Eine andere Art von Zuneigung | Kapitel 35.

87 7 0
                                    

Eine andere Art von Zuneigung | Kapitel 35.

Gwi-nam

Diese Stille, diese peinliche Stille, sie machte ihn geradezu wahnsinnig. Die ganze Zeit vergrub er beschämt das Gesicht in seinen Händen und dachte verzweifelt darüber nach, was er sagen sollte, geschweige denn ob er überhaupt etwas sagen sollte. Eigentlich wollte Gwi-nam das Mädchen nur ein wenig necken, sie aus Langeweile etwas piesacken, doch es endete nicht wirklich wie erhofft. Er wollte sie nicht küssen, jedenfalls nicht wirklich, wenn überhaupt wollte er es nur andeuten und schauen, ob sie es dieses Mal zulassen würde. Ihre Reaktion jedoch war genau die gewesen, die er sich erhofft hatte, dachte er grübelnd. Gwi-nam konnte ja nicht ahnen, dass sie dieses Mal so hektisch umher zappeln würde und er dadurch versehentlich ihre Wange treffen würde. Nachdenklich strich Gwi-nam über seine noch immer kribbelnden Lippen und es war, als könne er noch immer die samt weiche Haut unter ihnen spüren. Ein kleines Schmunzeln bildete sich auf seinem Gesicht, ehe er für sich selbst den Kopf schüttelte.

»Ich habe Hunger.« hörte er das Mädchen hinter sich seufzend, woraufhin er sich auch sogleich zu ihr wandte.

»Hat der Direktor hier nicht vielleicht irgendwo Süßigkeiten versteckt?«, fragte sie, ehe sie zu ihm blickte. Das Mädchen deutete auf eine Schublade direkt neben seinem Knie. Ohne großartig zu überlegen, warf Gwi-nam einen heimlichen Blick in die Schublade des Schreibtisches, jedoch war er von dem Inhalt nicht sonderlich begeistert. Ein Ghana Milchschokoladen-Riegel befand sich darin, wie Gwi-nam nicht sonderlich begeistert feststellen musste. War ja klar, dass dieser verfettete Fettsack nichts Brauchbares in diesem mickrigen Büro zu bieten hatte. Obst und Gemüse? Sowas waren für den Direktor vermutlich nur Fremdwörter.

»Und?«, fragte die Blondine ungeduldig, woraufhin Gwi-nam jedoch nur verneinend den Kopf schüttelte.

»Schade«, seufzte die Kleine, ehe sie sich schmollend von ihm weg drehte und sich wieder tiefer im Sessel versank, sodass er nur noch ihren blonden Hinterkopf sah. Kaum bemerkte Gwi-nam, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mehr ihm galt, versteckte er den blöden Riegel unter seinem Hemd, das wahllos auf dem Schreibtisch lag. Schokolade war zwar nicht unbedingt das, was er sich erhofft hatte, aber immerhin besser als gar nichts. Gwi-nam würde sich den Riegel aufheben, wer weiß, wie lange er noch ohne jegliche Nahrung hier verharren müsse. Natürlich könnte er den Riegel mit der Blondine teilen, aber mal ehrlich, wer würde schon gutes Essen an jemanden verschwenden, der ohnehin bald das Zeitliche segnen würde?

Müde rieb sich Gwi-nam über sein verschwitztes Gesicht, ehe er leise seufzte. Die Müdigkeit und dieses ekelhafte Gefühl, welches sich auf seinem Rücken abspielte, machte ihm mittlerweile gehörig zu schaffen. Jedoch war schlafen das Letzte, was er vorhatte, schließlich war er nicht alleine. Zugegeben, die Blondine war mehr als einen Kopf kleiner als er und auch nicht gerade die stärkste. Dennoch musste er sich eingestehen, dass er sich ein wenig um sein eigenes Wohlergehen sorgte. Er war halbnackt, unbewaffnet und war ihr durch seine Verletzungen regelrecht ausgesetzt. Es würde ihn also nicht wundern, wenn sie früher oder später versuchen würde, ihn anzugreifen.

Gwi-nam wollte nichts dem Schicksal überlassen, weshalb er sich schließlich mit Schmerz erfüllten Stöhnen aufrichtete und hinüber zur Blondine schlenderte. Auf dem kurzen Weg zu ihr blickte er sich unauffällig nach seiner heißgeliebten Klinge um, jedoch fehlte von ihr jede Spur. Die Blondine wird sie vermutlich irgendwo versteckt haben, während Gwi-nam regelrecht durch seine Schmerzen in den Wahnsinn getrieben wurde.

»Ich werde es keinem erzählen, falls das deine Sorge ist.« hörte er das Mädchen plötzlich nuscheln, wodurch er abrupt aufhorchte.

»Das will ich auch schwer für dich hoffen«, erwiderte er zähneknirschend, kaum als er sich ihr gegenüber gesetzt hatte.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt