Herzschmerz | Kapitel 55.

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Herzschmerz | Kapitel 55.

On-jo

Die junge Schülerin sowie viele andere in dem Musikraum hatten große Mühe, sich ein Kichern zu verkneifen. Es war die Art und Weise, wie Joon-Yeong seine Nachricht an die Außenwelt hinterließ. Zuerst hatte er sich wie der Rest der Truppe an seine Familie gewandt, doch nach kurzer Zeit wurde aus seiner emotionalen Rede eine Art Bewerbung.

»Wer auch immer das hier sieht, mein Name ist Joon-Yeong und ich suche auf diesem Weg eine Freundin«, begann er, was Dae-su und Wu-jin sogleich zum Grunzen brachte, wovon der Brillenträger sich allerdings keinesfalls beirren ließ.

»Das klingt jetzt vielleicht unbescheiden, aber meine Intelligenz und meine coole Art machen mich zu einer guten Partie«, fuhr der Junge schließlich schüchtern fort, woraufhin On-jo und Lydia sich vielsagende Blicke untereinander tauschten.

»Der lügt wie gedruckt!«, mischte Dae-su sich schließlich ein und hielt sein verschwitztes Mondgesicht ins Bild. Auch Cheong-san hatte sichtlich damit zu kämpfen, nicht hier und jetzt loszulassen.

»Das war nicht gelogen«, erwiderte Joon-Yeong und drückte Dae-su schließlich aus dem Bild.

Die vorherige Trauer und die Sorge, die On-jo um ihren Vater hatte, konnte sie durch die niedliche Ansprache von Joon-Yeong weitestgehend verdrängen. Sie und ihre Freunde hatten noch immer Hoffnung darauf, bald gerettet zu werden, doch dazu mussten sie zuerst auf das Schuldach gelangen.

On-jo konnte nicht anders als nach einer gewissen Zeit einen heimlichen Blick auf Nam-ra und Su-hyeok zuwerfen. Die beiden Schüler sprachen kein Wort, sie starrten lediglich aus dem offenen Fenster vor ihnen. Wie von alleine marschierte die junge Schülerin zu ihren Mitschülern, die abseits der Truppe saßen.

»Ihr könnt auch eine Botschaft hinterlassen, wenn ihr wollt«, murrte On-jo schließlich zaghaft. Sie erntete fast schon verdutzte Blicke, als hätte keiner von den beiden mit ihr gerechnet. Nur zögerlich nahm Su-hyeok die Videokamera an sich, ehe er sie mit einem prüfenden Blick betrachtete.

»Also mir fällt nichts ein«, entkam es ihm letztendlich gleichgültig, ehe er sich an Nam-ra wandte, die noch immer an seinem Handgelenk gebunden war. Sie sagte kein Wort und starrte weiter abwesend durch das Fenster vor ihr. War sie vielleicht wütend? Oder sogar enttäuscht? Beides könnte On-jo ihr jedenfalls nicht verübeln.

»Dir?«, fragte Su-hyeok, woraufhin die Klassensprecherin lediglich mit dem Kopf schüttelte.

»Wir vertrauen euch, ihr könnt die Fesseln lösen«, versicherte On-Jo den beiden Schülern, erntete jedoch nur einen misstrauischen Blick von Su-hyeok, der ihr erneut einen Stich versetzte. On-jo konnte gut verstehen, wieso die beiden so reagierten, deshalb wollte sie es fürs Erste dabei belassen.

Die junge Schülerin kehrte zu den verbliebenen Truppen Mitgliedern zurück, ehe sie sich schließlich wieder neben die Blondine gesellte. Lydia hatte sich geweigert, ihrer Familie eine Botschaft zu hinterlassen. Wieso wollte sie nicht sagen. Vielleicht war es ihr unangenehm, da sie ja doch noch recht neu war, oder sie legte einfach keinen Wert auf ein paar letzte Worte. On-jo betrachtete die Blondine für einen kurzen Augenblick. Ohnehin wirkte Lydia seit den letzten Stunden überaus nachdenklich und fast schon wie ... in sich gekehrt. Die verfärbten Flecken an ihrem Hals und an ihren Handgelenken waren On-jo noch immer ein großes Rätsel, doch sie traute sich beim besten Willen nicht, sie darauf anzusprechen.

Die junge Schülerin konnte nicht anders und wagte erneut einen heimlichen Blick zu ihren beiden Mitschülern, als sie die leise Stimme der Klassensprecherin hörte.

»Su-hyeok, ich mag dich«, sprach Nam-ra leise in die auf sie gerichtete Kamera. On-jo spürte, wie sich ihr Herz schlagartig verkrampfte und ihr regelrecht die Spucke wegblieb. Hatte sie das gerade wirklich gehört? Schwer schluckend sah On-jo zu ihren Teamkollegen, die jedoch größtenteils mit sich selbst beschäftigt waren. Die junge Schülerin spürte, wie heiße Tränen in ihr aufstiegen und ihre Augen glasig wurden und doch konnte sie nicht anders als wieder zu ihren Mitschülern zu schauen.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt