Wohlverdiente Freiheit | Kapitel 29.

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Wohlverdiente Freiheit | Kapitel 29.

Lydia

Schmerzerfüllt stöhnte sie auf, kurz nachdem sie auf unsanfte Art und Weise Bekanntschaft mit dem harten Asphaltboden gemacht hatte. Sichtlich benommen richtete sich das Mädchen auf, nur um sich dann kurzerhand das Messer, welches sich neben ihr befand, unter den Nagel zu reißen. Schwer atmend betrachtete Lydia die Mikrowelle, welche sie dazu benutzt hatte, um das Fenster einzuschlagen, was letztendlich auch super funktioniert hatte. Ihr Herz begann immer heftiger zu schlagen, als ihr klar wurde, dass auch Gwi-nam jeden Moment durch dieses Fenster klettern würde, es konnte sich schlichtweg nur noch um Sekunden handeln.

Hastig schlich Lydia sich dicht entlang der Hauswand vor, um sich einen kleinen Überblick über die aktuelle Lage verschaffen zu können, ehe sie jedoch in ihrer Bewegung innehielt. Ein freudiges Lächeln schlich sich auf ihr zuvor verheultes Gesicht, ehe sie von der Schönheit des Vollmondes überwältigt wurde. Diese herrliche Abendbrise, der Duft von frisch gemähtem Rasen und dieser herrliche Mondschein ließen sie neue Hoffnung schöpfen. Verträumt, legte sie ihren Kopf in den Nacken und schloss schläfrig ihre Augen. Sie genoss das Mondlicht auf ihrer Haut, in ihrem Gesicht, dieser Moment war einfach magisch und sie hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, all das Leid, all den Kummer für einen kurzen Moment vergessen zu können.

»Du blöde Schlampe!« hörte sie plötzlich jemanden dicht hinter sich zischen, gefolgt von leisen Schritten, welche sich ihr näherten. Natürlich war es Gwi-nam. Verdammt! Eigentlich wollte Lydia schon längst über alle Berge sein, doch sie hat sich wieder einmal ablenken lassen. Mit zorniger Miene drehte sie sich schließlich zu dem Störenfried, nur um ihm mit einem hämischen Grinsen seine Klinge zu demonstrieren, die inzwischen in ihrem Besitz war.

Jedoch verblasste ihre zornige Miene abrupt, als Gwi-nam wie aus dem Nichts in seiner Bewegung innehielt. Es war die Art, wie er sie ansah, die Lydia auf eine seltsame Weise schmeichelte und sie erröten ließ. Gwi-nam sah sie an, starrte geradezu ehrfürchtig, als sei sie das schönste Mädchen, das er zuvor noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, in der er nichts weiter tat, als sie wortlos zu betrachten, ihre Erscheinung geradezu zu bewundern. Lydia war erstaunt, seine Blicke, sie waren zum ersten Mal nicht anstößig oder gar beunruhigend, ganz im Gegenteil, sie genoss seinen Blick geradezu. Ein kleines Schmunzeln bildete sich auf ihren Lippen, denn für sie war es ein überaus großes Kompliment und das gerade von Gwi-nam. Er schien ihr Lächeln bemerkt zu haben, denn auch er begann inzwischen etwas vor sich hin zu grinsen und sich schüchtern am Kopf zu kratzen. In solchen Momenten und davon gab es erst zwei, wirkte er immer so süß und missverstanden, doch mittlerweile wusste sie, dass der Schein bei ihm gewaltig trügt. Ihr Lächeln verblasste und wurde kurzerhand wieder von ihrer zornigen Miene ersetzt. Gwi-nam war ein Mistkerl, er kannte weder Reue noch Gnade, das hatte er ihr oft genug zu verstehen gegeben.

»Hör auf mich anzustarren.« fauchte sie schließlich abermals, ehe er sich wieder zu fangen schien. Fürs Erste schien er irritiert und auch sein dämliches Grinsen verblasste allmählich.

»Ich bin nur erstaunt darüber, dass du mit deinem fetten Arsch durchs Fenster gepasst hast«, erwiderte Gwi-nam schnippisch, ehe er hastig seinen Blick von ihr abwandte und sich wortlos neben sie drängte. Lydia konnte die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, überdeutlich wahrnehmen, seinen heißen Atem geradezu im Nacken spüren. Heimlich spähten die beiden schließlich um die Ecke der Schulkantine und sie beide hatten perfekte Sicht auf einen kleinen Teil des Schulgeländes sowie auf die hunderten von Infizierten. Lydia hatte eigentlich nichts anderes erwartet und dennoch war sie sichtlich entsetzt über den Anblick.

»Das ist übrigens mein Messer«, nuschelte Gwi-nam beiläufig, während die beiden weiterhin das Spektakel prüfend beobachteten.

»Sprich nicht mit mir«, erwiderte sie gleichgültig, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Lydia verfestigte ihren Griff um das Messer, ehe Gwi-nam schließlich nach ihrer Hand griff, um es ihr abzunehmen.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt