusterten Pulli im Ethno-Stil, ausgefranste Jeansshorts und schwarze Bikerboots. Dann springe ich schnell unter die Dusche, föhne, schminke und ziehe mich an. Da ich nicht weiß, ob wir vor dem Abendessen noch einmal zurück ins Hotel kommen schmeiße ich noch Lippenstift, Deo und schwarze halbtransparente Strumpfhosen in meine Tasche. Das Wetter in London macht was es will, da muss man vorbereitet sein.

Unser heutiges Ziel ist die Oxfordstreet, doch davor machen wir einen Abstecher zu Starbucks, da wir noch frühstücken wollen. Als wir unsere Kaffees und Sandwiches haben, wollen meine Eltern wissen wie mein Meet & Greet war.

"Total cool, die waren wirklich so lustig und sympathisch wie in Interviews oder so. Und die Fotos sind auch toll geworden!"

"Und was ist mit diesem Harry? War er diesmal nüchtern?", fragt meine Mutter mit einem Augenzwinkern. Ich rolle nur die Augen. Daraufhin schaltet sich mein Vater ein:

"Apropos! Ist der denn wirklich so gutaussehend wie du immer sagst? Oder sieht er in natura aus wie ein Milchbubi hahaha?"

Ich schüttle lachend den Kopf: "Nein er ist tatsächlich so schön wie auf Fotos, danke der Nachfrage."

Wir unterhalten uns noch über das Konzert und ich frage meine Eltern was sie danach gemacht haben und dann machen wir uns auf zur Oxfordstreet.

Der Tag geht wahnsinnig schnell vorbei und ehe ich mich versehe, sitzen wir in einem asiatischen Restaurant und essen zu Abend. Meine Eltern sind müde und sie schlagen mir vor, dass ich noch ausgehen könne falls mir danach sei. Also google ich meinen Standort und suche nach Pubs und Clubs in der Umgebung. In dem Moment beginnt mein Handy zu klingeln, auf dem Display steht "Chace"... Chace, hä? Ach ja! Jetzt fällt mir ein, dass so der Typ heißt, den ich am ersten Abend kennengelernt habe. Ich gebe meinen Eltern ein Handzeichen, stehe auf und laufe aus dem Restaurant.

"Hello Chace!"

"Hi! How are you?"

"Thanks I'm fine, what about you?"

"Well, I thought maybe you would like to go out tonight? I could show you some nice clubs?"

"That would be great, but actually I am at a restaurant now."

"Tell me where it is, so I can pick you up there."

Ich sage ihm die Adresse und lege auf, er wird mich in einer halben Stunde hier abholen. Allerdings bringt er Freunde mit, hat er gesagt, was mich etwas beruhigt. Ansonsten hätte ich mir Sorgen gemacht, dass das ein Date werden könnte.

Ich gehe wieder zu unserem Tisch und setze mich. Dann erkläre ich meinen Eltern meinen Plan für heute Abend und obwohl sie skeptisch sind, weil ich mit Fremden feiern gehen werde, ist es ihnen lieber als mich allein losziehen zu lassen. Als es an der Zeit ist, verabschiede ich mich und suche schnell die Toiletten. Dort trage ich bordeauxroten Lippenstift auf und fahre mir nochmal mit feuchten Händen durch die Haare. Danach verlasse ich das Restaurant und setze mich auf eine niedrige Mauer gegenüber und warte. Es dauert keine fünf Minuten bis Chace und zwei weitere junge Männer auf mich zukommen. Als er mich entdeckt ruft er: "Hey Sophie, good to see you again!" und umarmt mich fest.

~

Oh yeah, I guess it makes me smile

I found it hard, it's hard to find

Oh well, whatever, nevermind.

Misgivings [Harry Styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt